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Polizeiliche Kriminalstatistik für 2017 Weniger Straftaten in Bremen

Weniger Raubüberfälle, weniger Wohnungseinbrüche, weniger Diebstähle: Im Land Bremen ist die Zahl der Straftaten 2017 gegenüber dem Vorjahr deutlich zurückgegangen. Mit einigen Ausnahmen.
02.03.2018, 14:30 Uhr
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Weniger Straftaten in Bremen
Von Ralf Michel

Im Land Bremen ist die Zahl der Straftaten 2017 gegenüber dem Vorjahr deutlich zurückgegangen. Das umfasst die Zahl der Raubüberfälle, Wohnungseinbrüche und Diebstähle. 81.176 Delikte wies die polizeiliche Kriminalstatistik für 2017 auf, die Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) am Freitagnachmittag vorstellte. 2016 waren es noch 91.904 Delikte.

Es gibt allerdings auch Ausreißer. So sind die Fallzahlen bei den Straftaten gegen ältere Menschen von 828 auf 1488 geradezu sprunghaft gestiegen. Höhere Fallzahlen gegenüber 2016 weist die Statistik auch bei einfachen Körperverletzungen, bei angezeigten sexuellen Nötigungen und Vergewaltigungen sowie bei Gewaltdelikten gegen Polizeibeamte aus. "Wir sind froh, einen deutlichen, positiven Trend in der Gesamtkriminalität verzeichnen zu können. Gleichwohl bleiben genug Herausforderungen", fasste Mäurer die Kriminalstatistik zusammen.

Aufklärungsquote unverändert

Die Aufklärungsquote im Land Bremen blieb nahezu unverändert. Sie lag 2017 bei 48,5 Prozent, im Vorjahr wurden 48,4 Prozent aller Delikte aufgeklärt. Allerdings weist diese Statistik innerhalb der Delikte extreme Unterschiede auf. Bei den 29 Tötungsdelikten in der Stadt Bremen lag die Quote bei 93,1 Prozent, bei den 2249 Einbrüchen in der Stadt dagegen bei 6,6 Prozent.

Indikator für den Rückgang der Kriminalität im Lande ist die sogenannte Kriminalitätshäufigkeitszahl. Sie gibt an, wie viele Straftaten pro 100.000 Einwohner es gab. Diese Zahl lag im Land Bremen 2017 bei 11.960 (2016: 13.687) und damit so niedrig wie seit 25 Jahren nicht mehr. Niedersachsen hatte Anfang der Woche einen ähnlichen Trend vermeldet. Auch hier war die Zahl der Straftaten deutlich gesunken. Und die Kriminalitätshäufigkeitszahl lag 2017 mit 6621 pro 100.000 Einwohner so niedrig wie seit 36 Jahren nicht mehr.

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Verantwortlich für den Rückgang der Fallzahlen sind in Bremen – analog zum Bundestrend – in erster Linie die Eigentumsdelikte. So ging in Bremen die Zahl der Wohnungseinbrüche (einschließlich der Versuche) um 13,5 Prozent zurück, in Bremerhaven sogar um 25,9 Prozent. Deutlich rückläufig sind auch die Fallzahlen bei den Kfz-Aufbrüchen, beim Fahrraddiebstahl und beim Taschendiebstahl.

Eine Besonderheit musste indes Harry Götze vermelden, Direktor der Ortspolizeibehörde Bremerhaven. In der Seestadt stieg die Zahl der Brandstiftungen um über 100 Prozent (von 38 im Jahr 2016 auf 93 im Jahr 2017). Um den Tätern auf die Spur zu kommen, wurde hier eine Sonderermittlungsgruppe eingerichtet.

Der Zahl der Raubdelikte ging in der Stadt Bremen bereits zum vierten Mal in Folge zurück. Für 2017 standen 868 Fälle zu Buche, im Jahr davor waren es 966. Der Rückgang hing auch mit Ermittlungserfolgen der Polizei zusammen, die einzelne Intensivtäter aus dem Verkehr ziehen konnten, die zuvor für eine Vielzahl der Raubtaten begangenen hatten.

