In der Innenstadt laufen die Vorbereitungen für den Abriss des Parkhauses Mitte – beim Klinikum Mitte geschieht gerade das genaue Gegenteil: Dort ist ein mit 1050 Plätzen sogar noch etwas größeres neues Parkhaus geplant. 568 Autos werden Prognosen zufolge von dort aus allein in der Spitzenstunde am Nachmittag auf Höhe des Ärztehauses auf die Sankt-Jürgen-Straße fahren. Klar ist: Der Verkehr rund um das Klinikum Mitte und das Neue Hulsberg-Viertel – insbesondere auf der Sankt-Jürgen-Straße und der Friedrich-Karl-Straße – wird mit der Entwicklung des Areals zunehmen. Gutachter Daniel Seebo von der Firma SHP-Ingenieure zufolge wird er aber, zum Beispiel durch verbesserte Ampelschaltungen, dennoch weiterhin gut fließen können.
Allerdings nur dann, wenn auch aktiv etwas dafür getan wird, dass mehr Menschen vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad umsteigen. Neben einer Verbesserung der Anbindung etwa per Bus bis aufs Klinikgelände ist hier vor allem Klinikbetreiber Gesundheit Nord (Geno) als größter „Verkehrserzeuger“ in dem Areal gefragt, entsprechend auf sein Personal einzuwirken. Das wurde nun auf der Sitzung des Beirats Östliche Vorstadt deutlich, der sich noch einmal intensiv mit der Verkehrssituation rund um das Gelände beschäftigt hat.
Geno ist am Thema dran
Schon jetzt fördere die Geno per Job-Ticket und durch andere Maßnahmen ein Umdenken bei ihren Beschäftigten, sagt dazu Geno-Chefin Dorothea Dreizehnter: „Wir kennen die wesentlichen Eckpunkte und arbeiten an jedem einzelnen Punkt. Wir legen da jetzt noch mal richtig Speed rein und bewerben die verschiedenen Aktionen.“ Klar sei aber auch: „Wir können natürlich niemanden zwingen, letztendlich ist das immer freiwillig.“ So sei es gerade für Mitarbeitende aus dem Umland im Schichtbetrieb nicht immer ganz einfach, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. „Bei der Spätschicht und Nachtschicht sind wir darauf angewiesen, dass das Angebot auch so gut ausgebaut ist, dass man auch hin- und wieder wegkommt.“ Nicht zu vergessen die Patienten und Besucher, die täglich ins Krankenhaus kommen – wie können die Öffis auch für sie attraktiver werden? Was Dreizehnter in diesem Zusammenhang aktuell besonders zu schaffen macht: „Dass Taxis und Autos auf der Rechtsabbiegespur der Sankt-Jürgen-Straße halten müssen, ist nicht befriedigend. Das ist zu einem meiner Hauptthemen geworden.“
Bettenhaus-Initiative bemängelt Intransparenz
Ein zweiter Punkt, über den besonders emotional diskutiert wurde und zu dem die Meinungen stark auseinandergehen: die Zahl der im geplanten Klinik-Parkhaus benötigten Pkw-Stellplätze, die unter anderem mit Blick auf die Zusammenlegung der Klinikstandorte Mitte und Links der Weser von ursprünglich 900 auf 1050 erhöht wurde. Mit erheblichen Konsequenzen: Um genug Platz für ein Parkhaus dieser Größenordnung zu haben, soll das Bettenhaus (Haus 6) hinter dem Ärztehaus abgerissen werden. Dies möchte die „Initiative zum Erhalt des Bettenhauses“ um jeden Preis verhindern, die seit mehr als zehn Jahren für die Sanierung der Immobilie kämpft. Die von der Stadt genannten Gründe rechtfertigen ihrer Einschätzung nach nicht „den Abriss eines gut erhaltenen neunstöckigen Gebäudes, der große Mengen Graue Energie vernichten würde und das sich sehr gut für bezahlbares Wohnen für Studierende, Auszubildende und Mitarbeitende der Geno eignen würde“, so Peter Bargfrede, der die Initiative mitbegründet hat und weiter für den Bettenhaus-Erhalt kämpfen will. Er plädiert dafür, die zusätzlich benötigten 150 Parkplätze an anderer Stelle zu schaffen.
Seit Monaten versuchen er und seine Mitstreiter vergeblich, an Details und Zahlen zu kommen. "Ich bin irritiert darüber, wie intransparent Entscheidungen getroffen werden und wie wenig Protest es dagegen gibt", sagt Anne Mechels von der Initiative. "Wir stellen Fragen, die nicht beantwortet werden. Zum Beispiel wollen wir wissen, wie viel mehr Autos auf der Sankt-Jürgen-Straße fahren werden oder wie breit die Liegendzufahrt zur Notfallambulanz werden muss. Berechnungen zur Grauen Energie haben wir erst vor wenigen Tagen gesehen, für Nachfragen stand in der Sitzung dann niemand zur Verfügung."
Niels Weller vom Gesundheitsressort führt als wichtiges Argument für einen Bettenhaus-Abriss die Kosten an, die ein Planungsbüro für die Sanierung aufgerufen habe. Diese liegen demnach deutlich über der einst von der Initiative veranschlagten Summe von 18 Millionen Euro. Weller: „46 Millionen Euro – das sind mehr als 4200 Euro pro Quadratmeter Bruttogeschossfläche. Das ist Wahnsinn – nämlich 40 Prozent mehr, als normalerweise in dieser Größenordnung veranschlagt würde.“ Zum Thema Graue Energie – also der insgesamt für Herstellung, Transport und Entsorgung des Gebäudes aufgewendeten Energie – ist ihm zufolge ein Gutachten in Auftrag gegeben worden, das im Oktober vorliegen soll.
Beirat will den Stadtteil schützen
Dass die Verkehrssituation rund ums Klinikum Mitte und das Neue Hulsberg-Viertel schon jetzt schwierig ist, sieht auch der Beirat. „Wir haben große Sorge, dass unser Stadtteil durch zusätzliche Autos geflutet wird“, sagt Bianca Wenke (SPD). Für die Zukunft fordert der Beirat deshalb ein Mobilitätskonzept der Geno für ihre Beschäftigten, das „die Nutzung nachhaltiger Verkehrsmittel für den Arbeitsweg deutlich attraktiver macht.“ Sowie ein integriertes Verkehrskonzept, „das die verkehrlichen Belastungen und Gefährdungen für den Stadtteil reduziert.“ Außerdem müsse schnellstmöglich Bewohnerparken eingerichtet werden, unterstreicht Beiratssprecherin Carola Schirmer (Grüne) zur dritten Forderung der Ortspolitiker: „Um den Verkehr zu steuern, muss der Parkraum in den angrenzenden Quartieren durch Anwohnerparken bewirtschaftet werden.“ Die geplante Schaffung von Quartiersgaragen im Neuen Hulsberg-Viertel begrüßt die Mehrheit des Beirats dabei ausdrücklich.