An diesem Montag werden wieder Altkleider gesammelt, die gutgläubige Bürger an den Straßenrand gestellt haben. Um Menschen zu helfen und die Umwelt zu schonen. Das zumindest verheißen Handzettel, die am Freitag in den Briefkästen vieler Bewohner im Viertel landeten und in ähnlicher Weise zurzeit vermehrt in ganz Bremen kursieren.
Auf den Zetteln prangt oft ein großes weißes Kreuz auf rotem Grund sowie ein kleines Herz als „Dank für Ihre Mithilfe“. „Keine Werbung“, ist darauf zu lesen, und diese Erklärung: „Wir sind eine Initiative, die arbeitslosen Menschen wieder zu einem Vollzeitarbeitsplatz verholfen hat.“ Verantwortlich sei ein gewisses Sammelbüro Bremen. Doch eine Kontaktadresse sucht man vergebens. Unter der angegebenen Mobilfunknummer erklärt eine automatische Stimme: Der Teilnehmer ist nicht erreichbar.
Auf anderen Zetteln ist ein großes Herz zu sehen, darüber zwei reichende Hände und die Worte: „Hand in Hand der Umwelt zuliebe“. Als Verantwortlicher wird das Sammelzentrum Weyhe genannt. Diesmal heißt es am Telefon: „Die gewählte Nummer ist nicht vergeben.“
Lübbo Roewer, Sprecher des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Bremen, kennt solche Zettel nur allzu gut: „Bei uns beschweren sich immer wieder Bürger, weil ihre Altkleider nicht abgeholt werden.“ Dabei habe das DRK mit der Sammlung gar nichts zu tun. „Uns ärgert, dass die Sammler offenbar den Eindruck erwecken wollen, als seien sie vom Roten Kreuz“, sagt Roewer. Doch gegen ein weißes Kreuz auf rotem Grund lasse sich rechtlich nichts machen.

Lübbo Roewer vom DRK
Verärgert ist auch Silke Ulrich, Bremer Sprecherin der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Schon vor drei Jahren seien ähnliche Zettel im Umlauf gewesen, die an das Herz-Logo der AWO erinnerten. „Wir verwehren uns dagegen, mit solchen dubiosen Sammlern in Zusammenhang gebracht zu werden“, sagt Ulrich. Zwar habe ihr Verband vor etwa acht Jahren tatsächlich eine Kooperation mit einem Sammelzentrum Weyhe gehabt, diese aber wegen Unstimmigkeiten nach kurzer Zeit beendet. Wer hinter den jetzigen Sammlern steckt, wisse sie nicht.
Kaum mehr weiß auch die Umweltbehörde, bei der sämtliche Altkleidersammlungen – ob per Container oder Abholung – angegeben werden müssen. „Die sind in keiner Weise genehmigt“, sagt der zuständige Referent Dietmar Bothe über die rätselhaften Aufrufe. Auch er habe in den vergangenen Monaten vermehrt Hinweise auf illegale Sammlungen erhalten, etwa aus Findorff, Schwachhausen und Gröpelingen. Von Polizei und Stadtamt bislang unbestätigt: Vor Kurzem soll ein illegaler Sammler geschnappt und mit einem Bußgeld bedacht worden sein. Den verbotenen Sammelaufrufen indes tut das keinen Abbruch.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Behörde mit illegalen Sammlern konfrontiert sieht. Vor anderthalb Jahren wurde bekannt, dass in Bremen ohne Erlaubnis zig Altkleidercontainer aufgestellt wurden. Seit Mitte 2012 das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz in Kraft trat, hätten sich bei der Behörde 37 Sammler gemeldet, berichtet Bothe. Nur elf von ihnen haben eine Erlaubnis bekommen, 15 waren für Rückfragen nicht erreichbar und elf weitere erhielten wegen Unzuverlässigkeit ein Verbot.
Es sei der Profit, der immer wieder illegale Altkleidersammler aktiv werden lasse, erklärt Stefan Voigt, Leiter der Abteilung Wareneinkauf beim Textilrecycler East-West bei Bremerhaven. So wie die Eno im Auftrag der Stadt Bremen Altkleider sammelt, macht auch East-West damit Geschäfte. Etwa 100 Mitarbeiter seien am Hauptsitz der Firma beschäftigt, wo eine große, moderne Sortieranlage betrieben wird, sagt Voigt. Etwa die Hälfte der Textilien, die East-West überwiegend mit Containern in ganz Deutschland sammelt, werde zu Putzlappen oder etwa Auto-Dämmmaterial verarbeitet. Die andere Hälfte werde in den Firmendependancen in Chile, Kenia, der Ukraine oder Türkei als Secondhand-Kleidung verkauft. Gerüchten, dass dies der Textilindustrie vor Ort schade, widerspricht sogar der Verband FairWertung, dem viele Wohlfahrtsorganisationen angehören. Für die heimische Textilproduktion in Afrika sei die asiatische Billigkonkurrenz viel schädlicher, heißt es von FairWertung. Stattdessen sichere der Handel mit europäischer Secondhand-Kleidung vielen Menschen Arbeit und Einkommen.
Wo landen all die Altkleider, die derzeit illegal in Bremen gesammelt werden? Stefan Voigt von East-West kann darüber bloß spekuliert: „Vermutlich werden sie außer Landes gebracht. Das bedeutet lange Fahrwege und Reinigungen ohne deutsche Umweltstandards.“ Geholfen ist mit den vermeintlich wohlmeinenden Sammlungen also bloß dem Geldbeutel der Betrüger.
Wer will, dass seine Altkleider Hilfsbedürftigen vor Ort zugutekommen, der sollte sie gewaschen und sortiert an die Kleiderkammern der Wohlfahrtsorganisationen spenden. Auch diese verkaufen übrigens unbrauchbare Kleidung an kommerzielle Textilrecycler weiter, bestätigen DRK und Caritas. Doch der Erlös fließe zurück in die ehrenamtliche Sozialarbeit.
Spenden an Kleiderkammern
◼ Innere Mission: „Anziehungspunkt“, Blumenthalstraße 10, Annahme montags bis donnerstags, 8.30 bis 16.30 Uhr, freitags, 8.30 bis 14.30 Uhr. Abholungen können beantragt werden mittwochs zwischen 10 und 12 Uhr unter Telefon 349 67 35.
◼ DRK: Caroline-Kettler-Haus, Hastedter Heerstraße 250, Annahme montags bis freitags, 8 bis 18 Uhr. DRK-Haus, Meinert-Löffler-Straße 15, Annahme montags bis freitags, 8 bis 18 Uhr.
◼ Caritas: „Kleiderei“ im Rosenak-Haus im Schnoor, Kolpingstraße 7, Annahme montags bis freitags, 9 bis 12 Uhr. Caritas-Zentrum Bremen, Georg-Gröning-Straße 55, montags bis donnerstags, 8.30 bis 16 Uhr.
◼ AWO: In vielen Übergangswohnheimen für Flüchtlinge gibt es eigene Kleiderkammern, unter anderem: Arbergen, Gröpelingen, Vahr, Klinikum Mitte, Hastedt.