Mehr angezeigte Sexualdelikte

Die Zahl der angezeigten Sexualdelikte stieg im Vergleich zum Vorjahr erneut an - von 467 auf 545 Fälle. Polizeipräsident Lutz Müller wies allerdings darauf hin, dass die Zahlen für 2017 wegen einer erheblichen Gesetzesänderung im Sexualstrafrecht nicht ohne Weiteres mit den Fallzahlen der vorangehenden Jahre vergleichbar seien. „Wir stellen bundesweit seit 2016 einen Anstieg bei den angezeigten Sexualdelikten fest und führen dies vor allem auf eine erhöhte Anzeigenbereitschaft im Deliktsbereich der sexuellen Belästigung zurück.“

Diese wiederum stehe in Zusammenhang mit den seit Monaten international geführten öffentlichen Debatten zur sexuellen Selbstbestimmung der Frau, aber auch mit dem verschärften Sexualstrafrecht, das Ende 2016 in Kraft trat. Unter anderem wurde der Tatbestand der sexuellen Belästigung normiert. Bis 2016 wurden derlei Delikte als Beleidigung auf sexueller Grundlage erfasst und nicht als Sexualdelikte. "Wir bekommen nun nach Großveranstaltungen Anzeigen, mit denen die Betroffenen früher erst gar nicht zu uns gekommen sind", erläuterte Müller. "Parallel zur Strafrechtsverschärfung fordern wir Mädchen, Jungen und Frauen vor Festivals und ähnlichen Veranstaltungen zudem gezielt auf, jegliche sexuelle Übergriffe sofort zu melden. Das trägt ganz offenbar Früchte.“

Viele junge Tatverdächtige

Innensenator Mäurer griff in der Pressekonferenz auch die sogenannte Tatverdächtigungsbelastungszahl pro 100.000 Einwohnern bei Deutschen und bei Nichtdeutschen auf. Bei Deutschen lag die Belastungszahl im vergangenen Jahr bei 2546 (2016: 2741), bei Nichtdeutschen bei 8275 (2016: 9698). Bei jugendlichen und heranwachsenden Tatverdächtigen unter 21 lag diese Zahl bei 6763, bei den nichtdeutschen Tatverdächtigen bei 17.707. Im Jahr zuvor waren es in dieser Gruppe pro 100.000 Einwohner 23.163.

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„In der Statistik spiegeln sich unter anderem auch die vielen Taten junger Intensivtäter wieder, die in jüngster Vergangenheit meist ohne Angehörige zusammen mit den Flüchtlingen nach Bremen gekommen sind“, sagte Mäurer. Insgesamt habe diese Zahl bei den unter 21-Jährigen aber seit vielen Jahren stetig abgenommen. Im Jahr 2008 habe sie bei den Deutschen noch bei 12.271 gelegen. Auch bei Nichtdeutschen jungen Menschen zeige sich in den letzten zehn Jahren grundsätzlich ein positiver Trend, der nur in den Jahren 2014 bis 2016 durch das Verhalten der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen unter anderem aus Nordafrika durchbrochen wurde. Programme wie „Stopp der Jugendgewalt“ zeigten hier eindeutig Wirkung wie auch die Integrationsbemühungen auf unterschiedlichsten Ebenen.

