Anhänger von Donald Trump machen sich rar in Bremen. Eine Person zu finden, die sich öffentlich zu dem amerikanischen Präsidentschaftskandidaten bekennt, scheint schier nicht möglich zu sein. Selten hat ein US-Wahlkampf so polarisiert.
Auch Vertreter des Carl Schurz Deutsch-Amerikanischen Clubs oder die konsularische Vertretung der USA in Bremen machen niemanden ausfindig, der darüber spricht. Selten hat ein US-Wahlkampf so polarisiert wie der zwischen Hillary Clinton und Donald Trump. Vier Amerikaner in Bremen mit verschiedenen Hintergründen und unterschiedlichem Alter sprechen über den Kampf um das Weiße Haus. Alle vier haben bereits abgestimmt und sprechen über ihre Stimmung.

Lars Mehlhop-Lange (30)
Krieg in den Medien
Selbstverständlich habe er gewählt, per Briefwahl, sagt Lars Mehlhop-Lange. Er ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Der 30-jährige Redakteur hat Amerikanistik studiert, aber selbst nie in den USA gelebt. Seine Mutter stammt aus Boston, Massachusetts, wodurch er die doppelte Staatsbürgerschaft bekommen hat. Mehlhop-Lange denkt, dass es einen knappen Sieg der Demokraten geben wird, aus dem einfachen Grund, dass es immer noch knapp mehr Bürger gebe, die Trump für absolut ungeeignet halten. Er glaubt, dass die zahlreichen Affären der Kandidaten den Ausgang der Wahl kaum beeinflussen werden. „Das ist ein reiner Medienkrieg, den es schon bei vergangenen Wahlen gab – auch wenn er jüngst neue Höhepunkte erreicht hat“, so Mehlhop-Lange.
Er glaubt, dass sich Afro-Amerikaner und andere ethnische Minderheiten in diesem Wahlkampf kaum repräsentiert fühlen. Trump komme für die allermeisten Nicht-Weißen nicht infrage, Clinton gehöre ebenfalls zur „weißen Elite“, auch wenn sie natürlich ein deutlich größeres Verständnis für die soziale und wirtschaftliche Benachteiligung dieser Bevölkerungsgruppen habe. Wenn man den ganzen Medienzirkus ausblende und sich auf politische Kompetenzen konzentriere, werde klar, woher diese Auffassung rührt, das geringere Übel zu wählen.
„Clinton ist eine hochgebildete, erfahrene Politikerin, die jedoch Teil eines korrupten Wahlsystems ist. Trump hat keinerlei politische Erfahrung oder Kompetenz und ist zusätzlich korrupt, rassistisch und sexistisch – und meist pleite. Für mich als Demokrat ist das kleinere Übel in Wahrheit ein Gewinn“, beschreibt Mehlhop-Lange. Und er glaubt auch, dass ein Erfolg von Trump die Gesellschaft noch stärker spalten würde als bisher.
Ein Kulturschock
Für Loren Lang ist es ein regelrechter Kulturschock, wenn er die politische Situation in Amerika betrachtet. Lang lebt seit 1975 in Deutschland, ursprünglich kommt er aus Bellingham, einer Stadt im Nordwesten des US-Bundesstaats Washington. Seit 1989 wohnt der Bass-Bariton und Kammersänger am Theater Bremen in der Hansestadt.
Im Sommer reiste er durch die Staaten, war in Nord-Dakota und Kalifornien. „Die Demokraten und Republikaner liegen sehr weit auseinander und blockieren sich gegenseitig“, sagt der 63-Jährige. Die zwei feindlichen Lager gingen keine Kompromisse ein, wodurch sich das Land in einem Stillstand befinde. Er habe bereits abgestimmt, Hillary Clinton bekam seine Stimme. Denn: „Trump hat sich mit seinen rassistischen und fremdenfeindlichen Äußerungen längst disqualifiziert.“ Allerdings habe Trump Anhänger und Wähler in allen Gesellschaftsschichten – ganz egal, ob Reiche, Arme oder Menschen aus der Mittelschicht. Diese Wähler hätten gemeinsam, dass sie unzufrieden sind mit dem, was in Amerika und Washington laufe. Dafür stehe vor allem Clinton. Allerdings ignorierten diese Menschen die Hasstiraden Trumps über Ausländer, Muslime und Mexikaner. Es sei vor allem heiße Luft, was durch die große Klappe von Trump verbreitet werde, er spiele mit der Angst der Menschen. Dass die Amerikaner das nicht sehen, sei vor allem ein Versagen des Journalismus. Medien, vor allem TV-Sender wie Fox News, hätten ihn für seine Aussagen härter kritisieren müssen. Stattdessen stehe Trump in einem akzeptablen Licht. „Der unsachliche, niveaulose und persönliche Wahlkampf war nicht gut für das Ansehen der USA in der Welt“, sagt Lang.
Selbst ein Fünfjähriger würde erkennen, dass der Choleriker Trump keine Führungspersönlichkeit sei, dem man die militärische Macht über Atomwaffen anvertrauen könne. Eigentlich dachte Lang, dass es einen klaren Wahlausgang für Clinton geben würde. Mittlerweile glaubt er nicht mehr daran. Er hofft nur noch.

