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Pusdorf räumt auf Kippen-Sammelaktion in Woltmershausen: Was von Zigaretten übrig bleibt

In Woltmershausen wird aktiv gegen Zigarettenmüll vorgegangen: Die Initiativen Pusdorf räumt auf und der Soziale Arbeitskreis Pusdorf sammeln Kippen und klären über Umweltschäden auf.
14.11.2024, 05:00 Uhr
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Von Matthias Holthaus

„Das ist wirklich ärgerlich mit den Kippen“, sagt Günter Albensoeder, während er auf dem Pusdorfer Marktplatz seine Einkäufe tätigt. Und er wundert sich: „Es sollen ja weniger Leute rauchen – müsste es dann eigentlich nicht auch weniger Zigarettenkippen geben?“ Die theoretische Rechnung geht jedoch nicht auf, seiner Beobachtung nach liegen konstant gleich viele Zigarettenstummel herum.

Und auch die Gruppe Pusdorf räumt auf sieht keine Entspannung an der Kippenfront. Heute ist Markttag und zusammen mit der Gruppe Sozialer Arbeitskreis Pusdorf machen sich die unermüdlichen Aufräumerinnen und Aufräumer auf, um nicht nur die Überbleibsel rauchender Mitmenschen aufzusammeln, sondern auch, um 200 Taschenaschenbecher zu verteilen. Ausgerüstet mit diversen Eimern ziehen sie los, um rund um den Pusdorfer Marktplatz Müll und Filter aus der urbanen Landschaft zu klauben. „Es ist ein mühsames Geschäft und alles in der Hoffnung, dass es hilft“, erzählt Andrea Herdey, die es auf den Bereich eines angrenzenden Supermarktes verschlagen hat. Eigentlich ist das Privatgelände und Andrea Herdey gar nicht zuständig, doch die Kippen machen keinen Unterschied zwischen privatem und öffentlichem Grund. „Wir haben aber noch nie eine unfreundliche Antwort erhalten“, sagt sie, „und viele meinen, sie hätten gar nicht gewusst, dass Zigarettenkippen so giftig sind.“

Schadstoffe gelangen ins Grundwasser

Denn das Problem ist auf dem ersten Blick zwar klein, doch in der Menge schafft es große Probleme: Laut BUND werden pro Jahr circa 106 Milliarden Zigaretten geraucht, von denen am Ende zwei Drittel, also mehr als 70 Milliarden, auf dem Boden landen. Die Filter enthalten dann die Stoffe, die die Filter den Lungen der Raucher vorenthalten haben: Arsen, Blei, Chrom, Cadmium, Benzol, Kupfer und Nikotin zählt der BUND auf, wobei er noch lange nicht am Ende dieser Aufzählung angelangt ist. Die Filter werden ausgespült, die Schadstoffe gelangen in das Grundwasser. Nicht nur für Menschen sind diese Stoffe ungesund, auch Fische und Kleinlebewesen in den Gewässern sind von den Verunreinigungen betroffen, die nicht nur genetische Veränderungen hervorrufen, sondern sogar tödlich enden können.

Viele meinen, sie hätten gar nicht gewusst, dass Zigarettenkippen so giftig sind.
Andrea Herdey, Pusdorf räumt auf

Der Filter selbst besteht aus dem Kunststoff Celluloseacetat, der trotz scheinbarer Unsichtbarkeit dauerhaft in der Umwelt verbleibt: Zwischen 15 bis 400 Jahre dauert die Zersetzung einer Zigarettenkippe, die dann nicht etwa weg ist, sondern als Mikroplastik fortbesteht. Und das ist ebenfalls ein Problem: Es kann nicht vollständig aus dem Wasser gefiltert werden, die Nanopartikel werden getrunken und wandern ins Blut und damit in die einzelnen Organe.

Marion Reuschel raucht vor dem Supermarkt und zeigt sich über den kleinen Aschenbecher dankbar – sie nimmt gleich zwei: „Für meine Kollegin gleich mit“, sagt sie, „die Aktion finde ich gut. Wenn ich unterwegs bin und einen Ascheneimer sehe, dann schmeiße ich meine Kippen dort hinein. Ich werde den Taschenaschenbecher aber gerne benutzen.“

Ein "Kampf gegen Windmühlen"

Viele Menschen würden sich bedanken und sich freuen, dass sie das machen, meint Andrea Herdey. Es habe sich auch bereits so einiges getan, sagt sie, doch angesichts der sich stetig füllenden Eimer scheint sich dieser Fortschritt dennoch in eher kleinen Grenzen zu halten. „Früher habe ich mit Tüten gesammelt“, erzählt Gertrud Wink und lacht, „und als ich dann mal eine Kippe reingetan habe, fing meine Tüte wenig später an zu brennen. Seitdem nehmen wir nur noch Eimer.“ Einen wirklichen Fortschritt sieht sie auch nicht wirklich: „Vor einer Kneipe Auf dem Bohnenkamp haben wir mal bestimmt 20 Minuten nur Kippen aufgesammelt“, erinnert sie sich. „Wir kämpfen wie Don Quixote gegen die Windmühlen.“

Karin Amelung ist ebenfalls bei Pusdorf räumt auf dabei und die ehemalige Raucherin erinnert sich: „Früher habe ich die Kippen auch an der Haltestelle weggeschnippt. Damals gab es auch noch keine Kippenaschenbecher dort.“

Einige reagieren auch aggressiv. Das heißt aber auch, dass sie wissen, dass da was falsch läuft.
Kurt Eblinger, Sozialer Arbeitskreis

Überhaupt – Haltestellen: Kurt Eblinger vom Sozialen Arbeitskreis meint, „es gibt Kippen-Hotspots und das sind hauptsächlich Haltestellen.“ Wenn er dann die Menschen auf ihr Verhalten aufmerksam mache, „dann gibt es vernünftige Leute, doch einige reagieren auch aggressiv. Das heißt aber auch, dass sie wissen, dass da was falsch läuft.“ Das Bußgeld sei derzeit noch viel zu niedrig, meint er noch – dieses beträgt derzeit 50 Euro pro weggeworfenen Stummel. „Jeder ärgert sich darüber, doch viele sind sich auch gar nicht bewusst darüber, dass sie auch selber dafür verantwortlich sind.“

Umdenken beginnt in den Köpfen

Beiratssprecherin Edith Wangenheim ist an diesem Tag als Kundin auf dem Markt – sie nimmt einen Taschenaschenbecher für die Verwandtschaft mit und findet die Aktion „toll“. Hat sie denn früher ebenfalls die Kippe in die Umwelt geschnippt? Sie verneint: „Geraucht habe ich nie. Das hat mir nicht geschmeckt.“

Nach knapp zwei Stunden zeigt sich die Gruppe zufrieden: „Ich hätte nicht gedacht, dass wir 200 Taschenaschenbecher verteilen“, sagt Andrea Herdey. „Alle Menschen waren aufgeschlossen, dafür hat es sich gelohnt. Man darf nicht lockerlassen." Kurt Eblinger zeigt sich ebenfalls zufrieden: „Man hofft auf die Multiplikatorwirkung. Ganz viele Menschen denken nicht über die Konsequenzen nach. Über Strafen kommen wir nicht zu einem Umdenken. In den Köpfen muss etwas passieren.“

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