Auf der letzten Kreuzfahrt der Lakonia vor dem Weihnachtsfest 1963 arbeitete der Bremer Rüdiger Brüggemann als Chef-Drucker. In der Bord-Druckerei wurden die Speisekarten mit einzelnen Buchstaben gesetzt. Für jeden Lunch und jedes Dinner gab es edle Karten. Damals war das tägliche Drucken der Speisekarte eine langwierige Angelegenheit.
Der Bremer Eckhard Scherf war Zahlmeister auf dem Schiff. Beinahe hätte er die Abfahrt der Lakonia in Southampton, England, verpasst. Mit seinem Freund und Kollegen Günter Schaack sprang er in letzter Minute an Bord. Glück, im ersten Moment.
Die Lakonia erreichte ihren ersten Zielhafen Madeira nicht. In der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember 1963, vor Madeira, gab es einen Kurzschluss im Friseursalon. Das Feuer breitete sich aus, 131 Menschen starben bei dem Versuch, das Schiff zu verlassen.
Feueralarm
Eckhard Scherf saß mit seinem Kollegen Schaack im Kino der Lakonia, als der Film unterbrochen wurde. Feueralarm. „Wir dachten uns dabei nicht viel, vielleicht eine Übung. Wir sind auf unsere zugeteilten Plätze gegangen – jeder von uns hatte ja eine Aufgabe bei Feueralarm“, erzählt Scherf. Sein Platz war relativ weit hinten an Bord. Dort wartete er.

Eckhard Scherf hatte Glück: In einem Rettungsboot entkam er der Lakonia.
Weiter vorne breitete sich das Feuer schnell aus. Der Drucker Brüggemann half mit, Rettungsboote zu Wasser zu lassen. Doch die Boote ließen sich nur schwer abseilen. Eines kippte, die Insassen fielen in das kalte Meer. Auch Brüggemann landete im Wasser. „Man konnte nicht vom Schiff wegschwimmen“, sagt er. „Ich versuchte es. Aber es bildete sich ein Pulk von Menschen im Meer, die wieder und wieder zusammengetrieben wurden.“ Brüggemann schwamm zurück an Bord.
Auf Scherfs Posten war es immer noch ruhig, aber er bemerkte den Rauch in der Luft und lief nach vorne. „Da erst sah ich die herumlaufenden Menschen, das Feuer.“ Seine eigene Schwimmweste wurde er schnell los, als ihn eine ältere Frau fragte, wo es denn noch Rettungswesten gebe. Sie habe keine. Scherf wusste, wo noch weitere Westen lagen, aber auch seine neue Weste gab er einer Frau, die keine hatte. Als Scherfs Chef seinen Mitarbeiter ohne Weste sah, befahl er ihm, in eines der Rettungsboote zu steigen. Für Scherf bedeutete die Anweisung die Rettung.

Rüdiger Brüggemann verbrachte die Unglücksnacht auf der brennenden Lakonia.
Brüggemann hingegen kam nicht mehr von der Lakonia fort. Vom Meereswasser unterkühlt, suchte er sich an Bord eine Stelle nah am Feuer, wo warmes Löschwasser war. Er wartete bis zum Morgen, wusste nicht, ob das Schiff untergehen würde.
Langer Weg bis zur Rettung
Andere Schiffe waren zwar mittlerweile vor Ort – doch sie hielten einen Sicherheitsabstand von sieben Kilometern. Fehlinformationen hatten sich verbreitet: Die Lakonia drohe zu explodieren. Brüggemann: „Unvorstellbar. Das ist so, als wenn ich in Bremen-Mitte bin, und in Gröpelingen ist meine Rettung. Diese Distanz kann ich nicht schwimmen.“ Am nächsten Morgen wurde Brüggemann gerettet, ein amerikanisches Flugzeug ließ eine Luftinsel aufs Wasser.
Rüdiger Brüggemann schrieb seine Erinnerungen noch auf dem Rettungsschiff auf. Er legte sich in eine der Kabinen, doch er musste etwas tun, er wollte alles festhalten. Der Bremer holte sich eine Rolle Toilettenpapier – das war alles, was er finden konnte. Die Rolle schrieb er mit seinen Erinnerungen voll.
50 Jahre später: Erst vor Kurzem tippte Brüggemann seine aufgeschriebenen Erinnerungen ab. Sechs Din-A4-Seiten sind es. Die Original-Rolle hat es ins Museum geschafft: In einer Sonderausstellung des Historischen Museums Bremerhaven ist sie ausgestellt. Neben ihr: der Kabinenschlüssel von Eckhard Scherf, den er bei seiner Rettung dabei hatte. Für die bis März laufende Lakonia-Ausstellung hat das Museum Zeitzeugen gesucht, die ihre Erinnerungsstücke zeitweise abgeben.
Wertvolle Erinnerung
So nah die beschriebene Rolle und der Schlüssel im Museum auch liegen: Scherf und Brüggemann trafen sich zum ersten Mal persönlich für das Gespräch mit unserer Zeitung. Auch auf der Lakonia haben sie sich nicht gekannt.
Eckhard Scherf hat vieles aufbewahrt von dem Kreuzfahrtschiff. Zeitungsartikel und Fotos hat er sauber ausgeschnitten und auf weißes Papier geklebt. Er hat Fotos von der Lakonia, als sie noch heil und schön war. Ein Bild seines Chefs von damals liegt in einer Plastikhülle. Viele Erinnerungen. Mit seinem Kollegen Schaack blieb er jahrelang befreundet, bis zu dessen Tod. Die Uniform, die er auf der Lakonia trug – die hat Scherf allerdings dann doch wegschmissen. „Man kann ja nicht alles aufbewahren“, sagt er. Aber er sagt es so, als hätte er am liebsten doch alles behalten.