Aktuell besucht offenbar nur eine Minderheit der rund 350 dauerhaft in Bremen untergebrachten unbegleiteten minderjährigen Ausländer (Umas) eine Schule. Das ergibt sich zumindest indirekt aus der bislang veröffentlichten gemeinsamen Antwort des Sozial- und Bildungsressorts auf eine entsprechende Anfrage der CDU-Fraktion. Genannt wird darin nur die Zahl 20 von 74 für die Schule angemeldeten Jugendlichen, die zwischen Juni und Oktober dieses Jahres tatsächlich einen Schulplatz erhalten konnten. Da das Merkmal „unbegleiteter minderjähriger Ausländer (Uma)“ statistisch bei der Senatorin für Kinder und Bildung nicht erfasst werde, können keine spezifischen Aussagen zu Schulanmeldezahlen, Abschlüssen oder der Ausbildung getätigt werden, heißt es zur Begründung.
Es wird zugleich generell klargestellt, dass angesichts der erschöpften Kapazitäten in den Vorkursen und im Regelsystem Schulplätze fehlen. Ähnlich auch die Einlassungen von Sozialstaatsrat Jan Fries (Grüne) in der jüngsten städtischen Sozialdeputation: „Das Aufnahme-System ist am Limit und vielfach schon darüber hinaus.
Hinzu kommen nach Darstellung der CDU-Opposition Reibungsverluste zwischen den beiden beteiligten Ressorts. So würde das Jugendamt, nach Angaben von Sprecher Bernd Schneider, in seiner Rolle als Amtsvormund der Umas seine Schützlinge gerne so früh wie möglich zum Schulbesuch anmelden. „Das kann im optimalen Fall rund drei Wochen nach ihrer Ankunft passieren, wenn ihre Registrierung und das Verfahren der Erstaufnahme so weit abgeschlossen ist, dass wir die Schulpflicht feststellen können“, erläuterte Fries in der Deputation.
Das Bildungsressort indes akzeptiert die Anmeldung offenbar erst, wenn eine dauerhafte Unterbringung der jugendlichen Flüchtlinge gewährleistet ist, um von Beginn an eine gewisse Kontinuität in den Schulbesuch zu bringen und unnötige Schulwechsel zu vermeiden. Diese belasteten Schüler und Schulen gleichermaßen. So lange die Jugendlichen in einer Einrichtung der Erstaufnahme untergebracht sind, ist damit ein Schulbesuch ausgeschlossen. Im besten Fall bedeutet das, zwischen Ankunft in Bremen und Schulbesuch vergehen etwa neun bis zehn Wochen, in der Praxis dauert es aber häufig sehr viel länger.
Ähnliche Diskussionen haben Sozial- und Bildungsressort bereits 2016 geführt, als ebenfalls eine große Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in Bremen versorgt werden musste. Damals galt zeitweise eine Anmeldung der Jugendlichen beim Stadtamt als Voraussetzung für einen Schulbesuch. Die beiden Ressorts haben sich seinerzeit gegenseitig für Verzögerungen bei den zugehörigen Registrierungs- und Verwaltungsverfahren verantwortlich gemacht. „Es zeigt sich, dass man offenbar keine großen Lehren aus diesen Erfahrungen gezogen hat“, kommentiert Yvonne Averwerser, bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. Sie fordert eine bessere Zusammenarbeit.
Zugleich räumt sie ein, dass die Dimension der Aufgabe so groß sei, dass mutmaßlich jede Verwaltung damit überfordert sei. Seit Jahresbeginn sind unterm Strich inklusive der Umas rund 2000 schulpflichtige Kinder und Jugendliche als Flüchtlinge in Bremen untergekommen. „Die bringt man nicht einfach so in das bestehende Schulsystem.“ Umso mehr sei daher eine pragmatische Herangehensweise gefragt, etwa Schulungsangebote und Sprachkurse bereits in den Einrichtungen der Erstaufnahme.
Laut Bildungsbehörde soll das bald geschehen. „Bis vor ein paar Wochen haben wir die Lage als herausfordernd, aber bewältigbar eingeschätzt“, sagt Aygün Kilincsoy, Sprecher der Bildungssenatorin. Das Bildungsressort verweist auf insgesamt rund 1200 Schulplätze, die seit Anfang des Jahres für Flüchtlinge neu geschaffen wurden. Durch 50 zusätzliche Vorkurse sei eine Kapazität für 704 Schüler entstanden. Hinzu komme der Ausbau von Willkommensschulen an bisher zwei Standorten mit weiteren 435 Schulplätzen. Nach den Herbstferien wurde eine weitere Willkommensschule mit 75 Schulplätzen eröffnet.
Seit September sind laut Kilincsoy aber mehr schulpflichtige Flüchtlinge angekommen als erwartet. Das habe die Kapazitäten, die ohnehin an ihrer Grenze waren, endgültig überfordert. In einem „riesigen Kraftakt“ werde daher gerade in der ehemaligen Berufsschule für den Großhandel, Außenhandel und Verkehr (GAV) in der Elmer Straße eine komplett neue Schule aufgebaut. Sie soll vorübergehend Kindern und Jugendlichen aller Nationalitäten einen Schulplatz bieten. Hierfür würden aktuell Schulleiter und Lehrkräfte gesucht. „Wir gehen aktuell davon aus, dass wir hier innerhalb der nächsten Wochen eine komplett neue Schule aus dem Boden gestampft bekommen, die in der Lage ist, die bis dahin noch nach Bremen Geflüchteten aufzunehmen“, sagt Kilincsoy. Die Schule werde zudem nach dem Konzept der Hausbeschulung für Erstaufnahmeeinrichtungen arbeiten. Damit steht der Spracherwerb für den Alltag im Vordergrund.