Nur noch etwas mehr als zwei Wochen gibt es die Gelegenheit, sommerliche Feierabende im „Golden City“ auf der Überseeinsel zu genießen, Konzerte und Gastspiele zu besuchen, zu singen, zu feiern und zu tanzen. Nach der großen Abschiedsparty am Sonnabend, 3. September, schließt die temporäre Hafenbar ihre Pendeltüren – nicht nur für diese Saison, sondern für immer. Für die Öffentlichkeit kommt die Nachricht überraschend. Doch die Entscheidung fiel nicht spontan, wie Frauke Wilhelm im Gespräch mit dem STADTTEIL-KURIER erklärt. „Wir hatten unglaublich tolle Jahre“, betont die Initiatorin und künstlerische Leiterin des Golden-City-Projekts. „Doch in den vergangenen drei Jahren haben sich die Bedingungen komplett geändert.“
So fing es an: Im Mai 2013 wurde die Hafenkneipe erstmals am Europahafenkopf aufgebaut, zusammengezimmert aus Altbauteilen, Kuriosem und Ererbtem. Die wohl originellste Lokalität der Stadt bot mehr als 60 Veranstaltungen innerhalb von nur 90 Tagen – viel Theater, Musik, Kunst, Comedy und Sachen, die es sonst nirgendwo gab, so zum Beispiel die populären „Lokalrunden“, bei denen sich das Publikum ohne Noten Mitsing-Ohrwürmer der Pop- und Schlagergeschichte vornahm, Diskussionsabende und Erzählcafés zu Stadtteilgeschichte und -entwicklung. Die Bilanz im Premierenjahr: Rund 6000 Gäste aller Generationen.
Die Idee für das Projekt war bereits zwei Jahre vorher im „Krokodil“ an der Nordstraße entstanden, erklärt Wilhelm. 72 Stunden lang wurde auf ihre Initiative hin die Hafenbar mit Musik und Theater bespielt, bei Talkrunden wurden Geschichten und Anekdoten aus der bewegten Geschichte der „Waller Küste“ gesammelt. Das besagte Wochenende war auch die Geburtsstunde des Golden-City-Trios Frauke Wilhelm, Nomena Struss und Egon Rammé – alias „Ramona, Ramon und Rammé“.
So ging es weiter: Bis 2017 kehrte das Golden City an den Europahafen zurück. Wegen der Großbaustelle am Hafenkopf wurde die Hafenbar in den beiden folgenden Saisons auf das Lankenauer Höft umgesiedelt. Im Pandemie-Jahr 2020 wurde die Geselligkeit in den virtuellen Raum verlegt. In den Monaten der erzwungenen Distanz hielt man online Kontakt mit den Fans, gründete ein stadtumspannendes Quarantäne-Orchester mit professionellen Musikerinnen und Musikern sowie talentierten „Bürgerlichen“ aller Generationen. Resultat war das 17 minütige Video „Traumweltstadt“ – eine Liebeserklärung an Bremen mit all seinen Facetten. Die musikalisch-filmische Collage wurde zur Wiedereröffnung am neuen Standort im Kellogg’s-Quartier im vergangenen Jahr erstmals öffentlich präsentiert.
Was sich veränderte: „Wir bekommen jetzt die Folgen von Corona zu spüren“, erklärt Wilhelm. „Es kommen nicht mehr genug Leute“. Vom Zuspruch der Anfangsjahre mit mindestens 100 Gästen bei den Lokalrunden und voller Hütte bei den Konzerten sei man weit entfernt. Ein Grund sei sicherlich die unsichere wirtschaftliche Lage, die viele Menschen zur Sparsamkeit zwinge. „Das geht nicht nur uns so – das sagen alle Veranstalter“, weiß die Kulturschaffende. Das neue „Reservat“ hinter der alten Werft an der Stephanikirchenweide: eigentlich eine optimale Spielstätte, doch möglicherweise etwas „zu weit ab“ und versteckt, vermutet Wilhelm. Doch Künstler, Techniker, Handwerker müssen bezahlt werden. Das Team selbst erbringe seine beachtliche kulturelle Leistung „durch sehr viel Engagement und prekär bezahlte, immer unsichere Jobs“. Sie prophezeit: „Für kleine Initiativen wie unsere, die nach bald zehn Jahren immer noch keine öffentliche Grundförderung bekommen, wird es schwer werden.“
Das ist geblieben: „Unvergessliche Abende und wahnsinnig schöne Erinnerungen an eine tolle Zeit“, schwärmt Wilhelm. Um feucht-fröhliche Abende ging es im Golden City nie alleine, sondern um Kunst und Kultur, die Zeiten und Menschen verbindet. Gerne erinnert sie sich an das deutsch-griechische Kulturprojekt „Lernen von Athen“ zurück, das sich per Internet-Liveschaltungen mit den Nachbarn aus dem griechischen Elefsina verband. Musikalische Verstärkung suchte und fand die Golden-City-Crew auch in Bremer Übergangswohnheimen: Sie waren 2016 engagiert worden, um das Repertoire des Golden City an Liedern über Heimat, Fremde, Sehnsucht und Liebe mit „Sehnsuchtsliedern von der Gegenküste“ zu erweitern – arabischen, kurdischen und persischen Liedern aus den Heimatländern der Geflüchteten. Aus dem Kontakt mit Zeitzeugen im Rahmen der Golden-City-Erzählcafés entstand Wilhelms Opus „Stahlschnitt, Schweißer, Stapellauf“ (2021) über die Geschichte und das Arbeiten auf der AG Weser.
Das kommt: Ein letztes Wiedersehen mit künstlerischen Lieblingsgästen, eine finale Lokalrunde mit Ramona, Ramon und dem inzwischen 89-jährigen Rammé, und schließlich eine rauschende Abschiedsparty. Danach wird abgebaut. Interessenten für Bar, Backstage- und Lagercontainer können sich unter info@goldencity-bremen.de melden. Das künstlerische Ensemble wird seine eigene Wege gehen, für Frauke Wilhelm heißt das: mehr Musik machen, eine Band gründen, eine Platte mit den eigenen Songs aufnehmen. Ein Fünkchen Hoffnung für den Standort gibt es laut Wilhelm: „Es gibt eine kleine Gruppe, die dort möglicherweise weiterhin Kultur machen will - in welcher Form ist aber noch unklar.“