Bremerhaven hat ein Klimastadtbüro und eine Klimameile. Würzburg beschäftigt einen hauptamtlichen Klimabürgermeister, die Stadt Achim sucht einen Klimamanager. Wuppertal und München wollen 2035 klimaneutral sein, Bremen 2038, das ist sieben Jahre früher, als es sich die Politik für Deutschland vorgenommen hat.
Das Umweltbundesamt bilanziert in einer Studie, dass Städte, Kommunen und Gemeinden ein Siebtel der deutschen Gesamtemissionen beeinflussen können. Laut Heinrich-Böll-Stiftung besäßen sie viele Hebel, um etwas zu verändern. Das gelte vor allem in zwei Bereichen: bei der Mobilität und im Gebäudesektor. Beide Sektoren haben im vergangenen Jahr die Emissionsziele nicht erreicht, die das Klimaschutzgesetz festgelegt hat.
Die klimaneutrale Stadt hat noch niemand gebaut, aber Ideen und Anstrengungen gibt es. Der WESER-KURIER hat sich in Bremen, Bremerhaven und einigen Kommunen im Umland umgeschaut; eine Bestandsaufnahme von den Bemühungen, klimaneutral zu werden.
Bremen
Bremen wäre auf dem Weg zur Klimaneutralität gern auf der Überholspur unterwegs, auf Englisch Fastlane. Um möglichst schnell voranzukommen, hat Bremen zeitnah zu realisierende Vorhaben, eben die Fastlane-Projekte, identifiziert. Dazu gehören der großzügige Ausbau des Nah- und Fernwärmenetzes, mehr und bessere Mobilitätsangebote, die Sanierung öffentlicher Gebäude und die Umrüstung emissionsstarker Industriebetriebe. Für die schnellen ersten Schritte nimmt Bremen viel Geld in die Hand. Bis 2027 stehen 2,5 Milliarden Euro für Investitionen bereit.
Mehrere große Akteure haben sich festgelegt: Die BSAG etwa will bis 2038 klimaneutral sein, und dafür zum Beispiel seine Busflotte von Diesel auf Elektro umstellen. Werkstätten, Bürogebäude und Betriebshöfe sollen auf LED-Beleuchtung wechseln. Auf den Betriebshöfen in der Neuen Vahr und dem Neubau in Gröpelingen sollen Fernwärmeanschlüsse dabei helfen, Emissionen zu reduzieren.
Um die Häfen soweit zu bringen, sollen in den nächsten zehn Jahren 500 Millionen Euro investiert werden, unter anderem in die Renovierung der Containerterminals, aber auch in die Straßen- und Schienenerneuerung. Auch für das Stahlwerk liegt ein Fahrplan vor, heute noch für fast die Hälfte aller CO2-Emissionen im Land verantwortlich. Arcelor Mittal will Mitte der 2030er-Jahre nur noch klimaneutral hergestellten Stahl kochen. Dafür wollen EWE und SWB umweltfreundlich Wasserstoff zuliefern. Der Bau eines sogenannten Elektrolyseurs am benachbarten Kraftwerk Mittelsbüren gilt als erster Schritt zum „grünen Stahl“, der Grundstein ist gerade gelegt worden. Bremen beteiligt sich mit zehn Millionen Euro an dieser 20-Millionen-Investition. Insgesamt soll der Umbau der Hütte mehr als eine Milliarde Euro kosten, Bund und Land wollen den größten Anteil daran übernehmen.
Bremerhaven

Die "Alte Bürger" ist in Bremerhaven zur Klimameile geworden. Hier werden Altbauten saniert, Straßenräume umgestaltet und neue Grün- und Gemeinschaftsflächen geschaffen.
Bremerhaven, die Stadt am Meer, dürfte die ungebremsten Folgen des Klimawandels als Erstes zu spüren bekommen. Die Welt wird wärmer, Polkappen schmelzen, der Meeresspiegel steigt, Land unter an den Küsten würde dies irgendwann bedeuten. „Wen betrifft der Klimawandel, wenn nicht uns?“ heißt es auf der Internetseite des Bremerhavener Umweltschutzamtes. Dort wird auch das Klimastadtbüro vorgestellt. Es ist nicht der einzige Klimaakteur in der Stadt, für den Magistrat aber der zentrale.
