Vegesack. Mit einem Unterwassermikrofon zeichnet die Walforscherin Nan Hauser die Gesänge der Buckelwale auf. Sie fischt Hautteilchen aus dem Meer, die sich vom Körper der riesigen Meeressäuger lösen, wenn sie aus dem Wasser auftauchen. Fünf bis sechs Monate im Jahr lebt die US-Amerikanerin auf den Cookinseln im Südpazifik, um den Bestand der Buckelwale zu dokumentieren, ihr Verhalten zu beobachten und Informationen über ihre Wanderrouten zu sammeln. Unterstützt wird sie dabei von Studenten der Meeresbiologie aus aller Welt.
Alexandra Sorgenicht hat die „Wal-Lady“, wie sie von der einheimischen Bevölkerung genannt wird, mehrere Wochen begleitet und in einem Film porträtiert. Gezeigt wurde „Nan Hauser – Wege der Wale“ im Sommer im Rahmen der Dokumentationsreihe „Frauen und Ozeane“ auf Arte. Jetzt präsentierten Nan Hauser und Alexandra Sorgenicht den Film im Vegesacker Geschichtenhaus. Anschließend hatten die Besucher Gelegenheit, der Walforscherin Fragen zu stellen und mit ihr zu diskutieren.
„Nachdem der Film im Fernsehen lief, haben wir viele positive Rückmeldungen und auch Spenden erhalten. Wir möchten gern einige der Leute treffen, denen die Wale am Herzen liegen“, begründet Nan Hauser ihren Besuch. „Und natürlich möchten wir auch unsere Botschaft verbreiten. Denn jeder kann etwas dafür tun, um die Grausamkeit zu stoppen und die Wale zu schützen. Wenn man zusammenarbeitet, hat man mehr Power“, betont sie. Insgesamt sind 15 Vorführungen vorgesehen, bei denen die Walforscherin und die Filmemacherin persönlich anwesend sind, unter anderem auch in Köln, Kiel und Amsterdam.
Wale und Delfine faszinieren Nan Hauser seit ihrer Kindheit. Schon damals hat sie das Leid erkannt, das den Tieren angetan wird. Und sie wusste: „Der Schutz der Wale ist meine Mission.“ Dabei geht sie einen gewaltfreien Weg: Sie setzt auf Aufklärung und wissenschaftliche Forschung. „Meine persönliche Philosophie ist es, mit liebevollen Mitteln zu kämpfen“, erklärt sie. Seit den 1980er-Jahren dokumentiert sie die Bestände der Meeressäuger im Südpazifik. Vor 20 Jahren gründete sie auf den Cookinseln das „Center for Cetacean Research and Conservation“ – eine Einrichtung, die sich der Erforschung und dem Schutz der Wale verschrieben hat.
Die Forschung ist notwendig, um geeignete Schutzstrategien für die Wale zu entwickeln. 13 000 Buckelwale wurden rund um die Cookinseln in den 1950er- und 1960er-Jahren von sowjetischen Walfängern abgeschlachtet. Dabei wurden ganze Walfamilien ausgelöscht und das erlernte Wissen der Tiere um die Wanderrouten ging zu einem großen Teil verloren, heißt es in dem Film. Nan Hauser schätzt, dass damals nur ein Viertel der Population überlebt hat. Noch immer sind die Buckelwale vom Walfang und durch den industriellen Fischfang mit sogenannten Longlines bedroht.
Nan Hausers Liebe zu den Walen ist so groß, dass sie sogar ihr Leben aufs Spiel setzt. Als sie eineinhalb Jahre alt war, zog sie sich bei einem Sturz schwere Schädelverletzungen zu und leidet seitdem unter Epilepsie. Dennoch taucht sie ohne Sauerstoffflaschen, um die Tiere nicht zu beunruhigen, wenn sie sich ihnen nähert. Sie weiß, dass ihre Erkrankung es für sie besonders gefährlich macht, unter Wasser so lange die Luft anzuhalten. „Aber ich möchte diese Begegnungen auf keinen Fall missen“, sagt sie.
Um mehr über die Buckelwale und ihre Bewegungsmuster zu erfahren, versieht sie die Tiere mit einem Satellitensender. „Dieses sogenannte Tagging ist für die wissenschaftliche Arbeit besonders wichtig“, erläutert sie. „Wir erhalten dadurch wertvolle Informationen über die Wanderrouten. So haben wir beispielsweise herausgefunden, dass sich die Wale auf bestimmen Linien bewegen, von denen sie noch nicht einmal um ein Grad abweichen.“
Nan Hausers Engagement und die von ihr gesammelten Daten haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Region rund um die Cookinseln zum Walschutzgebiet erklärt wurde. Sie fährt mit den Einheimischen hinaus aufs Meer, damit sie die Wale aus der Nähe sehen können und eine Beziehung zu ihnen aufbauen. Auf diese Weise werden sie sich ihrer Verantwortung bewusst.
Palmen, weiße Strände, türkisblaues Meer: Auf den ersten Blick scheinen die Cookinseln und Vegesack keine Gemeinsamkeiten zu haben. Und doch gibt es Parallelen. Denn an beiden Orten spielte der Walfang einst eine bedeutende Rolle. Der Walfang und die Welt der Meeressäuger gehören auch zu den zentralen Themen, mit denen sich das Vegesacker Geschichtenhaus nach der Eröffnung befassen wird. Nan Hauser kann sich vorstellen, hier auch Ausstellungsstücke ihres Walmuseums zu zeigen, das sie im Jahr 2000 auf Rarotonga, der Hauptinsel der Cookinseln, gegründet hat. Dort werden zum Beispiel Exponate präsentiert, die aus den Wracks von Walfängerschiffen stammen, aber auch Fossilien und Knochen verschiedener Walarten.