In Vegesack laufen die Vorbereitungen für ein Taubenhaus, mit dessen Hilfe die Population der Vögel kontrolliert werden soll. Funktioniert das, könnten aus Sicht von Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) auch in der Innenstadt betreute Taubenschläge eingerichtet werden. Dort sind die Einzelhändler seit langem genervt, vor allem von den Hinterlassenschaften der in Massen dort wohnenden Tiere. Die Kaufleute fordern ein Fütterungsverbot als Sofortmaßnahme – was aber, sagen Tierschützer und Taubenfreunde, nur in Kombination mit überwachten Volieren zu verantworten wäre.
Bei der SWB sind sie in der Tauben-Frage schon einige Flügelschläge weiter. Seit dem Sommer 2019 steht ein Taubenhotel auf dem Gelände des Müllheizkraftwerks in der Nähe der Universität, an einem ruhigen Platz zwischen Müllbunker und der Autobahn, wo selten Verkehr ist. Und bislang zeigt sich für die SWB: Es funktioniert. „Unsere Erfahrung ist absolut positiv“, sagt Sprecher Christoph Brinkmann. „Vorher war die Situation durch den Dreck der Tauben für die Mitarbeiter nicht mehr tragbar. Durch das Taubenhotel konnten wir ihn deutlich reduzieren.“
Aus den drei Volieren, um die sich neben einem sowohl taubenbegeisterten als auch -erfahrenen SWB-Mitarbeiter auch Mitarbeiter des Tierheims kümmern, werden laut Brinkmann zwei Mal pro Woche zwei 240-Liter-Eimer voll mit Vogelkot abgeholt. „Diese Menge haben wir somit nicht mehr auf der Anlage, das ist deutlich besser als vorher“, sagt er. Im Moment werde überlegt, anzubauen und noch zwei zusätzliche Kästen mit Platz für insgesamt 80 Tiere aufzustellen.
Etwa 120 von insgesamt etwa 200 Tauben, die rund um das Heizkraftwerk heimisch geworden sind, haben das Hotel in den vergangenen Monaten als Schlaf-, Futter- und Nistplatz akzeptiert. Hineingelockt wurden sie mit einem kleinen Trick: „Wir haben zuerst eine Voliere mit Tauben aus dem Tierheim besetzt und sie etwa drei Wochen eingesperrt“, erklärt Brinkmann. Die Tierheimtauben dienten im Wortsinn als Lockvögel. Nach den drei Wochen hatten die Kraftwerkstauben die „Neuen“ bemerkt und waren neugierig geworden. „Sie sind dann langsam hereingekommen, während die Tierheimtauben nach und nach wieder zum Tierheim abgewandert sind“, erzählt Brinkmann.
Das Taubenhotel als Schnellrestaurant für Bussarde
Im Herbst 2019 bemerkten die „Tauben-Hoteliers“ aber, dass das Interesse der Tauben an den Volieren deutlich nachließ. Brinkmann: „Wir konnten uns das nicht erklären und haben deshalb eine Kamera aufgestellt.“ Auf den Bildern zu sehen war, dass Bussarde das Hotel ebenfalls entdeckt hatten – sozusagen als Schnellrestaurant. „Wir haben dann die Eingänge so umgebaut, dass die Tauben sofort nach dem Anflug in Sicherheit sind“, sagt der SWB-Sprecher. „Die Bussarde sind verschwunden. Seitdem nehmen die Tauben das Ganze sehr gut an. Die Population ist über den Sommer hinweg konstant geblieben.“
Sinn und Zweck eines Taubenhauses ist neben der artgerechten Fütterung der Tiere auch die Kontrolle der Population. Das geschieht, in dem die Eier durch Exemplare aus Gips ausgetauscht werden. Rund 40 Gipseier pro Monat werden den Vögeln untergeschoben, das macht bislang insgesamt mehr als 300 nicht geschlüpfte Küken. Brinkmann: „Alle Eier kann man nicht entnehmen, die Tauben brauchen auch Bruterfolge.“
Die Kosten für das Taubenhotel belaufen sich laut Brinkmann auf 20.000 Euro für Material und Bau der drei Volieren. Etwa die gleiche Summe kommt pro Jahr für Futter und Bezahlung der Tierheim-Mitarbeiter obendrauf. „So ein Projekt muss auf Dauer angelegt sein“, sagt er. „Uns hatte man am Anfang gesagt, dass man das erste Jahr als Einführungsjahr sehen muss.“
An den Heizkraftwerken in Hastedt und im Hafen hat die SWB übrigens keine Probleme mit Tauben, weil sich dort Wanderfalken, genau wie Bussarde Taubenjäger, angesiedelt haben.