Wie ist es um die Lebensqualität in Bremen und Umgebung bestellt? Niedriger als in Bremerhaven ist die Lebenserwartung von Neugeborenen nur in Pirmasens. Und geringes Bevölkerungswachstum könnte darauf hindeuten, dass Bremen ein Attraktivitätsproblem hat. Das und mehr hat ein von der Bundesregierung angestoßener Vergleich der Lebensverhältnisse in allen 400 Land- und Stadtkreisen Deutschlands ergeben. Die Ergebnisse sind im „Gleichwertigkeitsbericht 2024“ dokumentiert.
Wie entwickelt sich die Bevölkerung in Bremen und umzu?
„Die Bevölkerungsentwicklung ist ein zentraler Indikator für die Lebensverhältnisse in einer Region, da sie das Zusammenspiel zahlreicher Faktoren widerspiegelt“ – die Bundesregierung nennt „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, gesellschaftliche Aspekte und regionale Attraktivität“.
Vergleicht man Bremen mit seinem Umland und mit Bremerhaven, so stagniert die Bevölkerungsentwicklung in der Großstadt. Von 2012 bis 2017 war laut Gleichwertigkeitsbericht noch ein Plus von 3,98 Prozent in der Stadt zu verzeichnen, von 2017 bis 2022 nur noch ein Zuwachs von 0,24 Prozent. Im Vergleich der 400 Land- und Stadtkreise ist das Rang 319. Aber: Auch in anderen Großstädten ist das Bevölkerungswachstum stark zurückgegangen – möglicherweise, weil die Mieten stark gestiegen sind oder der Wohnraum knapp geworden ist.
In Bremerhaven und der Stadt Delmenhorst ist eine ähnliche Entwicklung feststellbar. Die umgekehrte Tendenz ist im ländlichen Umland erkennbar – in Verden, Diepholz, Osterholz und vor allem Rotenburg (Wümme). Der Kreis Wesermarsch konnte zumindest den leichten Bevölkerungsrückgang von 2012 bis 2017 in ein Wachstum von 0,61 Prozent verwandeln. Der Landkreis Oldenburg ist ebenfalls gewachsen, zuletzt aber weniger als zuvor.
Wie ist das Erwerbsfähigen-Rentner-Verhältnis in Bremen und Umgebung?
Die Zunahme älterer Menschen in Deutschland wird als demografischer Wandel bezeichnet. Im Gleichwertigkeitsbericht nutzt die Bundesregierung einen Altenquotienten zur Lage-Bestimmung: „Der Altenquotient setzt die Anzahl der Menschen über 65 Jahre ins Verhältnis zur Anzahl der Menschen von 20 bis 65 Jahre, und informiert damit über die Relation zwischen der Erwerbsbevölkerung und den potenziellen Rentenbezieherinnen und Rentenbeziehern.“ Das bedeutet: „Wenn die Zahl der Älteren zunimmt, während die Zahl der Erwerbsfähigen konstant bleibt oder sinkt, nimmt der Altenquotient zu.“
Bundesweit sieht die Entwicklung wie folgt aus: „Im Jahr 1950 standen in Deutschland 16 Personen im Rentenalter 100 Personen im Erwerbsalter gegenüber. 2022 lag der Altenquotient dagegen bei 37,4 und hat sich seit 1950 somit mehr als verdoppelt.“ Im Vergleich zum Umland hat Bremen den niedrigsten Altenquotienten und damit den besten Wert: 34,79 im Jahr 2022 (2013: 34,23). Das ist Platz 83 unter den 400 Kreisen. Relativ weit hinten liegt der Landkreis Osterholz mit einem Altenquotienten von 41,13, der neun Jahre vorher noch bei 37,59 war.
Wie viele Leute sterben in Bremen und Umgebung vorzeitig?
Bremerhaven liegt mit einem Altenquotienten von 37,54 im oberen Mittelfeld der Kreis-Rangliste. Die hohe „vorzeitige Sterblichkeit“, welche die Bundesregierung hier festgestellt hat, dürfte den Altenquotienten gesenkt haben – was schwerlich als Verbesserung der Altersstruktur bewertet werden kann.
„Auf regionaler Ebene kann die Belastung durch gesundheitsgefährdende externe Faktoren erheblich variieren“, erklärt die Bundesregierung. „Zentral sind hierbei Aspekte wie die Luftqualität, die das allgemeine Gesundheitsniveau und somit das Risiko einer vorzeitigen Sterblichkeit beeinflussen kann.“
Um die vorzeitige Sterblichkeit in den Regionen vergleichen zu können, wurde die Anzahl der verstorbenen Menschen betrachtet, die zum Todeszeitpunkt im Jahr 2022 jünger als 70 Jahre alt waren – und zwar in Relation zu allen Einwohnerinnen und Einwohnern dieser Altersgruppe auf Kreisebene (multipliziert mit 100.000). Bremerhaven hat sich im Vergleich zum Jahr 2013 zwar verbessert. Dennoch haben nur 26 Kreise eine höhere Sterblichkeit. Bremen liegt auf Platz 255 von 400, die Landkreise im Umland zwischen Rang 165 (Oldenburg) und 231 (Rotenburg/Wümme).
Welche Lebenserwartung haben Menschen in Bremen und Umgebung?
Vor dem Hintergrund der vorzeitigen Sterblichkeit stellt sich die Frage nach der Lebenserwartung. Sie ist eine Prognose und bezieht sich auf Neugeborene. Bremerhaven kommt mit einem statistischen Alter von 78,43 Jahren nur auf Platz 399 unter den 400 Kreisen – bezogen auf das Jahr 2020. Bremer Babys sollen demnach tendenziell zwei Jahre älter werden und Münchner Babys nochmal 2,5 Jahre älter – 83,11 Jahre. Die Lebenserwartung im Bremer Umland bewegt sich zwischen 81,6 Jahren (Kreis Verden) und 80,05 Jahren (Stadt Delmenhorst).
Die Lebenserwartung betrachtet die Bundesregierung als „wesentlichen Indikator für den Gesundheitszustand und die Lebensqualität der Bevölkerung“. Sie werde von einer Vielzahl an strukturellen und individuellen Faktoren beeinflusst.
Wie gut ist die medizinische Versorgung in Bremen und Umgebung?
Zu den strukturellen Faktoren, welche lebensverlängernd oder verkürzend wirken können, zählt die Bundesregierung unter anderem „die Qualität und Erreichbarkeit von Einrichtungen der Gesundheitsversorgung“. Die Erreichbarkeit der Einrichtungen ist im Gleichwertigkeitsbericht in Auto-Fahrzeiten verglichen worden. Es wurde ein Mittelwert gebildet: „Berücksichtigt sind dabei die nächste Hausarztpraxis, das nächste Krankenhaus und die nächste Tagespflegeeinrichtung.“
Bremen hat dabei wie viele Großstädte gut abgeschnitten. Eine mittlere Fahrzeit von 5,2 Minuten reichte für Platz 52, Bremerhaven schaffte es mit 4,81 Minuten sogar auf Platz 35. Im unteren Viertel des Deutschland-Rankings sind die Landkreise Verden (9,95 Minuten – Platz 309), Rotenburg/Wümme (10,14 – 317) und Osterholz (10,23 – 321) zu finden. Dort fährt man also tendenziell doppelt so lange wie in Bremerhaven.

