Insgesamt 16 Stolpersteine wurden am Mittwoch in Bremen neu verlegt. Einer davon liegt in der Zeppelinstraße 36a. Neben Erwin Schweitzer, dessen Stolperstein 2012 verlegt wurde, hat jetzt auch dessen Mutter Cäcilie Schweitzer eine Ehrung bekommen. Deren Enkelin Gisela Schuster berichtete aus ihren Erinnerungen über die Großmutter.
Sebaldsbrück. Es habe eine lange Diskussion gegeben, ob der Stolperstein für Cäcilie Schweitzer in Hamburg oder Berlin verlegt werden sollte, sagte Barbara Johr, Projektleiterin "Stolpersteine Bremen" bei der Landeszentrale für politische Bildung. Zusammen mit Cäcilie Schweitzers Enkelin Gisela Schuster habe man sich dann entschieden, den Stein in Bremen in der Zeppelinstraße 36a zu verlegen. Die heute 78-jährige Gisela Schuster reiste dafür aus Idstein im Taunus nach Bremen. Der Sebaldsbrücker Stein war der erste von 16 Stolpersteinen, die am Mittwoch verlegt wurden.
Schweitzers waren getaufte Christen jüdischer Abstammung. Cäcilie wurde 1873 in Berlin geboren und heiratete 1899 Walter Schweitzer aus Vegesack. Ab 1827 wohnten sie in der Zeppelinstraße. Das Paar hatte zwei Söhne: Für den 1904 geborenen Erwin Schweitzer liegt bereits seit 2012 ein Stolperstein in der Zeppelinstraße. Er starb in Theresienstadt. Sohn Helmuth Schweitzer, 1901 geboren, arbeitete seit 1940 in einem Rüstungsbetrieb in Hamburg. Sein Chef sorgte dafür, dass Helmuth Schweitzer nicht deportiert wurde, weil er kriegswichtige Arbeit machte, erzählt Helmuths Tochter Gisela Schuster.
Auch an die Oma hat sie lebhafte Erinnerungen: "Sie war eine typische Großmutter, ganz liebevoll." Sie habe ihre Enkelkinder – Gisela Schuster hat eine Schwester und einen Zwillingsbruder – gern verwöhnt und verzogen. Bis zu ihrem fünften Lebensjahr hat Gisela Schusters Familie zusammen mit den Großeltern im Haus in der Zeppelinstraße gelebt. Hinter dem Haus gibt es einen Garten, in dem die Kinder immer gespielt haben, erzählt sie weiter. Wenn abends die Mutter die Kinder zum Aufräumen aufforderte, habe sie so lange gequakt, bis die Großmutter schließlich in den Garten kam und half. "Und das Ergebnis war dann, dass ich da irgendwo gestanden hab und gesagt hab: ‚Oma da liegt noch was und da liegt noch was‘." Mit dieser und ähnlichen Geschichten erheiterte sie die Versammelten bei der Verlegung. "Und so kriegt dieser Stein auf einmal eine Gestalt", sagte Gisela Schuster schließlich und legte einen Blumenkranz nieder.
Nachdem der jüngere Sohn Erwin von der Gestapo abgeholt worden war, entschied der ältere Helmuth, die Oma nach Hamburg zu holen. Sie war zu dem Zeitpunkt schwer an Parkinson erkrankt und bettlägerig. Wenn Bomben auf Hamburg gefallen sind, flüchtete die ganze Familie in den Keller, nur die Oma konnte das nicht und musste in ihrem Bett bleiben, erzählte Peter Christoffersen vom Stolpersteinprojekt. Auch daran kann sich Gisela Schuster noch gut erinnern. "Was ist mit Oma?", habe sie die Mutter dann gefragt. Helmuth Schweitzer entschied schließlich, dass seine Mutter in eine Heil- und Pflegeanstalt in Hamburg gebracht wurde. Auf Veranlassung der Gestapo wurde sie im Juni 1943 in das Jüdische Krankenhaus in Berlin verlegt. Sie starb noch am selben Tag kurz nach ihrer Ankunft in Berlin. Vermutlich sei die Deportation ihres jüngeren Sohnes Erwin und die Trennung von der Familie zu viel für sie gewesen, sagte Peter Christoffersen. "Sie ist alleine gestorben, und das sollte eigentlich niemandem geschehen", sagte die Enkelin Gisela Schuster. Cäcilie Schweitzer wurde in Berlin-Weißensee auf dem großen jüdischen Friedhof beerdigt.
Zum Abschluss der Verlegung sprach der Pastor der Evangelischen Versöhnungsgemeinde in Sebaldsbrück, Tilman Gansz-Ehrhorn, noch ein paar Worte und ein Gebet. Schließlich sei Cäcilie Schweitzer eine getaufte Christin gewesen, die von der Gemeinschaft nicht gerettet werden konnte oder nicht gerettet werden wollte. "Das macht mich als evangelischen Gemeindepastor sprachlos", sagte er.
Gisela Schuster begleitete Gunter Demnig, der die Steine verlegte, Barbara Johr und Peter Christoffersen den ganzen Tag lang zu weiteren Verlegeorten. Stolpersteine für Moritz und Recha Rotschild sowie deren Kinder Oskar und Hella wurden in der Schierker Straße, Steine für Fritz und Irmgard Bickart sowie deren Sohn Peter-Arnold in der Straße Vor dem Steintor verlegt. Weitere Stolpersteine liegen neu in der Heinrichstraße 4 für Leo von Geldern, in der Wulwesstraße 19 für Gerda Moldauer, geborene Stoppelman, sowie in der Liegnitzstraße 17 für das Ehepaar Johannes Biesewig und Auguste Biesewig, geborene Morgenstern. In der Bürgermeister-Smidt-Straße neben der Ausfahrt der Hochgarage wurden die Stolpersteine für Else und Hermann Hirschfeld sowie deren Tochter Helga erneuert und ein Stein für die in den Niederlanden geborene Tochter Ilse Hirschfeld verlegt.
Die Landeszentrale für politische Bildung und der Verein "Erinnern für die Zukunft" planen eine sechsbändige Publikation zum Projekt Stolpersteine mit Bildern und Dokumenten. Der erste Band wird im September vorgestellt. Für diesen Band suchen die Verantwortlichen noch Sponsoren und Spenden. Nähere Informationen gibt es auf www.stolpersteine-bremen.de.