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Einsatz für Behinderte Von Fürsorge zur Selbsthilfe

50 Jahre Einsatz für Menschen mit Behinderung: Die Bremer LAG Selbsthilfe feiert Jubiläum. Von Fürsorge zu Selbsthilfe - ein Blick auf die Arbeit und Herausforderungen der Organisation.
12.06.2025, 05:00 Uhr
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Von Anke Velten
Inhaltsverzeichnis

Seit 50 Jahren setzt sich die Bremer Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (LAG) für die Interessen behinderter Menschen ein. Diese können im Einzelnen ganz unterschiedlich sein – so verschieden wie die spezifischen Anliegen und Bedürfnisse der mittlerweile rund 40 angeschlossenen
Vereine und Initiativen. Ihrem Engagement ist zu verdanken, dass behinderte Menschen gesellschaftlich und politisch viel mehr Gehör finden als noch vor fünf Jahrzehnten. Doch noch immer gibt es mehr als genug zu tun, sagt LAG-Geschäftsführer Gerald Wagner.

Wie fing es damals an?

Verachtet, weggeschlossen, als unwertes
Leben aus der Gesellschaft entfernt: Man muss nur wenige Jahrzehnte zurückgehen, um sich vor Augen zu führen, wie einst mit behinderten Menschen umgegangen wurde. Die Wurzeln der LAG Selbsthilfe liegen in
der gesellschaftlichen Aufbruchstimmung der späten 1960er-Jahre, erklärt Florian Grams.

Im Mai 1975 gründeten Vertreter von zwölf Vereinen die Bremer „Landesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte“, um sich untereinander zu vernetzen und gemeinsam Stärke zu entwickeln. Seit dem Jahr 2007 heißt der Verbund LAG Selbsthilfe. Mehr als eine simple Namensänderung, sondern Ausdruck eines Paradigmenwechsels, so der stellvertretende Geschäftsführer: Sie belege den Wandel von passiven Empfängern von Fürsorge zu selbstbestimmten und selbstbewussten Akteuren.

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„Es geht darum, gemeinsam für Gerechtigkeit zu kämpfen und die Bedürfnisse behinderter Menschen nicht zu vergessen“, erklärt Binta Bah, Gründerin und Vorsitzende des Vereins Lundu, der sich für Aufklärung und Prävention weiblicher Genitalverstümmelung und der Beratung und Unterstützung betroffener Frauen verschrieben hat – eines der jüngsten Mitglieder der LAG.

Welche Aufgaben übernimmt die LAG?

Neben der Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit und der Organisation von Veranstaltungen, Fachtagen und Workshops, der Mitwirkung bei der Planung des Bremer Behindertenparlaments und des Bremer Protesttags gehört seit 2018 auch die so genannte „Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung“ (EUTB) zu den Aufgaben der LAG. Die Teilhabeberatung, die im Sozialgesetzbuch festgeschrieben ist, ist ein kostenloses und niedrigschwelliges Beratungsangebot, das sich an Menschen mit Behinderung, chronisch kranke Menschen sowie deren Angehörige richtet und im LAG-Büro sehr gut angenommen werde, erklärt Wagner. „Seit 2018 haben wir fast 8000 Beratungen durchgeführt.“

Eine immer wichtigere Rolle spiele dabei die Unterstützung von Menschen, die nicht deutscher Herkunft sind, erklärt Gerald Wagner. Sie machen mittlerweile ein gutes Drittel der Klienten aus. Die LAG bietet feste Beratungstermine in den Sprachen Russisch/Ukrainisch, Englisch, Französisch sowie in westafrikanischen Sprachen und Dialekten an. Beratungen in weiteren Sprachen können vereinbart werden.

Seit kurzem ist die LAG zudem Trägerin des Projekts „50 Rampen für Bremen“ der Bremer Wirtschaftssenatorin, das Menschen im Rollstuhl den Zugang in gastronomische Betriebe, Geschäfte und Kultureinrichtungen ermöglichen soll. 30 der mobilen Rampen konnten bislang übergeben werden und sind im Einsatz, 30 weitere seien angefragt, so Wagner. Das Spektrum der Aufgaben beschäftigt bei der LAG zwölf Mitarbeiter auf 4,5 Stellen.

Welche Baustellen beschäftigen den Verband aktuell?

„Viele Barrieren wurden bereits beseitigt, doch noch immer erleben Menschen mit Behinderungen Diskriminierungen und Ausgrenzungen“, sagt Florian Grams. Dies zu ändern „bleibt Aufgabe einer selbstbewussten Behindertenbewegung, deren fester Teil die LAG auch in Zukunft bleiben wird.“

Ein konkretes Thema sei aktuell die geplante Umgestaltung der Domsheide, erklärt der Vereinsvorsitzende Jürgen Karbe. Die Position der LAG und des Landesbehindertenbeauftragten ist eindeutig: Würden die Haltestellen tatsächlich wie vorgesehen weit auseinandergezogen, bedeute dies eine große Verschlechterung für blinde oder mobilitätseingeschränkte Menschen. Eine weitere Forderung der LAG betrifft feste Stellplätze für E-Roller.

Baustellen im übertragenen Sinne sind unter anderem der zunehmende Bedarf an Beratung behinderter Geflüchteter sowie die Unterstützung in psychischen Krisen, erklärt Wagner. Lob gibt es seitens des Geschäftsführers für die respektvolle und wertschätzende Zusammenarbeit mit der Bremer Politik. „In Bremen ist die behindertenpolitische Szene über Jahrzehnte aktiv und lebendig geblieben“, sagt Florian Grams. Als eine der bundesweit langjährigsten LAGs pflege man seit vielen Jahren eine enge und ernsthafte Zusammenarbeit mit Senat und Bürgerschaft. Dieses besondere Standing werde bei den jährlichen Austauschtreffen mit Vertretern der LAGs der anderen Bundesländer deutlich wahrgenommen. Von einem „Leuchtturmstandort“ spricht Andreas Wick, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins: „Bremen ist in dieser Hinsicht ganz weit vorne. Alle gucken hierher.“

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