Im Vergleich zu den Jahren 2015 und 2016 habe sich mit Auflösung der Massenunterkünfte für Flüchtlinge zudem ein sogenannter kriminogener Faktor verändert, der sich nun positiv auf die Statistik niederschlage. „Die neue Umgebung, die Enge in den Unterkünften, die traumatischen Erlebnisse der Flucht, die unsicheren Perspektiven und das lange Warten hat bei den betroffenen Menschen damals die Nerven bloß liegen lassen, sodass die Polizei beinahe zwangsläufig immer wieder Einsätze in den Unterkünften fahren musste", erklärte der Innensenator. "Mit Nachlassen des Zuzuges, einer eigenen Wohnung, dem Schulbesuch und so etwas wie einem neuen Alltag hat sich aber das Lagebild verbessert.“

Mäurer: "Konsequent abschieben"

Hinzukomme dass, anders als früher, inzwischen minderjährige Flüchtlinge umverteilt würden und nicht mehr ausschließlich in den Großstädten blieben. Und dass der Umgang mit jugendlichen Intensivtätern, insbesondere aus Nordafrika ressortübergreifend erheblich intensiviert wurde. Zehn junge, ausländische Intensivtäter seien in den vergangenen Monaten in ihre Heimatländer abgeschoben worden. Sieben weitere säßen aktuell in Bremen in Strafhaft oder U-Haft.

„Besondere Sorgen bereiten uns aber weiterhin Mehrfach- und Intensivtäter, deren kriminelles Verhalten derartig verfestigt ist, dass man nur durch konsequente Ermittlungsarbeit und justizielle Sanktionen Wirkung erzielen kann", betonte Mäurer. „Da der Anteil der nichtdeutschen Mehrfach- und Intensivtäter im Verhältnis sehr hoch ist, werden wir darüber hinaus konsequent von dem Mittel der Abschiebung Gebrauch machen.“

„Wir erwarten, dass sich der Senat auch hier deutlich vor seine Polizisten stellt“

Für die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist die Kriminalstatistik 2017 trotz der rückläufigen Zahlen kein Grund zum Jubeln, betonte Lüder Fasche als Vertreter des GdP-Landesvorstandes am Freitag. Die GdP warnte die politisch Verantwortlichen davor, zu glauben, sie hätten bereits genug auf den Weg gebracht, damit die Polizei wieder allen Aufgaben gerecht werde. Die erneute Verschlechterung der Aufklärungsquote zeige vielmehr, dass hier noch weitaus größere Bedarfe an Personal und Ausstattung herrschten. Als besorgniserregend bezeichnete Fasche die erneute Zunahme der Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte auf 492 gegenüber 409 im Jahr 2016. „Wir erwarten, dass sich der Senat auch hier deutlich vor seine Polizisten stellt.“

Der innenpolitische Sprecher der CDU, Wilhelm Hinners, kritisierte Innensenator Mäurer trotz der insgesamt gesunkenen Zahl der Straftaten in Bremen. „Es stellt sich kein Gefühl der Erleichterung und Beruhigung ein“, so Hinners insbesondere mit Blick auf die Zahl von Gewaltdelikten, deren Zahl gestiegen ist. Für Hinners eine Bestätigung der gefühlten Sicherheitslage in Bremen: „Es gibt immer mehr tätliche Auseinandersetzungen bei denen oft Messer und andere Waffen zum Einsatz kommen. Die Schwelle eine andere Person mittels Gewalt anzugehen, wird immer niedriger.“ Erschreckend seien zudem zum einen der immense Anstieg von Betrugsdelikten gegen Senioren. Den Machenschaften der organisierten Kriminalität in diesem Bereich habe der Innensenator offensichtlich nichts entgegenzusetzen. Und zum anderen die Aufklärungsquote bei den Wohnungseinbrüchen, die von neun Prozent im Jahr 2016 auf nun 6,6 Prozent zurückgegangen ist. „Diese Zahl ist absolut nicht hinnehmbar. In Niedersachsen ist die Aufklärungsquote mit knapp 24 Prozent fast vier Mal so hoch wie in Bremen.“ Die bisher getroffenen Schwerpunktmaßnahmen in Bremen zeigten keinerlei Wirkung.

++ Dieser Text wurde zuletzt am 02.03.2018 um 16:37 Uhr aktualisiert ++

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