Die Gerichtsverhandlung ist fast beendet. Das Urteil ist verkündet – achteinhalb Jahre Jugendstrafe wegen Mordes für den 20-jährigen Angeklagten – es fehlt nur noch die obligatorische Rechtsmittelbelehrung ganz am Ende des Prozesses. Doch dann bricht urplötzlich in den Reihen der Zuschauer ein Tumult aus. Zwei kräftige junge Männer springen auf, einer von ihnen stößt unter Drohgebärden wüste Beschimpfungen in Richtung des Angeklagten aus. "Halt den Mund, sei ruhig!", herrscht ihn ein anderer Zuschauer an, doch der Mann ist kaum zu beruhigen. Ein dritter, deutlich älterer Mann steht auf und spricht aus, was wohl die Ursache für den Aufruhr ist. "Achteinhalb Jahre ...? Das ist zu wenig. Das ist doch nicht normal, was ihr hier macht."
Der Ausbruch kam offensichtlich nicht unerwartet. Zumindest hatten die Verantwortlichen mit Blick auf die Großfamilie des Opfers Ähnliches wohl schon geahnt. Und deshalb dafür gesorgt, dass dieser Prozess von Anfang an von einem starken Aufgebot an Wachpersonal begleitet wurde. Am letzten Verhandlungstag verteilte sich ein gutes Dutzend Männer und Frauen der Wachmannschaft gut sichtbar vor und im Gerichtssaal sowie auf der Zuschauertribüne.
Großaufgebot an Wachpersonal
Und die beenden den Spuk am Donnerstag so schnell, wie er begonnen hat. Der wütend brüllende Mann wird über die Hintertreppe aus dem Gerichtssaal gedrängt, zeitgleich der Angeklagte in Sicherheit gebracht und außerdem weitere Kräfte zur Verstärkung geordert. Spätestens bei deren Eintreffen ist die Lage vollends beruhigt.
Ein paar Minuten vergehen, dann wird der Angeklagte zurück in den Gerichtssaal geführt. Die Vorsitzende Richterin beendet den Prozess ordnungsgemäß, die Zuschauertribüne leert sich. Dass die Mutter des Opfers, die während der Verhandlung als Nebenklägerin an einem Tisch gesessen hat, auf ihrem Weg aus dem Gerichtssaal weinend zusammenbricht, bekommen die meisten der Zuschauer schon nicht mehr mit.
Der Angeklagte wird wegen Mordes verurteilt. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass er am 17. September 2024 in einem Huchtinger Kleingartengebiet mit einem Messer heimtückisch einen 21-jährigen Mann getötet hat. Hintergrund zu dieser Tat war ein Streit, der sich schon den gesamten Tag über hingezogen hatte. Involviert waren der Angeklagte und mehrere seiner Freunde, drei Frauen, darunter die ehemalige Freundin des 20-Jährigen, sowie eine Gruppe Männer, zu der das spätere Opfer gehörte. Drogen und Sex spielten eine Rolle, Eifersucht, Hysterie, Drohungen und Beschimpfungen. Unter anderem fielen Sätze wie "Ich bring dich um" oder "Entweder sie stirbt oder du".
Die Tat geschah kurz vor Mitternacht auf dem Parzellenweg "Igelallee". Da rannte der Angeklagte, der das Kleingartengelände eigentlich schon verlassen hatte, zu der Parzelle zurück und stieß dem 21-Jährigen ein Messer in die Brust. Das Opfer beugte sich in diesem Moment über die am Boden liegende ehemalige Freundin des Angeklagten und hielt sie an den Händen fest.
Er habe der Freundin zu Hilfe eilen wollen, mit dem Messer aber nur auf den Arm des anderen gezielt, der selbst mit einem Messer bewaffnet gewesen sei, lautet die Version des Angeklagten. Die nimmt ihm die Kammer nicht ab. Keiner der vielen Zeugen habe dies bestätigt. "Das ist eine Schutzbehauptung. Sie haben sich einem Unbewaffneten genähert." Und gegen das angebliche Zielen auf den Arm des Opfers spreche der Stichkanal. Der Stich wurde von unten nach oben geführt. "Das kann kein Stich auf dem Arm gewesen sein. Sie haben nicht auf das Herz gezielt, aber auf den Oberkörper."

Direkt an der Igelallee erinnern Blumen, Kerzen und eine Gedenktafel an den ermordeten 21-Jährigen.
Mordmerkmal Heimtücke erfüllt
Es sei zwar nicht die Absicht des Angeklagten gewesen, den anderen zu töten. Doch wer einem anderen Menschen im Bereich des Herzens ein Messer in die Brust stößt, nehme dessen Tod zumindest billigend in Kauf, so die Vorsitzende Richterin. Das Gericht ging deshalb von einem bedingten Tötungsvorsatz des 20-Jährigen aus. Und da der Angriff für das Opfer quasi aus dem Nichts gekommen sei, der Mann somit keine Chance gehabt hätte, sich zu wehren, sieht das Gericht das Mordmerkmal Heimtücke als erfüllt an.
Dass der Angeklagte trotz Verurteilung wegen Mordes nicht zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wird, verdankt er seinem Alter. Zur Tatzeit war er 20 Jahre alt. Damit gilt er als Heranwachsender und kann unter bestimmten Voraussetzungen noch unter das Jugendstrafrecht fallen. Die Kammer sah diese als gegeben an, womit das Strafmaß in diesem Fall maximal zehn Jahre Haft hätte lauten können.
Was die Strafe für den Angeklagten bedeutet, bleibt abzuwarten. Für die Dauer des Prozesses war er in der Untersuchungshaft von anderen Gefangenen isoliert worden. Wie verlautete, weil im Gefängnis Racheakte aus dem Dunstkreis der Familie des Opfers befürchtet worden waren.