Werden Obdachlose am Bahnhof von der Polizei drangsaliert? Die Linke behauptet dies unter Berufung auf Betroffene, Hilfsorganisationen und einen Medienbericht. Die Partei spricht von „massiver Vertreibungspolitik“, nächtlichen Schikanen und grundlosen Platzverweisen. In der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft hat Thomas Ehmke, Staatsrat des Inneren, diese Vorwürfe am Dienstag entschieden zurückgewiesen. Die Linke stütze sich allein auf Vermutungen, Unterstellungen und Gerüchte.
Bei der Polizei sei kein Fall bekannt, dass nächtens der Schlafsack eines Obdachlosen beschlagnahmt wurde. Platzverweise gebe es zwar, aber Obdachlosigkeit allein sei dafür kein Grund. Die Kollegen von Landespolizei, Bundespolizei und Ordnungsdienst gingen am Bahnhof „kompetent und engagiert“ vor. Die Vorstellung, dass in Bremen Polizisten nachts loszögen, um Obdachlose zu schikanieren, sei schlicht abwegig.
Die Parlamentsdebatte ins Rollen gebracht hatte die Linke mit einem Antrag für eine Aktuelle Stunde, überschrieben mit „Platzverweise und beschlagnahmte Schlafsäcke im Winter: Hilfe für Wohnungslose statt Verdrängungspolitik am Bahnhof“. Man sorge sich über den Verdrängungsprozess am Bahnhof, eröffnete Claudia Bernhard, wohnungs- und stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linken, die Diskussion.
Durch das von der Innenbehörde 2018 initiierte „Programm für mehr Sauberkeit, Sicherheit und Aufenthaltsqualität am Bahnhof“ habe sich die Situation verschärft, erklärte Bernhard, sprach von einem „außerordentlich bedenklichen Citygate-Effekt“ und sah den sozialen Zusammenhalt in Bremen gefährdet.
„Es ist nicht verboten, im Freien zu schlafen“
Ihre Fraktionschefin Kristina Vogt legte nach: Sie hält das Vorgehen der Polizei für rechtlich zweifelhaft. „Es ist nicht verboten, im Freien zu schlafen.“ Ebenso wenig stelle Betteln oder Alkohol zu trinken im öffentlichen Raum eine Gefahr oder eine Straftat dar. Man erwarte von der Polizei umsichtige Maßnahmen und einen fairen Umgang mit der betroffenen Personengruppe. Vor allem aber störe die Linke, dass die Innenbehörde mit den polizeilichen Maßnahmen längst begonnen habe, ohne dass die angekündigten sozialen Maßnahmen und Angebote für Wohnungslose überhaupt angelaufen seien – so zum Beispiel die Einrichtung eines Unterstandes mit Toiletten in der Nähe des Intercity-Hotels.
Auch dies lies Staatsrat Ehmke nicht gelten. Es gebe eine ganze Reihe von temporären Maßnahmen, etwa der Inneren Mission, für die Übergangszeit bis zur Fertigstellung des Unterstands.
Sücrü Senkal (SPD) lobte den Kurs der Innenbehörde, die Aufenthaltsqualität am Bahnhof zu steigern als gut und richtig. Zugleich den Bedürfnissen der Obdachlosen gerecht zu werden sei ein „Balanceakt für die Polizei“. Dieses Thema sei aber nicht allein Aufgabe der Polizei, Innen-, Bau- und Sozialressort seien gleichermaßen gefordert. „Ist es in Bremen wirklich so schlimm?“ wie die Linke in ihren „übergriffigen“ Formulierungen behaupte, fragte Sigrid Grönert (CDU). In Bremen gebe es viel Unterstützung und gute Hilfsangebote für Obdachlose. Diese Hilfe müsse aber auch angenommen werden. Magnus Buhlert (FDP) sprach von einem Spagat zwischen der Wahrung der Rechte aller Menschen und dem Anspruch, den Bahnhofsvorplatz zu einer Visitenkarte Bremens zu machen.
Zu den Vorwürfen gegen die Polizei äußerten sich die drei Parlamentarier nur zaghaft. Senkal mochte nicht ausschließen, dass es in Einzelfällen so geschehen ist, wie von den Linken geschildert. Grönert forderte das „richtige Augenmaß“ der Polizei, Buhlert sprach von einer so großen Gemengelage am Bahnhof, dass es nicht möglich sei zu beurteilen, ob angemessen gehandelt wurde oder nicht.
Anders Björn Fecker von den Grünen. Der bezeichnete zunächst das staatliche Hilfsangebot für Obdachlose in Bremen als „im Großen und Ganzen ausreichend“ und würdigte die „deutlichen Fortschritte am Bahnhof“. Die pauschalen Verdächtigungen gegen die Polizei wies Fecker aber ausdrücklich als unangebracht zurück. Wenn, dann müsse im konkreten Fall nachgegangen werden. Den habe er hier jedoch nicht gefunden.