"Kinder, die sich gut bewegen, können auch gut lernen", sagt Saher Khanaqa-Kükelhahn. Die Psychologin ist umringt von acht Schülern der Grundschule am Pastorenweg in Gröpelingen. Nach ihren beiden Fragen, wer gut in der Schule und wer gut im Sport ist, gehen alle Hände in die Luft. Ex-Werder-Profi Nelson Valdez lacht, genau diese Euphorie hat er sich für das kleine Fußballtraining gewünscht. Der Double-Sieger von 2004 ist bei den Grün-Weißen inzwischen Co-Trainer der U23. Er will ein Projekt unterstützen, das ihm persönlich am Herzen liegt: die "Bremer Sporttalente".
Es ist keine Frage des Einkommens, wie begabt ein Kind ist. Ob das Talent aber auch ein Trainer erkennt und in einem Sportverein gezielt fördert, hängt sehr wohl vom Geldbeutel der Eltern ab. Deshalb will Khanaqa-Kükelhahn mit ihrem Projekt in Stadtteilen mit einer hohen Armutsquote sportliche Talente suchen und fördern.
Mit diesem Anliegen hat die Psychologin des Bürgerzentrums Neue Vahr bei Valdez einen Nerv getroffen. "Ich komme aus einem kleinen Dorf in Paraguay, das vor mir noch nie einen Profisportler hervorgebracht hat. Als Kind habe ich barfuß im Sand gespielt", berichtet er. Wo er heute stehe, habe er nur dem Sport zu verdanken. "Kinder müssen die Möglichkeit bekommen, ihr Talent zu zeigen – ob es im Fußball ist oder in irgendeiner anderen Sportart", betont Valdez. Er will die Bremer Sporttalente begleiten, als Privatperson und nicht im Auftrag von Werder Bremen.
Khanaqa-Kükelhahn geht mit ihrem Projekt an vier Grundschulen in Gröpelingen, Tenever, Huchting und in der Vahr. Junge Menschen, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren, werden dort nach den Sommerferien für jeweils 20 bis 25 Drittklässler zusätzliche Bewegungsarbeitsgruppen anbieten. Die Oberschule Ronzelenstraße, mit ihrem sportlichen Profil in Bremen die erste Adresse für angehende Leistungssportler, koordiniert das Angebot. Aus der Oberschule besuchen auch Zehntklässler die Grundschulen, um von ihren Erfahrungen im Leistungssport zu berichten. Ziel ist es, talentierten Drittklässlern den Weg in einen Verein zu ebnen. In der vierten Klasse geht es dann um die Frage, ob ein Wechsel an die Ronzelenstraße attraktiv ist. Letztlich können es die Kinder so auch bis in den jeweiligen Landeskader schaffen, wo sie gezielt an den Leistungssport herangeführt werden.
"Verteilt über 14 Sportarten haben wir pro Jahr 50 Plätze in den Landeskadern zu vergeben", erklärt Harald Wolf, der an der Ronzelenstraße den Leistungssport koordiniert. Nur etwa zehn seien davon in den vergangenen Jahren von Kindern und Jugendlichen belegt worden, die aus benachteiligten Stadtteilen kommen. "Dort melden Eltern ihre Kinder nur sehr zurückhaltend bei Vereinen an. So bleiben viele Potenziale ungenutzt", sagt Wolf. Die Corona-Pandemie habe dieses Problem verstärkt.
Auch deshalb stieß die Idee der Oberschule Ronzelenstraße und des Bürgerzentrums Neue Vahr in der Bildungsbehörde auf offene Ohren. "Mein Herz hängt an den Schülerinnen und Schülern, die es in ihrem Leben nicht so leicht haben. Deshalb war ich sofort von dem Projekt überzeugt", sagt Annette Kemp, Referentin für Schulsport bei der Senatorin für Bildung und Kinder. Mit gut 16.000 Euro finanziert die Behörde eine zweijährige Testphase der Bremer Sporttalente. Nach einer Auswertung geht es dann um die Frage, ob und in welchem Ausmaß die Förderung weitergehen kann. "Es geht uns auch darum, Kooperationen von Schulen und Vereinen zu fördern. In Ganztagsschulen ist dies besonders wichtig", so Kemp. Vorstellbar sei zum Beispiel, dass Übungsleiter in den Schulen Sport-AGs anbieten. An den Wochenenden seien dann wiederum die Angebote der Vereine selbst gefragt.
Projektleiterin Khanaqa-Kükelhahn will in den kommenden zwei Jahren auch mit den Eltern intensiv zusammenarbeiten. Neben Informationen über die Talentförderung ginge es dabei auch um finanzielle Unterstützung. "Stiftungen können zum Beispiel dabei helfen, die zum Teil teure Ausrüstung zu bezahlen."