Hausärzte seien meist „erster Anlaufpunkt bei gesundheitlichen Beschwerden und begleiten auch häufig ganze Familien ein Leben lang“, schreibt die Bundesregierung. In Bremen ist im Jahr 2022 auf 1634 Einwohner ein Hausarzt gekommen. Damit liegt die Stadt im Mittelfeld der Deutschland-Rangliste. Der Landkreis Verden hat es mit einem Hausarzt pro 1532 Einwohner auf Platz 91 geschafft. Der Kreis Diepholz liegt im Bremer Umland am weitesten hinten: Auf jeden Hausarzt kommen 1967 Einwohner. Nur in 17 Kreisen ist die Hausarztdichte noch lichter.
Wie gut ist die Luft in Bremen und Umgebung?
Bezüglich der „vorzeitigen Sterblichkeit“ hat die Bundesregierung die Bedeutung der Luftqualität hervorgehoben. Bei der Feinstaubbelastung hat sich Bremen im Vergleich der Jahre 2013 und 2022 zwar von 12,85 auf 9,2 Mikrogramm je Kubikmeter Luft verbessert. Das ist – Großtstadt-typisch – aber immer noch ein schlechter Wert: Platz 354. Delmenhorst und Bremerhaven stehen etwas besser da und die Landkreise im Umland sowieso. Regionale Spitze ist Rotenburg (Wümme) mit 7,33 Mikrogramm Feinstaub je Kubikmeter Luft.

Welche Rolle spielt die Kriminalität in Bremen und Umgebung?
„Finden an einem Ort gehäuft Straftaten statt“, habe dies tendenziell „ein eingeschränktes Sicherheitsgefühl“ zur Folge, schreibt die Bundesregierung. Bremen rangiert mit 116 Straftaten je 1000 Einwohner im Jahr 2022 auf Platz 387 und damit noch weiter hinten als etliche andere Großstädte.
Bremerhaven ist praktisch gleichauf. In der Stadt Delmenhorst soll es deutlich weniger Kriminalität geben: 66 Straftaten auf 1000 Einwohner. Nur deren 43 waren es im Kreis Oldenburg: Platz 128 von 400.

Wie geht die Bundespolitik mit dem Gleichwertigkeitsbericht um?
Die Bundesregierung hat den Bericht am 3. Juli 2024 der Öffentlichkeit vorgestellt und damit darauf aufmerksam gemacht, wie ungleich die Lebensbedingungen in Deutschland sind – und dass es trotz einiger Verbesserungen weiteren Handlungsbedarf gebe. Der Bundestag hat sich am 17. Oktober „in erster Lesung“ mit dem Regierungsbericht befasst und ihn „nach rund 40-minütiger Debatte zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen“, wie auf der Internetseite des Parlaments berichtet wird. Doch dann brach die Regierung aus SPD, Grünen und FDP auseinander.
Wird der Gleichwertigkeitsbericht in der Schublade verschwinden wie der Bericht zur „Lebensqualität in Deutschland“, den die Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD im Jahr 2016 veröffentlicht hat? Darin versprach die „Große Koalition“ damals: „Der vorliegende Bericht ist der Auftakt zu einer regelmäßigen Erhebung der Lebensqualität in Deutschland. Die Bundesregierung plant, den Bericht ,Lebensqualität in Deutschland’ einmal je Legislaturperiode fortzuschreiben.“ Schwarz-Rot kündigte an: „Die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger soll Maßstab für eine erfolgreiche Politik werden.“ Doch der Auftaktbericht war gleichzeitig der Abschlussbericht – es gab keinen zweiten.