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Gefährlicher Trend in Bremen Tuning von E-Bikes und E-Rollern: Warum Experten davon abraten

E-Bikes und E-Roller lassen sich leicht tunen – das versprechen Video-Tutorials und Verkaufsplattformen. Doch die Nutzung der aufgemotzten Zweiräder auf öffentlichen Straßen ist verboten.
07.09.2024, 05:00:00 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Tuning von E-Bikes und E-Rollern: Warum Experten davon abraten
Von Lisa Duncan

Wer Pedelec fährt, kann seine Muskelkraft mit einem Elektromotor verstärken – bei einer maximalen Geschwindigkeit von Tempo  25 lässt sich damit manches Fahrrad mühelos überholen. Doch das Tempo reicht einigen nicht: Mit ein paar Tricks erhöhen sie die Höchstgeschwindigkeit auf 45 km/h und mehr. Mithilfe von ­Tuning-Kits und Video-Tutorials, die es zuhauf im Internet gibt, entsteht kostengünstig ein ­S-Pedelec Marke Eigenbau. Das Gleiche ist mit E-Rollern möglich. Doch das Tuning ist illegal und kann teuer werden, warnen Experten und die Bremer Polizei.

Wie hat sich die Anzahl getunter E-Bikes und E-Scooter in den vergangenen Jahren entwickelt?

Die Polizei in Bremen hält dazu keine Zahlen vor. Aber: „Seit es die E-Bikes auf dem Markt gibt, sind wir auch mit diesen Tuning-Möglichkeiten konfrontiert“, teilt Sprecherin Franka Haedke mit. Der Gesamtverband Deutscher Versicherungen (GDV) erfasst keine getunten Fahrzeuge, sagt Sprecherin Kathrin Jarosch. Laut dem Fahrradherstellerverband ZIV wurden 2023 in Deutschland mit 53 Prozent erstmals mehr E-Bikes als Fahrräder verkauft. Der E-Bike-Bestand lag 2023 bei etwa elf Millionen. „Erfahrungsgemäß gibt es leider unter den Händlern auch schwarze Schafe, die ein Tuning beim Kauf gleich mit anbieten“, sagt Tim Salatzki, Leiter des Bereichs Technik und Normung beim Verband ZIV. Von einem Anstieg beim Tuning will er nicht sprechen, „aber man kann sagen, dass es weiterhin Thema ist“.

Welche Methoden werden beim Tuning angewendet?

„Für viele Marken und Hersteller gibt es vorgefertigte Tuning-Sets, die mit ein wenig Geschick von jedermann montiert und/oder als Software ergänzt werden können“, sagt Polizeisprecherin Haedke. So würden sogenannte Dongles in den Kabelbaum des Motors eingesetzt oder die Tempodrosselung werde mithilfe von Apps entsperrt, erläutert Salatzki.

Wo ist rechtlich der Unterschied zwischen einem Pedelec und einem S-Pedelec?

Laut Polizei ist ein Pedelec grundsätzlich kein Kraftfahrzeug, wenn der elektrische Hilfsantrieb mit maximal 250 Watt während des Tretens und nur bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h unterstützt. Rechtlich seien sie den Fahrrädern gleichgestellt. Wird durch Tuning die Leistung stark erhöht, dann ändere sich die Fahrzeugklasse. Dann werde das Pedelec zum S-Pedelec und eine Betriebserlaubnis, eine Haftpflichtversicherung sowie eine Fahrerlaubnis der Klasse AM benötigt. Bei E-Scootern dürfte laut Haedke durch das Tunen die Betriebserlaubnis erlöschen und sich „die Fahrzeugklasse von einem Kleinkraftrad mindestens hin zu einem Leichtkraftrad verändern“.

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Wo darf man mit getunten E-Bikes und E-Rollern fahren?

Fast nirgendwo – laut Haedke nur "außerhalb der öffentlichen Straßen". Doch Achtung: Als „öffentlich“ kann im Straßenverkehrsrecht auch ein Privatgrundstück gelten – außer, es ist eingezäunt. Auf die Straße dürfte man mit einem selbst aufgemotzten E-Rad nur im unwahrscheinlichen Fall, dass die rechtlichen Vorgaben für S-Pedelecs erfüllt wären. In der Regel werden die Versicherungen aber die Finger davon lassen: "Wir versichern nur regulär erlaubte Fahrzeuge", sagt ÖVB-Sprecher Stefan Ziegler.

Welche Risiken sind mit dem Tuning von E-Bikes und E-Rollern verbunden?

Wer es ohne Betriebserlaubnis fährt, riskiert laut ADAC ein Bußgeld von 70 Euro und einen Punkt in Flensburg. Ohne Fahrerlaubnis und/oder Versicherungsschutz macht man sich sogar strafbar. "Beide Straftatbestände sehen entweder eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr vor", so Haedke. Ein weiterer Punkt ist die Sicherheit: "Mit einem getunten Bike zu fahren ist gefährlich für sich und andere. Sie sind potenziell schneller und damit schwerere Unfälle wahrscheinlicher", sagt Kirstin Zeidler, Leiterin Unfallforschung beim GDV. Passiert ein Unfall, kann das zudem teuer werden. "Sofern der Fahrer Verursacher des Unfalls ist, bleibt er sowohl auf den eigenen Schäden wie auf möglichen Fremdschäden sitzen", erklärt Franka Haedke. "Wenn jemand bei dem Unfall schwer verletzt wird, kann dies zum finanziellen Ruin führen", sagt ADAC-Sprecher Nils Linge.

Was kann man gegen Tuning tun?

Der Fahrradherstellerverband ZIV will Zugang und Werbung erschweren und fordert etwa, nach dem Vorbild Frankreichs den Verkauf von Tuning-Kits und Anleitungen auf Youtube zu verbieten. "Das einzige Zugeständnis auf den Verkaufsplattformen ist bisher der Hinweis, dass es für den Gebrauch im Straßenverkehr nicht zulässig sei. Das überträgt die Verantwortung komplett auf den Nutzer", sagt Tim Salatzki. Dabei müsse man Nutzer auch vor sich selbst schützen – in Sachen Versicherungsschutz und Verkehrssicherheit. Der GDV hält zudem engere Kontrollen und Sanktionen für sinnvoll.



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