Diese Geschichte hat zwei Seiten, so könnte man es etwas flach formulieren, doch ein ganzes Stück Wahrheit schwingt da mit. Ist der Kleingärtnerverein Wardamm-Woltmershausen doch durch die Senator-Apelt-Straße und durch die Autobahn in zwei Hälften geteilt. Hier sind zwei Hälften aber immer noch ein Ganzes und der ganze Verein feiert deshalb am Sonnabend, 13. September, seinen 125. Geburtstag.
„Ich bin seit 1991 Parzellistin“, erzählt Doris Lethen, während ihr Hund Lennox neugierig den Gast von der Zeitung beschnuppert. „Erst war ich mit meinem Mann auf der anderen Seite, doch seit drei Jahren bin ich hier in meinem eigenen Garten. Wir haben unterschiedliche Vorstellungen bei der Gartengestaltung“, sagt sie lächelnd, „doch wir besuchen uns.“ Nun werkelt sie auf der Seite herum, die neben dem Tabakquartier liegt („diese Seite hieß immer Altgebiet“) und das macht sie offensichtlich mit Liebe und Hingabe: Neben dem gepflegten Grün und den Blumen ist es vor allem auch Gemüse, das auf der Scholle gedeiht.
Gepflegtes Grün und Gemüseanbau
Doris Lethen, Zweite Vorsitzende des Kleingärtnervereins, zählt auf: „Ich baue Salate, Tomaten, Zwiebeln, Kartoffeln, Zucchini und Paprika an. Und dieses Jahr sind die Kürbisse ein voller Erfolg.“ Offensichtlich: Eigentlich wollte sie den Kürbis für eine Freundin aufziehen, doch nun sei er so groß geworden, dass ein Abtransport als Ganzes nicht mehr so ohne Weiteres möglich erscheint. Die Aufzählung muss übrigens noch durch Erdbeeren und Mangold komplettiert werden, wobei Mangold eigentlich gar nicht so ihr Ding sei. Und die Kaninchen dürften auch nicht so viel davon futtern, von der darin enthaltenen Oxalsäure bekämen sie Probleme. Die Kaninchen übrigens werden regelmäßig von Doris Lethen in den Garten mitgenommen, „die freuen sich, wenn sie rauskommen“, eine weitläufig umgitterte Fläche inklusive Netz gegen Vogelattacken wartet bereits auf die Kaninchen.

In ihrem Garten ist Doris Lethen eigentlich jeden Tag.
360 Parzellen zählen zum Kleingärtnerverein Wardamm-Woltmershausen, aktuell sind es 330 Pächter. Zu Beginn waren es übrigens 40 Vereinsmitglieder, damals, als sich der Verein Wardamm am 17. Juni 1900 gründete. Den Nachbarverein Woltmershausen gibt es sogar schon seit 1892. Doch seit dem 4. November 1993 gibt es nur noch einen Verein. Vielleicht ist das auch gut so, wenn Größe mit Stärke gleichgesetzt werden kann – laut einer Festschrift zum 100. Geburtstag wollten immer mal wieder irgendwelche Akteure ein Stück vom Gartenkuchen haben.
Anrainer wollten immer wieder Teile des Vereinsgrundstücks
Die benachbarte Tabakfabrik etwa kündigte in den Jahren 1963 und 1964 diverse Pachtverträge, weil sie den Platz benötigte. Etwa „500 Parzellen, damit die Firma Brinkmann ihre neuen Werkstätten und Hallen dort errichten konnte“, schrieb der damalige Rechnungsführer Wilhelm Würfel in der Festschrift aus dem Jahre 2000. 1990 wollte die Stadt Bremen einen Teil abhaben, „das Altgelände sollte vom 'Im Langen Brink' bis zum 'Alten Schutzdeich' bebaut werden.“ Das geschah dann nicht, der damalige Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD) versprach, dass nicht bebaut werde, solange er im Amt sei. Doch der Bau der A 281 sorgte dann doch wieder für eine Dezimierung der Fläche.

Die Kürbisse wachsen dieses Jahr gut – sie sind viel größer geworden als erwartet.
Momentan gebe es aber noch freie Stücke, meint Doris Lethen, doch darauf stünde derzeit kein Haus. „Manchmal ist auch ein Haus drauf, das dann aber in die Jahre gekommen ist und abgerissen werden muss.“ Dafür gibt es dann aber auch Grün und frische Luft für unter 200 Euro pro Jahr. Für diese geringe Pacht und den Mitgliedsbeitrag ist es dann Pflicht, Gemüse anzubauen und die Hecken zu kürzen. „Ich finde, das gehört dazu“, sagt sie, außerdem gebe es viele Grünflächen, die gemeinschaftlich gepflegt werden müssten.
Ziel: Spielplatz wieder aufbauen
„Man muss die Menschen da ein wenig motivieren“, sagt Lethen diplomatisch, „es kaufen sich viele Leute frei.“ Damals habe man nach fünf Leuten gefragt und es seien zehn gekommen – „heute sind es zwei. Die alten Kleingärtner fühlen sich für den Verein mehr verantwortlich. Ich hoffe, das kommt wieder.“ Damals sei es super gewesen, alle hätten Kinder gehabt, es sei eine Gemeinschaft gewesen. „Nun sind die Kinder weg, wir werden alle älter und die Leute sind zunehmend lieber für sich. Es möchte sich kaum noch jemand ehrenamtlich betätigen. Es gibt kaum noch Feiern, etwa Erntedank, weil wir keinen Festausschuss zusammenbekommen. Ich hoffe aber, dass wir wieder was auf die Beine stellen.“ Denn nun kämen Familien mit Kindern wieder, sagt sie, und mit dieser Entwicklung verbunden ist auch ihr großes Ziel: „Den Spielplatz wieder aufzubauen. Mittlerweile sind gar keine Geräte mehr da.“ Sie sei erst im März dieses Jahres gewählt worden, vier Jahre sei man dann im Vorstand, „und in dieser Zeit versuche ich, den Spielplatz wieder aufzubauen.“
Am liebsten hantiert die 55-jährige Woltmershauserin übrigens im Garten mit der „Schnibbelschere“, außerdem komme immer mal wieder Kaffeebesuch vorbei. „Zu Hause rennt der einem ja nicht so die Tür ein. Man hat viel Gesellschaft hier.“ Eigentlich sei sie immer hier, sie arbeite bis zum Mittag, danach sei sie im Garten – selbst im Winter, „dann gehen wir Gassi und da mache ich mir hier einen Kaffee.“