Wenn ein Angebot etwas schwer zu vermitteln ist, darf die Werbung gerne umso knalliger sein. Atze Schröder sitzt also genüsslich in einer Badewanne voller Schaum in einer Kulisse aus Giftgrün und Lila. In seinen Händen das Smartphone. Schröder soll sein Elektroauto registriert und damit einen "Haufen Kohle" verdient haben. Die Kamera fährt dicht heran, bis der Comedian zwinkert. Alles verstanden?
Der Werbespot ist in der Überseestadt entstanden. Denn Atze Schröder ist die Werbefigur von Juicify. Das Bremer Unternehmen bietet die Auszahlung einer Prämie für Elektroautos an – gibt diese an seine Kunden weiter. Der Handel rund um die Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) macht das möglich. Mineralölfirmen sollen über dieses Instrument zur Energiewende motiviert werden.
Verkauf an das Mutter-Unternehmen
Seit dem vergangenen Jahr können Privatpersonen von der Prämie für reine Elektroautos, E-Motorräder sowie E-Roller mit Zulassung profitieren. Die Bremer reagierten rechtzeitig, um direkt zum Start ein Angebot machen zu können. Die Abwicklung sei für die Kunden einfach, sagt Alexander Tien, Gründer aus den ersten Tagen. In wenigen Minuten sei der Vorgang geschafft. Zu Anfang sei die Prämie neu gewesen – vielen überhaupt nicht bekannt. Deshalb war die Strategie: "Wir müssen relativ laut sein." Die schrillen Farben haben einen Grund.
Heute ist das Geschäft etabliert. Anbieter gibt es inzwischen mehrere, Autohäuser und Versicherer etwa sind eingestiegen. Das Bremer Start-up hat jedoch einen ganz eigenen Hintergrund: Als Tochtergesellschaft der Bremer Unternehmensgruppe Diersch und Schröder (DS) gibt es direkt einen Abnehmer der erworbenen Zertifikate der Elektroautobesitzer. "Bei uns kriegen die Leute sehr schnell ihr Geld – wie kaum wo anders", verspricht Marten Timmermann von Juicify. Das Unternehmen könne im Gegensatz zu Wettbewerbern mit festen Beträgen in Vorleistung gehen.
Geld für eingesparte Emissionen

Alexander Tien (links) hat das Unternehmen mitgegründet und den Staffelstab irgendwann übergeben. Marten Timmermann lenkt die Geschäfte heute. Die beiden sehen die Prämie als Treiber für die Elektromobilität.
Wie genau das läuft? Im Prinzip werden Autobesitzer für die eingesparten Emissionen ihrer Elektrofahrzeuge belohnt. Der Hintergrund: Schaffen Mineralölhändler die vom Gesetzgeber vorgegeben Einsparziele nicht, greifen sie quasi auf die der Elektroautos zurück. Der von ihnen genutzte Strom kann auf die Treibhausgasminderungsquote angerechnet werden. "Sie kaufen eingespartes CO2 und schaffen dadurch einen Ausgleich zu den von ihnen ausgestoßenen Klimagasen", heißt es bei der Verbraucherzentrale zur Erklärung. Sonst drohen für jede Tonne Kohlenstoffdioxid hohe Strafzahlungen.
Juicify verkauft die Zertifikate direkt an den eigenen Konzern. Diersch und Schröder handelt unter anderem nämlich mit Kraftstoffen. Die Idee fürs Start-up, also ins Geschäft mit THG einzusteigen, entstand bei DS. Einsparungen bei den Emissionen seien für Mineralölunternehmen auch über den Einsatz von Biokraftstoffen möglich. "Das reicht aber eben nicht", sagt Timmermann. Die Ansprüche stiegen schließlich weiter.
Kritik vom BUND
Das System wird jedoch auch kritisch gesehen. Der BUND in Hamburg forderte in diesen Tagen gerade die Abschaffung der THG-Prämie. Unternehmen könnten damit Strafzahlungen verhindern, es werde jedoch "kein einziges Gramm CO2" gespart. "Die Mineralölwirtschaft hängt sich ein grünes Mäntelchen um und kann ihr Geschäft mit den fossilen Energien noch lange weiterbetreiben“, äußerte sich der Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg, Lucas Schäfer.
