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Verkehrsdaten Nutzen viele Bremer das Auto aus Bequemlichkeit?

Wie eine Analyse von Verkehrsdaten zeigt, nutzen viele Bremer morgens auch für kurze Strecken das Auto. Innenstadtfahrten machen den Großteil dieser Pkw-Bewegungen aus. Was sich jetzt laut Experten ändern muss.
23.05.2022, 05:00 Uhr
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Nutzen viele Bremer das Auto aus Bequemlichkeit?
Von Patrick Reichelt
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Zehntausende Bremer pendeln täglich zur Arbeit – viele nutzen offenbar auch für sehr kurze Strecken innerhalb der Stadt das Auto, wie eine Auswertung von Daten des Navigationsanbieters Tom-Tom nahelegt. Demnach dauern Fahrten in den Morgenstunden oft nur zwischen fünf und zehn Minuten; die Mehrheit ist nicht länger als fünf Kilometer unterwegs – oft sind die Wege nur ein bis zwei Kilometer lang. Als Grundlage der Analyse dienen fast zehn Millionen einzelne Autofahrten aus dem vergangenen Jahr, die in der verkehrsreichen Zeit von 6 bis 10 Uhr stattfanden. 

Wie zahlreich sind innenstädtische Fahrten?

Der überwiegende Teil der allmorgendlichen Fahrten (63,5 Prozent) begann und endete in Bremen, 32 Prozent fuhren ins niedersächsische Umland, gut vier Prozent zog es noch weiter. Auffällig ist den Daten zufolge, dass sich viele Menschen morgens nur innerhalb ihres Stadtteils mit dem Auto bewegen. In Blumenthal finden zum Beispiel mehr als 50  Prozent aller morgendlichen Fahrten ­innerhalb der Stadtteilgrenzen statt. Ähnlich sieht es in Borgfeld, Oberneuland und Huchting aus. In kleineren Stadtteilen mit guter Anbindung an den Nahverkehr sind die Zahlen niedriger: In Findorff beginnen und enden morgens gut 19 Prozent aller Fahrten im eigenen Stadtteil, in Mitte knapp 14 Prozent.

Die Analyse der Daten von Tom-Tom konzentriert sich auf den morgendlichen Autoverkehr, der den größten Anteil am täglichen Berufsverkehr hat. 44 Prozent der Bremer nutzen laut Arbeitnehmerkammer zu ihrem Arbeitsort in der Stadt das Auto. Dahinter folgt das Fahrrad mit 28 Prozent. Auf Platz drei ist der öffentliche Verkehr (23 Prozent), vier Prozent geht zu Fuß.

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Warum ist das Auto Verkehrsmittel Nummer eins?

Derzeit ist das Auto vor allem aufgrund der nachweisbaren Zeitersparnis für viele das Verkehrsmittel der Wahl. Laut einer Auswertung des Mobility Institute sind Autofahrer in Bremen durchschnittlich mehr als doppelt so schnell am Ziel wie Menschen, die öffentliche Verkehrsmittel nutzen.

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Welche Stadtteile werden besonders von Pendlern frequentiert?

Nach Stuhr fahren morgens mit zwölf Prozent aller Umlandfahrten die meisten Menschen aus Bremen, gefolgt von Achim, Delmenhorst und Oyten. Umgekehrt ist es ähnlich: Die meisten Einpendler kommen aus Stuhr, gefolgt von Delmenhorst und Achim.

Hemelingen ist mit Abstand der am häufigsten angefahrene Stadtteil – sowohl von Menschen innerhalb Bremens als auch aus dem Umland. Der Grund liegt auf der Hand: Im Hemelinger Ortsteil Sebaldsbrück befindet sich mit dem Mercedes-Werk einer der größten Arbeitgeber der Region. Bei Fahrten innerhalb Bremens folgen auf den weiteren Plätzen die Neustadt und Horn-Lehe. Menschen aus dem Umland steuern ebenfalls die Neustadt häufig an, gefolgt vom Hafen.

