Tief im Westen, im Waller Ortsteil Osterfeuerberg, steht Frank Vogel hinter dem Holz-Tresen. Zwischen Zapfhahn, Bierdeckeln, Salzstangen in Gläsern und der Spüle füllt er kühlen Gerstensaft in die Gläser. Mit Krone. 40 bis 50 Leute besuchten vor der Corona-Pandemie die Eckkneipe Fränkies Vogelnest täglich. In den vergangenen Tagen waren es sechs, vielleicht mal acht.
An der Holsteiner Straße macht sich deshalb Existenzangst breit. Die verschärften Corona-Regeln in Bremen mit einem erweiterten 2G-plus-Konzept bedrohen die Gastronomie. "2G-plus kommt für mich einem Lockdown gleich", sagt Vogel. Nur fehlt die finanzielle Unterstützung. Frauke Eder, Betreiberin der Kneipe 19/80 Mitten in der Bremer Neustadt, geht es genauso. Eine Wirtin und ein Wirt berichten, wie dramatisch die Lage derzeit ist.

Frank Vogel wird mit der 2G-Plus-Regel nur noch am Wochenende seine Kneipe Fränkies Vogelnest in Walle öffnen.
"Wenn die Regel umgesetzt wird, kann ich nur noch freitags, sonnabends und wenn Werder spielt öffnen", sagt Vogel. Alles andere sei finanziell nicht zu stemmen, die Kosten seien nicht gedeckt. Seit fast 13 Jahren betreibt der 57-jährige Vogel sein "Nest". Im Mai 2009 hat er die Kneipe übernommen, die seit gut 80 Jahren an dieser Ecke besteht. Neben frisch Gezapftem gibt es Hochprozentiges, eine Darts-Scheibe und Livemusik. Sechs Konzerte sollen es mindestens im Jahr sein. Jetzt sind alle abgesagt. So auch die Spiele der Darts-Kneipen-Liga.
Spontanbesuche fallen wegen Corona weg
Vogel hat mit seinen Gästen über die neuen Corona-Regeln gesprochen. Wenn diese greifen, müssen die Besucher von Gastronomie- oder Kultureinrichtungen geimpft oder genesen und getestet oder geboostert sein. "Die meisten wollen sich aber nicht wegen ein, zwei Bier am Abend unter der Woche extra testen lassen", sagt Vogel. Wer abends spontan in die Kneipe wolle, müsse dann erst einmal eine Teststelle finden, die noch geöffnet hat. Spontanbesuche fallen somit so gut wie weg. Seine Leute würden sich vielleicht mal am Wochenende testen lassen.
Für die Wirte selbst sei die 2G-plus-Regel aufwendig, kompliziert und schwierig umzusetzen. "Wenn man ins Detail geht, gibt es zu viele Fragen", sagt Vogel. War die zweite Impfung innerhalb der vergangenen drei Monate? Zählt die Einmalimpfung von Johnson & Johnson zweifach? Wie erkenne ich die Boosterung? Wer darf wann und wie in die Lokalitäten?
Gastwirt Vogel ist in einer Schulung ausgebildet und zertifiziert worden. Er könnte in der Theorie seine Gäste auch testen. Doch wie und wann? Meist steht er am Abend alleine an der Bar. Seit Beginn der Corona-Krise achtet er penibel auf Regeln und kontrolliert seine Besucher.
Dass die Gäste ausbleiben, zeichnet sich deutlich am Umsatz ab. "Ich habe im Dezember 2021 vielleicht noch 40 Prozent des Umsatzes gemacht, den ich vor der Pandemie hatte", sagt Vogel. Das werde nun noch deutlich schlechter werden, vielleicht noch 20 Prozent. Seine Kosten kann er damit nicht decken. Zu einem Werder-Spiel verirren sich derzeit vielleicht noch 10 bis 15 Personen in Fränkies Vogelnest, vorher waren es meist um die 40.
Wie bedrohlich die Situation für Vogel ist, zeigt ein weiterer Aspekt: Er hat Überbrückungshilfen beantragt, um die Fixkosten zu decken. Und: Er selbst hat sich beim Jobcenter gemeldet, damit er eine Grundsicherung erhält. "Wenn meine Kneipe die Pandemie nicht überlebt und ich aufhören muss, dann werde ich nichts mehr in der Gastronomie machen", sagt Vogel. Vielleicht sei ein Job an einer Supermarkt-Kasse entspannter und normaler. Insgesamt sei die Situation zermürbend. Er schlafe nicht mehr gut, weil er sich viele Gedanken mache.
Ähnlich stellt sich die Situation in der Gartenstadt Süd dar. In dem Ortsteil der Neustadt haben 1980 die Schwiegereltern von Frauke Eder eine Gaststätte eröffnet. Frauke und ihr Mann Marcus Eder haben die Kneipe mit dem Namen 19/80 an der Gottfried-Menken-Straße übernommen. Über dem Tresen stehen die Spirituosen, an der Wand Pokale auf den Regalen. Die massiven, hölzernen Barhocker sind in letzter Zeit nur sporadisch besetzt.
Der Schankbetrieb lebt normalerweise von seinen Stammkunden. Bis zu 50 Gäste passen in den Laden, dann sei es voll. Im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit sind es nun viel weniger. Zehn bis 15 Gäste seien es vielleicht am Abend. "Im Sommer haben wir noch etwa 40 bis 50 Prozent des Umsatzes von 2019 gemacht", sagt die 35-jährige Eder. Mit der 2G-plus-Regel rechnet sie mit höchstens noch zehn bis 20 Prozent. Das lohne sich dann nicht mehr. Weil sich der Betrieb nicht mehr rechnet, hat sich Inhaber Marcus Eder bereits einen anderen Job gesucht.
"Wir betreiben bereits einen enormen Aufwand und dennoch werden wir immer wieder sanktioniert", sagt Eder. Zusammen mit ihrem Mann entfernte sie beispielsweise den Billard-Tisch aus dem Raum, um mehr Platz für ausreichende Abstände zwischen den Tischen zu schaffen. Pandemie-Check, Hygienekonzept und Kontrollen kommen zur eigentlichen Arbeit hinzu. Auch wenn immer noch nicht nachgewiesen sei, auf welchen Wegen sich die Menschen infizieren, würde die Gastronomie als der Haupttreiber angesehen werden. Dabei ist die Gastronomin überzeugt: "Bei uns ist es sicher." Jeder, der in die Kneipe wolle, werde am Eingang kontrolliert. "Mit einem verordneten Lockdown könnten wir zumindest mit staatlichen Hilfen rechnen", sagt Eder.