So manchen gilt die Vegesacker Straße als Walles heimliche Hauptstraße – obwohl auch dort in den vergangenen Jahren Geschäfte schließen mussten und sie im Laufe der Jahre immer mehr zur Durchgangsstraße geworden ist, wie der stellvertretende Bauausschusssprecher im Beirat, Jörg Tapking (Linke), bedauert.
Darum, wie dem sogenannten Trading-Down-Effekt – einer qualitativen Abwärtsspirale – an der einstigen Flaniermeile entgegengewirkt und die Straße wieder lebendiger und attraktiver werden kann, ging es am Montag bei einem Stadtteilspaziergang mit Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) und Referent Markus Haacke, der in Vogts Haus den Bereich Handel und Zentren betreut.
Die Diskussionsgrundlage bildete dabei ein Konzeptpapier mit dem Titel „Sichere und lebendige Vegesacker Straße“, das seit Kurzem in den Ressorts Wirtschaft, Bau und Soziales kursiert. Es ist im Stadtteil erarbeitet worden und wird aktuell von dort aus verbreitet. Zu den Verfassern zählen neben Jörg Tapking und seinem grünen Beiratskollegen Karsten Seidel auch Christoph Schwarzer von der Bürgerinitiative (BI) Waller Mitte, Anwohnerin Anne Spellmann und Axel Stiehler, Inhaber des Buchladens Logbuch. Gemeinsam haben sie Ideen dazu zusammengetragen, wie die Vegesacker Straße wieder zu einer lebendigen Achse im Quartier werden könnte.
Etwa, indem dort weniger Raum von Autos zugeparkt wird und stattdessen Geschäfte und Gastronomiebetriebe mehr Möglichkeiten hätten, draußen Tische und Stühle aufzustellen. Auch könnte nach Ansicht der Verfasser die Ansiedelung von kleineren Geschäften, Galerien und Ateliers gezielt gefördert werden – idealerweise durch einen professionellen Stadtteilmanager, wie ihn das benachbarte Gröpelingen schon seit Jahren hat und wie ihn seit März dank einer Förderung durch die Wirtschaftssenatorin auch die Findorffer Geschäftsleute beschäftigen.
Ein Waller Stadtteilmanager beziehungsweise eine Waller Stadtteilmanagerin, so die Vision, könnte zukünftig von einer zentral gelegenen „Quartiersmeisterei“ aus im engen Dialog mit Anwohnern und Geschäftsleuten verschiedene Maßnahmen entwickeln, um Walle insgesamt und die Gebiete Steffensweg und Vegesacker Straße im besonderen nach vorne zu bringen. Dabei bekäme der- oder diejenige garantiert breite Unterstützung aus dem Stadtteil, denn dort sind mehrere Bürgerinitiativen aktiv, die Walle lebenswerter machen möchten.
Und die Chancen dafür, dass die Vision einer Quartiersmeisterei tatsächlich Wirklichkeit wird, stehen offenbar gar nicht mal schlecht. Denn im Februar hatte der Waller Beirat Mittel in Höhe von insgesamt 286.000 Euro beantragt, um auf der Grundlage der beiden Walle-Central-Workshops im Herbst 2019 ein Quartiersmanagement für Walle auf den Weg zu bringen. Sollte das Wirtschaftsressort, dem der Antrag kürzlich von der Senatskanzlei zugeleitet wurde, diesen nun befürworten, könnte er in die Haushaltsverhandlungen einbezogen werden.
Antrag des Beirates wird "wohlwollend geprüft"
„Wir haben den Beiratsantrag bei uns in der Prüfung und prüfen das sehr wohlwollend“, konnte dazu nun die Wirtschaftssenatorin der kleinen Waller Delegation mitteilen. Vogt lebt selbst im Stadtteil und hat ab Ende der 1990er-Jahre den Trading-Down-Prozess live miterlebt. In der Neustadt sei zu sehen, was gutes Stadtteilmanagement bewirken könne, sagt sie: „Man kann hier was rausholen. Aber das geht nicht ehrenamtlich.“ Mit seinem Antrag renne der Beirat in ihrem Haus gewissermaßen offene Türen ein, so die Senatorin außerdem. Denn gefragt sei immer mehr die „produktive Stadt“, in der Wohnen, Gewerbe, Industrie und Freizeit wieder enger miteinander verwoben werden: „Wir wollen ja wieder mehr Mischung haben, das ist genau unser Ziel, weil weder Schlafstädte noch reine Gewerbegebiete interessant sind.“
Auch mit Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) möchten die Waller sich alsbald auf der Vegesacker Straße treffen. „Die Straße funktioniert eigentlich“, meint BI-Vertreter Christoph Schwarzer. „Aber durch die vielen parkenden Autos sieht man die Geschäfte oft nicht.“ Um Parkplätze zu reduzieren und stattdessen mehr Sitzmöglichkeiten zu schaffen, bräuchte man alternative Orte für Autos, zum Beispiel ein Quartiersparkhaus wie an der Lübecker Straße im Steintorviertel. Bei der Suche nach möglichen Kooperationspartnern erhoffen sich die Waller nun Unterstützung durch die Wirtschaftssenatorin.
Auch Grafik-Designer Axel Stiehler ist vom Potenzial der Vegesacker Straße überzeugt. „Wir sind – gegen den Trend – vor fünf Jahren aus der Überseestadt an die Vegesacker Straße und damit unseren Kunden entgegen gezogen“, sagt er. Und die Rechnung sei aufgegangen: „Wir haben im Corona-Jahr keine Einbußen gehabt.“ Mit der Schließung der Kneipe Lox und des Cafés Für Elise etwa sei bei vielen Wallern das Bewusstsein für die lokalen Angebote vor Ort gestiegen, ist Stiehler überzeugt: „Viele kommen rein und fragen: Ihr bleibt doch da?!“