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Ärger über illegale Graffit wächst "Es ist ein Drecksloch geworden"

Die illegalen Graffiti und Schmierereien sorgen bei Anwohnern für Ärger und Frust. Der Petitionsausschuss fordert vom Senat ein Gesamtkonzept gegen Farbvandalismus. Darauf bauen die Hauseigentümer.
06.10.2021, 16:40 Uhr
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Von Ulrike Troue

"Ich habe die Nase gestrichen voll", sagt Claudia Schnurbusch. Regelmäßig wird die 18 Meter breite Klinkermauer vor dem Wohngebäude am Leibnizplatz durch bunte Schmierereien  verschandelt. Schnurbusch nimmt ihrem Mann Karl-Friedrich, HNO-Arzt und Eigentümer der Immobilie, die Verwaltung und Instandhaltung des Mietobjekts ab. Und gerade die Instandhaltung gestaltet sich zu einem Dauerproblem. "Zurzeit wird die Wand alle vier Wochen wieder neu beschmiert", berichtet sie verärgert.

Und das ist in Bremen kein Einzelfall, der Ärger wächst (wir berichteten). Michael Berthold und seine Frau Silke haben vor knapp einem Jahr eine Petition mit 660 Unterschriften eingereicht. Er findet, die habe auch Erfolg gehabt. "Im Prinzip wurden alle unsere Forderungen bestätigt, das finden wir beachtlich", kommentiert Berthold die Ansage des Petitionsausschusses an die Bremer Politik. Der Ausschuss fordert in einem Papier den Senat auf, ein ressortübergreifendes Gesamtkonzept gegen illegale Graffiti zu verabschieden.

In diesem Jahr hat das Ehepaar Schnurbusch bereits 300 Euro für die umgehende Beseitigung der Wandschmiererei durch die Fachfirma Graffiticleaner ausgegeben. 2020 waren es rund 500 Euro. Und durch die Zusammenlegung der Polizeireviere sei es mittlerweile ein "enormer Aufwand", Anzeige zu erstatten, bemerkt Claudia Schnurbusch.

All dieser Anstrengungen sind die Eheleute überdrüssig. Beiden liegt ein gepflegter Gesamteindruck ihres Mietshauses an der zentralen Umsteigehaltestelle für zwei Straßenbahnlinien Richtung Bahnhof oder Flughafen sehr am Herzen. "Ich bin eine Frau der Tat", erklärt Claudia Schnurbusch und sieht  keine Alternative, als jetzt in die Offensive zu gehen. Sie hat einen Sprayer beauftragt, die Wand zu grundieren, darauf ein künstlerisches Graffitibild aufzubringen und nur die Farbwahl vorgegeben. Schnurbusch setzt darauf, dass der Ehrenkodex unter Sprayern noch Bestand hat, dass keiner das künstlerische Werk eines anderen anrührt. Sie hofft, dadurch von weiteren Farbattacken verschont zu bleiben und "dass die Menschen sich daran erfreuen".

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Sie sagt ganz offen: "Ich liebe die Neustadt, ich bin hier geboren, aber durch die vielen Schmierereien ist es ein Drecksloch geworden." Der rückwärtige Nachbar habe sich nicht einmal 14 Tage am frisch gestrichenen Giebel seines kleinen Häuschens erfreuen können, "da war der schon wieder beschmiert". Er versuche es nun mit Begrünung, sagt sie fassungslos. 

Auch Gerhard Bomhoff macht seinem Ärger Luft. "Ich möchte selber bestimmen, wie meine Hauswand aussieht", stellt er klar. Der Neustädter ärgert sich maßlos über illegale Sprayer, die regelmäßig die rote Klinkerwand bunt besprühten. "Weil es einfach nur schrecklich aussieht", sagt er – und weil er für die Farbentfernung über die Hausumlage zur Kasse gebeten wird.

Bomhoff, einst Vorsitzender des aufgelösten Vereins "Dein Werdersee", wohnt auf dem Teerhof. An der der Schlachte zugewandten Außenmauer der bebauten Weserhalbinsel prangt nur eine Wandmalerei. "Jeder Platz, der größer als ein Din A4-Blatt ist, wird bemalt", ereifert sich Bomhoff, "sogar der Laternenpfahl". Das 30 Meter lange, künstlerische Graffiti-Wandbild der israelischen Street-Art-Crew an der Wilhelm-Kaisen-Brücke gehe zwischen den Schmierereien unter, setzt der Neustädter sein Klagelied fort. Weil er das Ausmaß der illegalen Farbaufträge als unerträglich empfindet, hat er den Bürgermeister angeschrieben.

"Da hilft nur eins: Entweder drakonische Strafen oder sofort entfernen, denn dadurch wird signalisiert, es guckt einer und das wird teuer", steht für Bomhoff fest. "Jeder, der Schaden anrichtet, muss ihn auch begleichen", stimmt ihm Michael Berthold zu und sieht die Polizei stärker in der Pflicht der Strafverfolgung.

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Dass eine kleine Gruppe unwissender oder unbelehrbarer Jugendlicher sowie politisch motivierter Sprayer in Bremen ihr Unwesen treibe, sei für ihn ein Zeichen der Hilflosigkeit. Das Argument fehlender Mittel lässt der Neustädter nicht gelten. "Wenn es dem Senat an Ideen mangelt, sollte er einen großen runden Tisch einberufen", schlägt Berthold vor. Dann könnten Bürger, Unternehmer und Politiker gemeinsam ein abgestimmtes Gesamtkonzept erarbeiten und umsetzen.

In europäischen Städten seien derartige Krakeleien längst verschwunden, stellt der reisefreudige Neustädter fest und nennt Amsterdam als Beispiel. Dort seien in kurzer Zeit großflächig illegale Farbaufträge beseitigt worden. Solch konsequentes Vorgehen habe Signalwirkung, ist er überzeugt. Darüber hinaus sei diese Art von Sachbeschädigung nach Bertholds Aussage aufgrund der verwendeten Farben größtenteils umweltschädlich, richte touristisch wie wirtschaftlich immensen Schaden an und verursache vermeidbare Kosten.

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