Wie wirkt sich der Berufsverkehr auf das Klima aus?

22,4 Prozent der klimarelevanten Emissionen des Personenverkehrs entfallen auf das Berufspendeln – diese lassen sich laut der Denkfabrik Agora Verkehrswende fast vollständig dem Autoverkehr anlasten. Dazu verbrauche Pendeln mit dem Auto wesentlich mehr Fläche als Pendeln mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Fahrrad oder zu Fuß. Die Agora Verkehrswende fordert deshalb eine grundlegende Trendwende. „Pendlerinnen und Pendler brauchen von der Politik nicht immer neue finanzielle Entlastungen, sondern einen Plan, wie sie zukünftig klimafreundlich zur Arbeit kommen können“, sagte Direktor Christian Hochfeld.

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Wie könnte das Pendeln künftig aussehen?

Wenn es nach den Verkehrsexperten geht, könnte die Zukunft des Pendelns so aussehen: weniger mit dem Auto, viel mehr mit Bussen und Bahnen oder bei kürzeren Strecken mit dem Fahrrad. Neben On-Demand-Angeboten sind laut Carsten-Wilm Müller, Professor für Verkehrswesen an der Hochschule Bremen, auch autonom fahrende Mini-Busse künftig denkbar.

Welche Maßnahmen kommen dafür infrage?

Denkbar ist laut Experten eine City-Maut, ein generelles Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde innerorts – und weniger kostenfreie Parkplätze. Die Pendlerpauschale soll laut den Studienautoren in ein Mobilitätsgeld umgewandelt werden, die Kfz-Steuer stärker an den CO2-Emissionen orientiert werden.

Zentraler Hebel sei zudem ein massiver Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, etwa durch eine höhere Taktung. Daneben gehe es darum, leistungsfähige Nahverkehrs­achsen zu ergänzen – zum Beispiel durch Quartiersbusse und Fuß- und Radverkehrsangebote, um auch die erste und letzte Meile von Strecken unabhängig vom Auto zurücklegen zu können: „Wenn diese Tür-zu-Tür-Mobilität nicht gewährleistet werden kann, wird im schlechtesten Fall die komplette Pendelstrecke mit dem Auto zurückgelegt“, so die Autoren in einem Fazit.

Deutliche Verlagerungseffekte könnten laut der Studie der Agora Verkehrswende nur dann erreicht werden, wenn ein Maßnahmen-Mix Instrumente enthalte, die die Nutzung des Autos auf dem Weg zur Arbeit unattraktiv machten, heißt es: "Nur wenn die Pendelnden für die tatsächlichen Kosten für Autobesitz und Autonutzung aufkommen müssen, wird ein Umstieg auf alternative Verkehrsmittel in Erwägung gezogen." 

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Datengrundlage

Für den Artikel hat der WESER-KURIER Verkehrsdaten des niederländischen Karten- und Navigationsspezialisten Tom-Tom ausgewertet. Die Daten wurden dabei auf das typische Szenario des morgendlichen Berufsverkehrs eingegrenzt: So flossen alle gemessenen Fahrten in die Auswertung mit ein, die im vergangenen Jahr zwischen 6 und 10 Uhr an Werktagen stattgefunden haben. Feiertage, Wochenenden und die Ferienzeiten wurden herausgerechnet. 

Grundlage sind anonymisierten GPS-Daten von Fahrzeugen, die Teil des Verkehrsgeschehens sind, beziehungsweise waren. Sie berücksichtigen sowohl Fahrten von professionellen Kraftfahrern als auch berufliche und private Fahrten. Die Anonymität wird laut Tom Tom unter anderem dadurch garantiert, dass nur einzelne "GPS-Schnipsel" gespeichert werden. Nutzer müssen ausdrücklich in die Verwendung der Daten einwilligen (Opt-in-Verfahren).

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