Wie sehen die beiden Gründer von Juicify das? Ist der Quotenhandel eine Bremse auf dem Weg zur Klimaneutralität? Marten Timmermann hält die Prämie vor allem für eine Förderung der Elektromobilität. Der Handel gebe der Sache Schwung. Und die Unternehmen? Die ganze Gruppe, sagt Alexander Tien über DS, stecke in der Transformation. "Wir können aber nicht mit einem Fingerschnippen grün sein. Wir brauchen Zeit, um uns weg von den fossilen Brennstoffen zu bewegen." Der Zertifikatehandel motiviere die Unternehmen, sich den erneuerbaren Energien zuzuwenden. "Das ist ein Weg in die richtige Richtung."
Juicify setzt zudem neben dem eigentlichen Geschäft auf einen eigenen Nachhaltigkeitsansatz: Wer möchte, der kann einen Teil der Prämie auch spenden. Das Start-up verdoppelt den Betrag. "Es passiert ganz viel auf der Schiene. Wir waren im Alten Land Bäume pflanzen", sagt Timmermann. Auch mit den Seenotrettern habe man zusammengearbeitet und mit den Eisbären Bremerhaven im Bereich Inklusion. "Es sind Partner, die zu uns passen. Und das Geld kommt wirklich an."
Prämienhöhen variieren
Im Moment wirbt das Unternehmen mit Beträgen von 150 bis 200 Euro für die Kunden. Je nach Preisentwicklung am Markt variiert das Angebot. Im vergangenen Jahr konnte mehr Prämie gezahlt werden – um die 350 Euro. "Aktuell ist der Markt echt schwierig", sagt Timmermann. Ein Überangebot an Biokraftstoffen und Quoten sei draußen unterwegs. Das drückt auf den Preis. Weil im vergangenen Jahr wieder mehr Kohle zur Stromproduktion genutzt wurde, sanken zudem die für die Elektroautos angesetzten Einsparungen beim Kohlenstoffdioxid. Die Folge: "In diesem Jahr können wir deutlich weniger Geld auszahlen."
Für Elektroautofahrer lohne sich die Prämie dennoch, die es pro Kalenderjahr für ein Fahrzeug gibt, das Geld solle nach der Registrierung innerhalb weniger Tage überwiesen werden. Auf eigene Faust sei die Sache für Fahrzeughalter komplizierter. Das Umweltbundesamt überprüfe alle Anträge zunächst, was gerne zwei bis drei Monate dauere. "Dann geht der Spaß erst los", sagt Gründer Tien. Denn dann müssen die Zertifikate noch an die Kraftstoffunternehmen verkauft werden. Dafür sei ein Händler nötig. Das Geschäft mit den Quoten sei kompliziert – eine eigene Welt.
Die Werbetrommel rühren die Macher von Juicify nicht nur mit Atze Schröder. Unter anderem machen sie auch bei Werder Bremen mit der Fanbox für die Halbzeit auf sich aufmerksam. "Die Leute sehen dann das, was sie vorm Spiel reingequatscht haben, auf der großen Videowand." Der Fußballverein ist Partner des Unternehmens. "Im Weserstadion kommt man in dieser Saison schwer an uns vorbei", sagt Timmermann, der die Geschäfte heute lenkt. Tien hat den Staffelstab übergeben.
Hilfe beim Marketing kommt ebenfalls aus Bremen: von der Werbeagentur Jung & Billig. Die Werbung wirkt. Die Zahl der Kunden wächst. Im vergangenen Jahr gab es mehr als 15.000 Anmeldungen. Inzwischen soll es mehr als 40.000 "juicifizierte" Fahrzeuge geben. Eine Ausweitung auf Ladesäulen, für die ebenfalls Quoten geltend gemacht werden können, ist angedacht.