Horn-Lehe. Was haben Tulpenmanie, digitale Medien, Keramik, Kunstgeschichte und Wikipedia miteinander zu tun? Sie sind alle zu Hause im Kopf von Christian Pentzold, seines Zeichens Neubremer und seit Ende 2016 Juniorprofessor für Kommunikations- und Medienwissenschaft und Leiter des Zentrums für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung, kurz der ZeMKI-Labs, der Universität Bremen.
Christian Pentzold ist 35 Jahre alt, ist verheiratet und hat zwei Söhne im Alter von sieben und drei, die zurzeit noch bei seiner Ehefrau leben. Momentan muss er unter der Woche ohne sie auskommen, ehe sie zusammen mit der Mutter nach Bremen nachziehen. Bis dahin pendelt er am Wochenende in die Heimat. Geboren wurde er im Erzgebirge, wo er auch die Schule durchlief, um schließlich in Chemnitz und Leipzig Medien- und Kommunikationswissenschaft zu studieren. „Eigentlich wollte ich Kunsthistoriker werden“, wendet er ein. Doch davon sei ihm von Berufsberatern abgeraten worden – nun betreibt er es als eines seiner Hobbys.
Sein Weg in die Forschung sei von viel Zuspruch sowie eigenem Herzblut geebnet worden – die ausgeschriebene Professur in Bremen kam da zum genau richtigen Zeitpunkt. „Es ist wirklich schön. Die Freiheiten und Möglichkeiten sind wahrlich toll“, lobt der erst seit wenigen Monaten in Bremen Lehrende wie Forschende. Die Universität habe in den letzten zehn Jahren viel erreicht, nicht nur ihren Status als Universität innerhalb der Exzellensinitiative. Indes wird auch von ihm ein gewisser Erfolg erwartet.
Auch Geld spielt eine Rolle
Doch was heißt überhaupt bei einem Sozial-und Kulturwissenschaftler heutzutage Erfolg haben? Christian Pentzold zählt folgendes auf: „Verknüpfung von wissenschaftlicher Relevanz und Exzellenz am Puls der Zeit, dabei oft Aufbau von Netzwerken und Kooperationen“. Zu guter Letzt spiele Geld natürlich auch eine Rolle. So sollte der Wissenschaftler „die Einwerbung von Drittmitteln, die zugängliche Publikation im internationalen Rahmen und die öffentliche Vermittlung im Blick haben“.
Die Hansestadt kannte er zuvor nur als Tourist und aus den Medien, aber Bremen hat ihn zum Laufen gebracht. Nicht nur beruflich geht es für ihn rasant vorwärts. „Seitdem ich hier bin, habe ich als Ausgleich zum Schreibtisch mit dem Laufen angefangen!“, berichtet er leicht amüsiert über sich selbst. Warum gerade jetzt, wisse er nicht, da er eigentlich schon immer viel im Sitzen gearbeitet habe. Zuvor sei er geschwommen, doch dies sei ihm nun zu aufwendig. „Jetzt drehe ich immerzu meine Runden um die Altstadt“, so Christian Pentzold. Sehr naheliegend, denn er wohnt hinter dem Brill, nahe der Weser.
Seine Doktorarbeit führte ihn von Chemnitz über Oxford bis nach Harvard und entführte ihn thematisch in die Welt von Wikipedia. Ein von vielen genutztes Medium, bei dem aber nur wenige wissen, wie die Artikel überhaupt zustande kommen. Christian Pentzold wollte dies ändern und dies ist heute eine wichtige Säule seiner Arbeit: Wie werden digitale Medien genutzt und hergestellt? Er wollte herausfinden, wie bei einem solch ungeordneten und freien Prozess so informationsreiche Ergebnisse zustande kommen. Seine Lösung: Er machte mit und zwar bei verschiedenen Artikeln, etwa den zur Tulpenmanie, einer der ersten Spekulationsblasen, die sich in Holland im 16. Jahrhundert um Tulpenzwiebeln entwickelte. Dieses Vorgehen nennt sich in der wissenschaftlichen Welt teilnehmende Beobachtung. „Es war erstaunlich, es gibt bei den Autoren der Wikipedia einen unbedingten Willen zur Qualität!“, erzählt er. Das Projekt verbinde die Menschen derartig, dass je länger die Zusammenarbeit andauert, immer mehr Kanäle abseits der rein schriftlichen Kommunikation genutzt werden. „Es gibt regelmäßige Treffen der Wikipedianer.“ Er selbst nahm auch an einem teil. Für die Kerngruppe von gut 1000 Personen im deutschsprachigen Raum sei Wikipedia „Alltag und Anliegen“ in eins.
Christian Pentzold forscht bis heute weiter an dem Thema, um Antworten auf beispielsweise die Frage zu liefern: „Wie schaffen wir es, mit Medien freiwilliges Engagement zu fördern? Und wie können dabei die beteiligten Nutzer in ihrer Vielfalt wahrgenommen werden? „Das war und bleibt spannend!“, resümiert er und lächelt verschmitzt.
Dies tut er oft. Während des ganzen Gesprächs kommt eine locker-freundliche Persönlichkeit zum Vorschein. Auch wenn er von seinem anderen Hobby erzählt, grinst er über sich selbst und meint, dass es eigentlich nicht so wichtig sei, aber ihm ist anzumerken, wieviel Freude und ehrliche Begeisterung er auch für dieses, eher exotische Themenfeld übrig hat: Keramik. Er sammelt sie und Bremen sei für ihn auch da ein Glücksfall. „Bremen ist ein toller Standort, es gibt viele ortsansässige Kunsthandwerker“, schildert er. Dabei sammle er schlicht, alles was ihm gefalle. Doch einen sehr spezifischen Traum hat Christian Pentzold: „Chinesische Song-Keramik, einfarbige Schalen, Tassen und Schüsseln!“, träumt er leicht verlegen. Aber die sei sehr teuer.
In seinem wissenschaftlichen Alltag gehe es heutzutage auch um die Sensibilisierung für die digitalen Medien. „Wir müssen die Handlungsmöglichkeiten und Kompetenzen der Menschen stärken“, beschreibt er seine Gedanken zur rasanten Entwicklung der sozialen Netzwerke und stellt die Frage „Was bedeutet der rigorose Informationsaustausch bei Facebook & Co für die Gesellschaft?“. Diese und viele weitere Fragen sind es, die ihn und sein Team beschäftigen.
„Es ist der beste Beruf der Welt“, sagt er. „Ich kann dem nachgehen, was mich am meisten interessiert, was mir am Herzen liegt.“ Als Wissenschaftler an der Universität will er einen gesellschaftlichen Beitrag leisten und diesen auch öffentlich machen. „Es ist wichtig, dass gesehen wird, womit wir uns beschäftigen, was wir erreichen und welche Fragen wir uns warum stellen!“, bekräftigt er sein Verständnis des Auftrages des Hochschullehrers in der modernen Zeit.