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Streit um Krankschreibung Wegen Atemwegserkrankungen: Praxen sind voll

Zusätzlich zu Corona gehen derzeit Erkältungen rum - und das mitten im Sommer. Für Bremer Hausärzte ein Grund mehr, die aktuelle Forderung nach einer Rückkehr zur telefonischen Krankschreibung zu unterstützen.
13.07.2022, 16:14 Uhr
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Wegen Atemwegserkrankungen: Praxen sind voll
Von Kristin Hermann

Laufende Nasen, fieser Husten - die Wartezimmer in Bremer Hausarztpraxen sind derzeit noch voller als sowieso schon. Wie in vielen Teilen Deutschlands führen die aktuelle Corona-Sommerwelle und ungewöhnlich viele Patienten mit Erkältungen und Atemwegserkrankungen auch in den hiesigen Praxen zu verstärkten Belastungen. "Das Patientenaufkommen ist sehr hoch, es ist jeden Tag Trubel", sagt Holger Schelp, zweiter Vorsitzender des Bremer Hausärzteverbandes.

Die Bremer Interessenvertreter tragen deshalb die jüngste Forderung des Bundesverbandes mit, die telefonische Krankschreibung wieder einzuführen. Wie berichtet, nannte es der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, "ein echtes Ärgernis", dass die Möglichkeit zur telefonischen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (AU) nicht in die Regelversorgung übernommen worden sei. "Für die Praxen war das eine große Erleichterung und führte dazu, dass Menschen, die mit ihrer Erkrankung alleine zu Hause zurechtkommen, nicht die Wartezimmer verstopfen", sagt Schelp.

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Die telefonische Krankschreibung war wegen der Corona-Pandemie bis zum 31. Mai möglich. Seit dem 1. Juni müssen Patienten dafür wieder in die Praxis oder in eine Videosprechstunde gehen. "Bei milden Verläufen ist die persönliche Konsultation des Hausarztes jedoch nicht immer zwingend erforderlich", sagt Schelp weiter. Patienten und Arzt würden sich in der Regel seit Langem kennen. Missbrauch sei daher eher selten. "Und bei Zweifeln bitten wir die Patienten, eben doch persönlich zu erscheinen." Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und dessen Bremer Ableger sehen das ähnlich wie der Hausärzteverband und fordern die Einführung der telefonischen Krankschreibung auch unabhängig von der Pandemie.

"Unnötiger Aufwand und Zeitverlust"

"Der Wegfall der Telefon-AU verursacht zusätzlichen Aufwand und Zeitverlust in den Praxen und damit Kosten, die für die Versorgung kranker Menschen besser eingesetzt würden. Die Regelung auslaufen zu lassen, war unnötig, vielleicht sogar gefährlich", sagen Bernhard Rochell und Peter Kurt Josenhans, Vorstände der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Bremen laut einer Mitteilung. Oberste Devise müsse sein, das Gesundheitswesen zu schützen und für einen im Herbst zu erwartenden Anstieg zu rüsten.

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Inzwischen kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereits an, das Verfahren zeitnah wieder einführen zu wollen - auch wegen der derzeit angespannten Lage. "Viele Praxen haben den Eindruck, dass mehr los ist als im vergangenen Sommer", sagt Christoph Fox, Sprecher der KV Bremen. Konkrete Zahlen aus den Bremer Praxen seien bisher nicht verfügbar. Bundesweit gab das Robert Koch-Institut die Zahl der Arztbesuche wegen akuter Atemwegserkrankungen zuletzt mit 1,2 Millionen binnen einer Woche an. Bei den Erwachsenen gebe es bis zu drei Mal mehr solcher Arztbesuche als in den Jahren vor der Pandemie zu dieser Zeit.

Infekte werden nachgeholt

Über die Gründe, warum zusätzlich zu den Corona-Infektionen in diesem Sommer viele Atemwegserkrankungen auftreten, ließe sich nur mutmaßen. "Die Hypothese ist, dass es einen gewissen Nachholeffekt gibt, da es durch die zahlreichen Corona-Schutzmaßnahmen eher weniger Infekte gab. Jetzt, wo wieder viel mehr erlaubt ist, ist der Körper dafür empfänglicher", sagt Hans-Michael Mühlenfeld, erster Vorsitzender des Bremer Hausärtzeverbandes.

Mühlenfeld, der auch selbst eine Praxis leitet, wünscht sich gerade mit Blick auf den Corona-Herbst, dass die Datenlage zum Infektionsgeschehen wieder aussagekräftiger wird und es keinen "Datenblindflug" mehr gebe. Um klare Erkenntnisse über die Infektionslage und eine Beurteilung der Wirksamkeit von Maßnahmen zu gewinnen, brauche es unter anderem Praxen, die sich auf freiwilliger Basis binden, die aktuellen Corona-Zahlen durchzugeben, so Mühlenfeld. Dies fordere man seitens der Hausärzte seit Langem, sehe aber bisher wenig Engagement der Politik, dieses Problem anzupacken.

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