Eine Aufgabe des Klimastadtbüros ist es, die lokale Expertise zu nutzen und renommierte Forschungseinrichtungen wie die Hochschule, das Alfred-Wegener-Institut oder das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik zu vernetzen. Die von einer Enquete-Kommission für Bremen entwickelte Klimaschutzstrategie 2038 gilt auch für Bremerhaven.
Wenn man vor Ort sehen will, wie ganz konkret am Klimaziel gearbeitet wird, ist die „Alte Bürger“ ein gutes Beispiel dafür. Das Gründerzeit-Viertel ist zur Klimameile erklärt worden. Hier werden Altbauten saniert, Straßenräume umgestaltet, neue Grün- und Gemeinschaftsflächen geschaffen. Wie viel eine vernünftige Fassadendämmung, eine Erneuerung sämtlicher Fenster sowie eine zentrale Wärme- und Warmwasserversorgung ausmachen können, beweist das Gebäude an der „Alten Bürger“ mit der Hausnummer 202. Der Energiebedarf für die ehemalige Schrottimmobilie ist seit der Sanierung um etwa zwei Drittel gesunken.
Verden

Der Brückenschlag über die Aller, der die Gemeinde Dörverden mit der Stadt Verden verbindet, gilt als eine Erfolgsgeschichte. Der insgesamt rund 1,4 Kilometer lange Brückenschlag führt auf 380 Metern über die Aller und auf 100 Metern über die Wätern.
Die Stadt Verden hat 2019 die Position einer Klimaschutzmanagerin geschaffen, seit 2021 bekleidet Lisa Pischke diesen Posten. Bereits im Jahr 2017 fanden unter Beteiligung der Bevölkerung Workshops zu Klimaschutzprojekten in Verden statt. Das Ergebnis ist ein Klimaschutzkonzept, das teilweise bereits umgesetzt wurde. Dazu gehört ein Ausbau der Radwegeverbindungen, beispielsweise durch den sogenannten Brückenschlag, der entlang der Schienenstrecke über die Flüsse Aller und Wätern führt und die Stadt Verden mit Gemeinden auf Dörverdener Gebiet verbindet. In Planung ist auch eine schnelle und sichere Radwegeverbindung vom Zentrum und über die Berufsbildenden Schulen bis nach Verden-Walle, die nicht entlang der Bundesstraße führt.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die etappenweise Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf energiesparende LED-Leuchtmittel. Zudem werden öffentliche Gebäude wie Kitas, Schulen und Sporthallen nach und nach ebenfalls mit LED ausgerüstet und energetisch saniert. Bei Neubauten in diesem Bereich legt die Stadt Verden nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine Wert auf natürliche Baustoffe, die Erzeugung regenerativer Energien und einen möglichst geringen Verbrauch von Strom und Gas. So werden auf dem Dach des neuen Feuerwehrhauses in Verden-Walle Fotovoltaik-Module Strom erzeugen, eine Wärmepumpe liefert Heizenergie.
Mehr Grünflächen in der Stadt wurden durch die Umwandlung eines Großparkplatzes in den Allerpark geschaffen – ein Großprojekt, das noch nicht ganz abgeschlossen ist. (BEC)
Delmenhorst

In Delmenhorst plant das Unternehmen Delbus, die Busflotte Schritt für Schritt emissionsfrei zu machen. Im Jahr 2036, also in 13 Jahren, sollen dann erstmals nur Elektro- oder Wasserstofffahrzeuge durch die Stadt rollen.
Delmenhorst, das sich 2019 zur Klimamusterstadt erklärt hat, will 2045 klimaneutral sein, so wie es die Niedersächsischen Klimaschutzstrategie anstrebt. Aktuell werden das Integrierte Stadtentwicklungskonzept und das Klimaschutzkonzept zusammengeführt.
Die Kommune will bei Neuplanungen, Erweiterungen und Sanierungen öffentlicher Gebäude Dachbegrünungen und die Installation von Fotovoltaikanlagen berücksichtigen. Mit insgesamt 15.000 Euro fördert die Stadt die Anschaffung sogenannter Balkonkraftwerke. Gemeinsam mit den kommunalen Stadtwerken sollen zwei Windenergieanlagen im Gebiet Hasbergen ertüchtigt werden.
