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Wechsel an der Spitze Neue Kapitäne im Hafenmuseum

Klaus Hübotter wird bald 93 Jahre alt und war bisher der Kapitän im Hafenmuseum. Doch jetzt hat er die Brücke verlassen. Übernommen wird sie von seinen Schwiegersöhnen.
13.03.2022, 11:49 Uhr
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Von Anke Velten

Die Kulturforum Speicher XI GmbH hat eine neue Geschäftsführung. Der Name der Firma mag vielen Bremerinnen und Bremern zunächst nicht viel sagen – ihr Sinn und Zweck aber schon: Die Gesellschaft ist verantwortlich für die östliche Hälfte des historischen Speichergebäudes, in dem sich seit 17 Jahren das Hafenmuseum befindet. Für Hausherr Klaus Hübotter, der in wenigen Wochen seinen 92. Geburtstag feiert, bleibt auch nach der Übergabe alles in der Familie: Er übergibt die Geschäfte – und damit ein Herzensprojekt – in die Hände seiner Schwiegersöhne und langjährigen Mitarbeiter Karsten Meyer und Reiner Schümer. Die beiden Architekten kennen nicht nur jede Bohle und jede Schraube des außergewöhnlichen Objekts. Sie haben auch das Wachsen und Werden des Hafenmuseums von Anfang an begleitet.

Die Geschichte beginnt um die Jahrtausendwende, als die Überseestadt noch nicht viel mehr war als ein Wort und ein überwiegend weißer Fleck auf dem Bremer Stadtplan. Die Stadt überließ dem Bauunternehmer das historische Speichergebäude fast geschenkt, doch mit der Auflage, es nach den Vorgaben des Denkmalschutzes herzurichten und mit kulturellem Leben zu füllen.

Zahlreiche Auflagen

Schon Auflage Nummer eins erwies sich selbst für Spezialisten der Altbausanierung als besondere Herausforderung, erinnert sich Karsten Meyer, der damals die Bauleitung innehatte. Fast drei Jahre dauerten die Arbeiten in dem mehr als 400 Meter langen Mammutprojekt, mit sehr viel handwerklich anspruchsvoller Kleinarbeit, etwa bei Hunderten von kleinen Sprossenfenstern auf der Südseite, erzählt Meyer.

Für die westliche Hälfte ergab sich rasch eine passende Nutzung, weil der damalige Rektor der Hochschule für Künste – der kürzlich verstorbene Professor Jürgen Waller – seine Augen auf das Objekt geworfen hatte. „Uns war aber von Anfang an klar: Auch am Kopf des Speichers muss etwas Besonderes entstehen“, sagt Meyer. Nachdem sowohl das Focke-Museum als auch das Überseemuseum beim Vorschlag abgewinkt hatten, dort eine Dependance einzurichten, machte sich Klaus Hübotter selbst an die Umsetzung.

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„Wir waren wie ein kleines Rettungsboot zwischen den großen Dampfern“, sagt Reiner Schümer. Mit der konzeptionellen Entwicklung wurden Astrid Müller, Anne Schweisfurth und Claudia Seidel beauftragt: Drei junge Frauen mit eher künstlerisch-kreativem Hintergrund, die so etwas selbst noch nie gemacht hatten. Doch es sollte ja auch kein Museum wie alle anderen werden.

Warten auf Objekte

Seidel erinnert sich noch an den Sommertag im Jahr 2003, als alle drei auf der Baustelle saßen. „Wir hatten einen Aufruf im WESER-KURIER veröffentlicht, mit der Bitte um Arbeitsgeräte und andere Objekte für den Aufbau einer Sammlung“, erzählt Seidel. „Wir hofften, dass sich vielleicht 20 Leute daraufhin melden würden. Doch es kamen mehr als 100.“ Sie brachten Steuerhaken, Probenzieher, Küpernadeln, Ankerketten und allerlei anderes Erklärungsbedürftiges. „Vieles davon kannten wir selbst damals noch nicht“, berichtet Anne Schweisfurth. „Doch dieser Tag wurde der Grundstein für unsere Sammlung.“

