Es sind neun. Neun Routen, auf denen es den Fahrradfahrern so richtig gut gehen soll. Sie werden dort sicher, komfortabel und hinreichend schnell fahren können, das ist das Ziel. Nachzulesen im Verkehrsentwicklungsplan, der vor dreieinhalb Jahren von der Bürgerschaft beschlossen wurde. Doch wenn man sich anschaut, was bisher passiert ist, sieht man die Routen wohl auf dem Papier, kaum aber auf der Straße. Keine einzige ist bislang in Reinkultur vollendet worden.
Die eine gibt es rudimentär, als Strecke zwischen der Innenstadt und der Universität. Die andere, von Farge nach Mahndorf, wird gerade geplant und braucht noch Jahre, bis sie fertig ist. Sonst aber sieht es mau aus. Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander. Woran liegt das? Was hakt an dem Plan? Oder ist es ganz anders? Wächst da im Kleinen, was am Ende das Große sein wird, ein Netz von Premiumrouten?
Wilhelm Hamburger kann ein paar Antworten geben. Er ist bei der Verkehrsbehörde der Mann für den Fahrradverkehr – der einzige, was schon eine der Antworten ist: Zu wenig Personal und zu wenig Geld, um die vielen schönen Vorhaben in die Tat umzusetzen. Doch Hamburger, ein Frankfurter, da kommt er her, ist keiner, der sich groß darüber beklagt. Er sitzt in seinem Büro, es ist mehr ein Kabuff, vollgestopft mit Mappen, Akten und Karten, und arbeitet sein Programm ab, sehr pragmatisch und froh über jeden Fortschritt, mag er auch noch so gering sein.Vorweg eine Feststellung: „In Bremen sind so viele Radfahrer unterwegs wie in keiner anderen deutschen Großstadt“, betont Hamburger.
Der Anteil liege bei rund 25 Prozent. Ihn auf 30 oder 40 Prozent zu erhöhen, sei in den nächsten zehn oder 20 Jahren durchaus möglich. Nicht aus Prinzip, sondern weil es sinnvoll ist, so der Planer: „Hier geht es nicht um Ideologie, es geht um Erreichbarkeit.“ Auch die Autofahrer, darunter viele, die aus verschiedenen Gründen keine andere Wahl hätten, als den Wagen zu benutzen, würden davon profitieren, „wenn der platzsparende Verkehr mehr wird“, wie Hamburger es ausdrückt. Bremen habe anders als zum Beispiel seine Heimatstadt Frankfurt ein Radwegenetz, das sich über die gesamte Stadt erstrecke. „Es ist veraltet und verbesserungsbedürftig, aber trotzdem natürlich von Vorteil.“
Und die Premiumrouten? Da windet sich Hamburger heraus. Das Stückwerk zwischen City und Uni zählt für ihn gar nicht dazu, obwohl es Teil der Pläne ist: „Das ist keine Premiumroute.“ Noch nicht. Ein Beispiel, wie Hamburger an die Sache herangeht. Sein Credo: Kein Dogma pflegen, sondern machen, was möglich ist. Überzeugen, werben und glaubwürdig sein. „Wir nehmen die Befindlichkeiten der Anwohner an den Strecken sehr ernst, genauso wie die Hinweise der Beiräte.“
Zurzeit geschieht das entlang der geplanten Radler-Piste zwischen Farge und Mahndorf. Sie ist 43 Kilometer lang und mit Kosten von 21 Millionen Euro veranschlagt. Verkehrssenator Joachim Lohse (Grüne) will damit in drei bis vier Jahren fertig sein, hatte er erklärt. „Dann nehmen wir ihn mal beim Wort“, sagt Hamburger. Da klingt Zweifel raus. Die finanziellen Mittel sind im Bremer Haushalt bislang nur für einen ersten Abschnitt vorhanden. Überhaupt das Geld: Der Bund hat für die Premiumrouten einen Fördertopf eingerichtet – 25 Millionen Euro für das gesamte Bundesgebiet.
Stück für Stück
Verzagen sollte man deshalb aber nicht, findet Hamburger. Es gebe Möglichkeiten, immer wieder, um den Radverkehr in Bremen weiter nach vorne zu bringen. Stück für Stück und eben auch auf den Premiumrouten. Als Beispiel nimmt der Planer den Ausbau der sogenannten Stadtstrecke an der großen und kleinen Weser.
Der knapp zwei Kilometer lange Abschnitt zwischen Eisenbahnbrücke und Rot-Kreuz-Krankenhaus an der Piepe ist Teil der Route zwischen Obervieland und dem Güterverkehrszentrum. „Dort wird es im Vorgriff einen drei Meter breiten Radfahrstreifen geben.“ Die Premiumrouten als Stückwerk – Hamburger ist damit nicht zufrieden, es dürfte für seinen Geschmack mehr sein und schneller gehen. So richtig unzufrieden ist er aber auch nicht.