Sharon Wichmann (71)
Schaumschlägerei
Eine Situation wie derzeit im US-Wahlkampf hat Michael Heine nach eigener Aussage noch nicht erlebt. Heine hat die doppelte Staatsbürgerschaft und ist als Speditionskaufmann viel rumgekommen. Der 54-Jährige ist in Indien geboren, kam aber im Alter von zwei Jahren nach Bremen. Seine Mutter ist Amerikanerin aus Seattle, wo er durch Urlaube und Highschool-Besuche auch selbst wiederholt war. Ende der 1980er-Jahre hat er für drei Jahre in New York gearbeitet. Heine findet es wichtig, dass die Bürger wählen. „Im Moment haben wir eine Patt-Situation, da muss man das geringere Übel wählen“, sagt Heine. Er bekomme mit, dass viele nicht wählen wollen, weil sie unzufrieden seien. Donald Trump hält er für unberechenbar, für einen, der raushaue, was er denke. „Trump ist ein Self-Made-Millionär, der keine Erfahrung in der Politik hat, ein Krawallmensch, der mit viel Schaumschlägerei arbeite. Der zwar mit einer schlauen Taktik Menschen anspreche, die unzufrieden seien, aber über sein Handeln nicht nachdenke.
Dabei gehe es vor allem im Inland viele Probleme: Arbeitslose, die schlechte soziale Absicherung, eine immer kleiner werdende Mittelschicht, Rassenunruhen oder viele Schießereien zählt Heine auf. „Es gibt derzeit so viele Brände, die kann man gar nicht alle löschen“, sagt er. Trump würde in diese Situation noch mehr Unruhe hineinbringen, ist sich der Bremer sicher. Vor allem, dass Trump ein Einreiseverbot und eine Registrierung der Muslime in den USA fordert, hält Heine für „absolut irre“. Er wünscht sich, dass zum ersten Mal eine Frau Präsidentin in Amerika werde.

Michael Heine (54)
Traum von Trump
Die 71-jährige Sharon Wichmann aus Tallahassee ist nervös. Die Bremen-Norderin kommt ursprünglich aus Florida, ist 1993 aber nach Deutschland gezogen. Vor drei Wochen hat sie bereits per Briefwahl ihre Stimme für die US-Wahl abgegeben. „Vor zwei Wochen habe ich noch gedacht, dass es eine klare Sache ist, nun wird das eine sehr knappe Entscheidung“, sagt Wichmann. Nun sei sie sehr angespannt. Die E-Mail-Affäre von Hillary Clinton verschwinde einfach nicht aus den Medien, und immer wieder kämen neue Sachen hervor. „Doch diese Probleme sind nicht so groß wie die von Donald Trump“, sagt Wichmann. Clinton sei im Gegensatz zu Trump kompetent, das Land zu regieren. Die Frau aus Bremen-Nord glaubt, dass die Wahlbeteiligung insgesamt steigen wird. Allerdings würden manche Farbige nicht mehr wählen gehen, da es nicht mehr um Barack Obama ginge. Das könnte für Clinton zum Nachteil werden.
Bei der Bewertung von Trump weiß Wichmann gar nicht, wo sie anfangen soll. Sie gehe davon aus, dass er als möglicher Präsident die Amtszeit nicht überstehen würde, da er nicht wisse, wie Politik und die Regierung funktionieren. Den Wahlkampf fand sie schrecklich. Eigentlich will Sharon Wichmann in der Wahlnacht ins Bett gehen. „Aber wahrscheinlich kann ich nicht gut schlafen und werde nachts vor den Fernseher gehen“, so Wichmann. Vor ein paar Tagen habe sie einen Alptraum gehabt: Sie träumte von Trump.
Election Day