Offensichtlich wurde aber auch, wie sehr vielen Menschen der historische Ort am Herzen lag und wie viel Lust sie hatten, über ihre Zeiten im Hafen zu erzählen. „Es war, als ob ganz Bremen auf dieses Museum gewartet hätte“, bestätigt Schümer. „Das hat uns unheimlich viel Rückenwind gegeben“, sagt Seidel. „Bei der Eröffnung im Februar 2004 hatten viele Tränen in den Augen.“ Mit den Erinnerungsstücken, persönlichen Geschichten und der aktiven Mitarbeit vieler Zeitzeugen wurde ein Fundus an Wissen über die Geschichte der Handelshäfen im Bremer Westen angesammelt, der mittlerweile längst unter den „Dampfern“ der Bremer Museumslandschaft anerkannt ist. Solide fachliche Unterstützung kam aus dem Kulturhaus Walle, dessen Geschichtskontor seit 40 Jahren die Geschichte des Bremer Westens archiviert und aufarbeitet.

Spaß für Kinder

Das Museum sollte aber vor allem auch Kindern Spaß am Entdecken machen. „Die Idee der spielerisch-pädagogischen Vermittlung haben wir von Anfang an mitgedacht“, erklärt Schweisfurth. Früh streckte man die Fühler aus in den kinderreichen Bremer Westen, suchte Kooperationen mit Kindergärten und Schulen. Bis zum Jahr 2019, bevor die Pandemie die Zahlen dezimierte, kamen fast 15.000 Besucherinnen und Besucher ins Hafenmuseum – darunter 200 Schulklassen vorwiegend aus dem Bremer Westen.

„Kindern, vor allem aus weniger privilegierten Stadtteilen, mit einem lebendigen Museum einen außerschulischen Bildungsort zu bieten, das war immer unsere Triebfeder“, sagt Meyer. Mit Familienführungen, -nachmittagen und –festen, dem Museums-Club und dem inklusiven Mädchentreff wurde die Bindung in die unmittelbare Nachbarschaft gesucht, die immer mehr bewohnbar wurde. Da passt es, dass in Kürze das Kindermuseum Kek von der Weserburg in die Überseestadt ziehen, und den großen Raum des Hafenmuseums für seine Mitmachausstellungen nutzen wird.

Ort des Bewahrens

„Aber auch die Hafenwirtschaft identifizierte sich immer mehr mit uns“, ergänzt Schümer: Für die umliegenden Hafenfirmen ist das Museum in der Nachbarschaft nicht nur ein Ort des Bewahrens der Vergangenheit, sondern auch eine Chance, Interesse zu wecken beim Nachwuchs der Zukunft.
Meilensteine der Museumschronik waren auch die im Haus konzipierten Ausstellungen, die überregional auf größeres Interesse stießen. „Vor uns die Sintflut“ etwa, über die Auswirkungen des Klimawandels, zieht seit 2008 auch durch andere Städte. Die Ausstellung „Use-less“ zum Nachdenken über den Kleiderkonsum gastiert zurzeit in Hannover, der „Raum für Vermutungen“ über Fundstücke aus der Weser befindet sich gerade im Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven.

Keine regelmäßige Förderung

Ohne Partner und Förderer könnte ein Museum nicht existieren, das nie regelmäßige Förderung aus öffentlicher Hand erhielt. Ein überlebenswichtiger – und sehr zeitaufwendiger – Teil der Museumsarbeit sei daher das „Fundraising“ bei Stiftungen und Unternehmen, erklärt Kim Langer, die seit einiger Zeit das Kuratorinnentrio vervollständigt. Fast 18 Jahre lang hatte Klaus Hübotter sein Museum geführt, und bis zuletzt auf die wöchentlichen Teambesprechungen bestanden. „Er hat dieses Museum mit viel Herzblut begleitet“, sagt Claudia Seidel. Über die Tatsache, dass eine Einrichtung mit einem solch spezifisch bremischen Thema in privater Eigenregie betrieben wird, sagt Karsten Meyer: „Darüber wundern sich die Besucherinnen und Besucher bis heute.“

Info

Das Hafenmuseum Speicher XI ist täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 5 Euro, ermäßigt 3,50. Für Gäste unter 18 Jahren ist der Eintritt frei. Bis zum 3. Juli läuft die Sonderausstellung „wohnen³ bezahlbar. besser. bauen: Architektonische Lösungen und künstlerische Interventionen“. Nähere Informationen über das Museum und sein Programm: www.hafenmuseum-speicherelf.de.  

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