CO2-Einsparungen soll es im Verkehrsbereich geben, „es geht uns in allen Fragen darum, den öffentlichen Personennahverkehr zu stärken sowie den Fuß- und Radverkehr zu fördern“, sagt Stadtbaurätin Bianca Urban. Die Busflotte der stadteigenen Delbus soll auf CO2-neutrale Antriebstechniken umgerüstet werden. Auf den Einsatz fossiler Energieträger soll bei der Ausweisung von Neubaugebieten verzichtet werden können, im Bereich des Bebauungsplans „Am Heidkamp“, der aktuell in der Beratung ist, wird versucht, die Häuser CO2-neutral mit Heizenergie und Warmwasser zu versorgen. Auf eine Verlegung von Gasversorungsleitungen wird komplett verzichtet. Modellhaft soll dort auch die Sammlung des Oberflächenwassers nachhaltig reguliert werden. Regenwasser wird dann nicht mehr übers Kanalsystem abgeleitet, sondern im Gebiet gehalten und an Ort und Stelle zur Versickerung gebracht. (GMÖ)
Syke
Die Stadt Syke will 2045 treibhausgasneutral sein. Um ihr Ziel zu erreichen, hat die Stadt ein Klimaschutzkonzept aufgesetzt: Der Maßnahmenkatalog gliedert sich in fünf Handlungsfelder: Bildung, Information und Öffentlichkeitsarbeit, Stadtentwicklung, Mobilität, treibhausgasneutrale Verwaltung sowie Klimaschutzmanagement.
Konkrete Vorkehrungen, die die Verwaltung treffen kann, sind dabei etwa die kommunale Wärmeplanung samt energetischer Sanierung der städtischen Immobilien, ein Mobilitätskonzept oder die Erschließung des Solarenergiepotenzials auf kommunalen Dächern. Um Bürger zum Mitwirken zu bewegen, setzt die Stadt Syke auf Beratungsangebote und Veranstaltungsreihen.
Die Vorhaben sind allerdings noch jung. Das Syker Klimaschutzkonzept wurde erst Ende März beschlossen. Bis Ende Juni will die Stadt den Förderantrag zum sogenannten Anschlussvorhaben Klimaschutzmanagement ausarbeiten. Damit sollen Personal- und Sachkosten für die Klimaschutzmanagerin für drei Jahre zu 40 Prozent gefördert werden. (KIW)
Achim

In Achim hat der Prozess zur energetischen Quartierssanierung in der sogenannten Vogelsiedlung gerade begonnen. Dort sollen Hauseigentümer dabei unterstützt werden, die Energiebilanz der Gebäude aus den 50er- und 60er-Jahren zu verbessern.
Weniger Licht und weniger Wärme: Die Maßnahmen zum Sparen von Energie haben in Achim überraschend viel gebracht. Zu diesem Schluss kommt die Stadt nach Auswertung der Wärme- und Stromverbräuche für die Monate September bis Dezember 2022. Im Vergleich zu den Vorjahren sparte die Stadt nach eigenen Angaben in den eigenen Liegenschaften in dieser Zeit erheblich Strom und Gas ein.
Dieser Kurs soll auch nach dem Auslaufen der "Verordnung zum Einsparen von Energie durch kurzfristig wirksame Maßnahmen" gehalten werden. Für Bürgermeister Rainer Ditzfeld und die Achimer Stadtverwaltung steht fest, dass sie auch weiterhin überall dort Energie sparen werden, wo es nur geht, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Darüber fasste der Stadtrat kürzlich den Beschluss, eine geeignete Person für das Klimaschutzmanagement der Stadt Achim zu finden. Die Ausschreibung werde gerade vorbereitet, teilt das Rathaus mit.
Auch in der Bau-, Stadt- und Verkehrsplanung der Stadt spielt der Klimaschutz eine tragende Rolle, indem beispielsweise ökologische Standards für neue und überarbeitete Bebauungspläne gelten. Gerade begonnen hat der Prozess zur energetischen Quartierssanierung der sogenannten Vogelsiedlung. Dort sollen Hauseigentümer dabei unterstützt werden, die Energiebilanz der Gebäude aus den 50er- und 60er-Jahren zu verbessern. Zu den Angeboten gehören kostenfreie Beratungsleistungen und die Vermittlung günstiger Kredite über Förderprogramme des Landes Niedersachsen. (GUT)