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Jugend debattiert Landessiegerin: Worauf es bei einem guten Streitgespräch ankommt

Nina Wiegand ist Bremens beste Debattiererin ihrer Altersklasse. Die 16-Jährige gewann den Landeswettbewerb „Jugend debattiert“. Sie erklärt, worauf es ankommt und was sie von der deutschen Debattenkultur hält.
02.09.2024, 05:00 Uhr
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Landessiegerin: Worauf es bei einem guten Streitgespräch ankommt
Von Lennart Bonk
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Ein Musik-Festival hat Nina Wiegand noch nicht besucht. Aber darüber diskutieren kann die 16-jährige Bremerin wie keine andere in ihrer Altersklasse. Mit ihren Argumenten zur Frage „Sollen Line-Ups für Musik-Festivals geschlechterparitätisch zusammengestellt werden?“ hat sie als Vertreterin der Oberschule am Waller Ring das Landesfinale des Wettbewerbs „Jugend debattiert“ 2024 Anfang April gewonnen. Sie sprach sich für eine zahlenmäßig gleiche Besetzung von männlichen und weiblichen Künstlern aus und überzeugte die Jury mit ihrer Debattier-Kunst. Dem Waller Schulbeirat hat sie vor Kurzem davon berichtet, wie sie das Bundesland Bremen im Juni beim Bundesfinale in Berlin vertrat.

Man kann auch sachlich mit emotionalen Argumenten diskutieren.
Nina Wiegand

An diesem Montagnachmittag sitzt sie in ihrem ehemaligen Klassenraum. Seit dem Ferienende besucht sie die 11. Klasse der Oberschule Findorff. Die Haare zum Zopf gebunden, in Jugend-debattiert-T-Shirt gekleidet und mit strahlendem Gesicht spricht sie über das wahre Streitgespräch: „Es kommt bei einer guten Diskussion auf Empathie, Ausdrucksvermögen, Sachkenntnis und natürlich die Gesprächsfähigkeit an.“

Wer sich online in Social-Media-Kommentarspalten rumtreibe, Reden von einigen Politikern oder im TV eine x-beliebige Polittalkshow anschaut, wisse, wie es um die Debattenkultur in der deutschen Medienwelt bestellt sei. „Gerade wenn man diesen Jugend-debattiert-Background hat, ist es traurig mit anzusehen, wie emotionalisiert zum Teil diskutiert wird. Ich bin ein Fan von einer sachlichen Herangehensweise. Man kann auch sachlich mit emotionalen Argumenten diskutieren“, meint Wiegand. Dafür freue sie sich umso mehr, wenn sich im privaten Umfeld interessante und konstruktive Debatten entwickeln – wie etwa zuletzt als ihre Klasse im Geschichtsunterricht über die Sowjetunion debattiert hat.

Seit der 8. Klasse dabei

Seit Klasse 8 Diskussionen sieht sie oft durch die „Jugend-debattiert-Brille“. Seit der 8. Klasse nimmt Wiegand an dem größten deutschen Schülerwettbewerb zur sprachlich-politischen Bildung teil, bei dem jährlich rund 200.000 Jugendliche aus 1300 Schulen miteinander wetteifern. Schon zuhause am Esstisch wurde immer viel diskutiert, berichtet die wortgewandte Jugendliche. Ihre Deutschlehrerin Fee Russell habe sie schlussendlich für das wettbewerbsmäßige Streiten begeistert und ihr das Rüstzeug dafür vermittelt. „Durch ‚Jugend debattiert‘ erfahren die Schüler, wie man mit unterschiedlichen Standpunkten streitet, ohne dabei beleidigend zu werden. Sie kommen mit verschiedenen, komplexen Themen in Berührung und merken, dass es mehrere Seiten gibt“, betont Russell.

Recherche am Küchentisch

Die Frage, warum sich Wiegand für das wettbewerbsmäßige Diskutieren entschieden hat, stellte sie sich schon oft. Bei den ersten zwei Teilnahmen war nach der Regionalrunde Schluss, bei der ersten Finalteilnahme in diesem Jahr war sie die beste Debattiererin aus 22 Schulen in Bremen und Bremerhaven. Um sich auf „Jugend debattiert“-Wettbewerbe vorzubereiten, bedarf es stundenlanger Recherche am Küchentisch. Hinzu kommen mehrtägige Seminare, die mit ihrem Hobby, der Zirkus-Akrobatik, konkurrieren. Ausdebattiert hat sie die Frage, wozu das alles gut ist, ironischerweise nie. „Für mich war immer klar: ich habe damit angefangen und jetzt mache ich das so gut wie möglich für mich, meine Schule und nun auch mein Bundesland zu Ende. Es macht mir einfach unfassbar Spaß, mich in neue Themen einzuarbeiten und später darüber mit anderen zu diskutieren“, sagt sie.

Was stellt die 16-jährige Bremerin nach dem Abitur mit der Kunst des Debattierens an? Den naheliegenden Gang in die Politik will Wiegand schon mal nicht antreten. „Das wäre mir auf Dauer viel zu anstrengend, mit Leuten zu diskutieren, die Fakten, wie die Bedrohung für den Menschen durch den Klimawandel, nicht anerkennen“, erklärt sie. Und sowieso: Der natürliche Berufswunsch eines Teilnehmers von „Jugend debattiert“ sei die Juristerei. Die Gewinnerin des Bremer Landesfinales bleibt bodenständig. Sie interessiere sich für die Notfallmedizin, Rettungssanitäterin wolle sie werden. In dem Berufsfeld gebe es schließlich auch drängende Fragen, die es zu debattieren gelte – und bei Musik-Festivals werden sie auch stets gebraucht.

Weitere Auszeichnung für die Schule

Der Einsatz für die Demokratie hat an der Oberschule am Waller Ring Tradition. Diverse Plaketten, die den Schulflur schmücken, belegen das. Die jüngste Auszeichnung hat die Schule nun für ihr Projekt „DWDMIU“ von dem Bundeswettbewerb „Demokratisch handeln“ erhalten. Davon berichteten kürzlich Lehrkräfte und Schüler im Bildungsausschuss des Waller Beirats. Dahinter verbirgt sich eine Kampagne gegen Hass im Internet.

Als Belohnung für ihr Engagement haben die Schülerinnen und Schüler von dem Bundeswettbewerb einen Trip nach Berlin zum Demokratiefestival „Junify“ spendiert bekommen. Neben Workshops zum Thema demokratisches handeln gab es dort auch die Möglichkeit mit anderen Projekten in den Austausch zu treten. „Man sieht immer nur den Hass im Netz, es war schön zu sehen, dass es so viele Projekte gibt, die etwas dagegen tun. Das motiviert einen, weiterzumachen“, berichtet die 13-jährige Leelou Schönijahn aus der 8. Klasse der Oberschule.

Info

Das Akronym DWDMIU spielt auf den ersten Artikel des Grundgesetzes an und steht für „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Das außerschulische Projekt wird seit 2020 durch Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 5 bis 10 betrieben. Über den gut 420 Follower starken Instagram-Account (@dwdmiu) vertreiben sie gegen eine Spende Buttons, zum Thema passende Sticker, T-Shirts, Taschen und Hoodies. Außerdem machen die Oberschüler mit der außerschulischen AG auf Social Media oder etwa mit einem Stand bei der Nacht der Jugend auf das Thema aufmerksam.
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