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Aufzeichnungen zu Sturmfluten und ihren Folgen reichen bis weit ins Mittelalter / Eisbarriere bei Blumenthal Wenn der Utkiek unter Wasser steht

Bereits vor Hunderten von Jahren haben die Ufer-Bewohner von Weser und Lesum versucht, sich mit Wällen und Dämmen gegen Hochwasser zu schützen. In Urkunden sind viele Sturmfluten aus den vergangenen Jahrhunderten verzeichnet. Aber auch heute ist der Deichbau ein wichtiges Thema – die Wasserstraßen müssen den Anforderungen der Schifffahrt gerecht werden.
16.08.2012, 05:00 Uhr
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Von Ulf Fiedler

Bereits vor Hunderten von Jahren haben die Ufer-Bewohner von Weser und Lesum versucht, sich mit Wällen und Dämmen gegen Hochwasser zu schützen. In Urkunden sind viele Sturmfluten aus den vergangenen Jahrhunderten verzeichnet. Aber auch heute ist der Deichbau ein wichtiges Thema – die Wasserstraßen müssen den Anforderungen der Schifffahrt gerecht werden.

Bremen-Nord. Höher auflaufende Sturmfluten und Fahrwasservertiefungen bedeuten heute eine immer größere Gefahr für die Bewohner der Gebiete hinter den Weserdeichen – schließlich liegen die Marschen an beiden Flussseiten tiefer als der Meeresspiegel.

Bereits seit Jahrhunderten führen die Bewohner des Unterwesergebiets einen Kampf gegen das Hochwasser. Doch zunächst behielt die Nordsee die Oberhand. Schriftkundige Mönche registrierten jedes einzelne Hochwasser und benannten sie nach den kirchlichen Namenstagen. Die Geschichtsschreibung übernahm später diese Benennung. Die Mönche hielten im Mittelalter die Fluten und ihre Folgen in Urkunden fest. Aus den Dokumenten geht hervor, dass die Sturmfluten zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert viele Opfer forderten und die Küstenlandschaft maßgeblich veränderten. In der Luciaflut von 1287 und der Allerheiligenflut 1436 entstanden die Meeresbuchten Dollart und Jadebusen. 1570 brachte die vierte Allerheiligenflut den Untergang mehrerer Dörfer und forderte 10000 Tote.

In den Urkunden finden sich auch immer wieder Dörfer, die durch die Veränderung des Flussverlaufs und durch Überflutungen von ihren Bewohnern aufgegeben werden mussten. Das alte Sandstedt mitsamt seiner Kirche musste der Gewalt des Wassers weichen und wurde 1420 an seinem heutigen Standort wieder aufgebaut. Auch Uthlede lag ursprünglich näher am Fluss. Wegen der heftigen Springfluten mussten die Bewohner ihr Dorf jedoch weiter landeinwärts versetzen. Von der Flut des Jahres 1750 berichten Historiker, dass auch die Marschgeren, das spätere Gelände der Woll-Kämmerei, überflutet wurden. Der Blumenthaler Amtmann beauftragte 1753 den Rönnebecker Marten Haeslop und einige Hand- und Spannbedienstete mit der umfangreichen Sicherung des Ufers.

Eine noch größere Gefahr entstand bei Sturmfluten, wenn im Frühjahr das Eis aufbrach. 1771 wurden erfahrenen Grönland- Kommandeure – so nannten sich die Kapitäne der Walfängerflotten – zu Hilfe gerufen, denn sie kannten sich aus mit gefährlichen Eismassen. Der starke Frost hatte die Weser gänzlich zufrieren lassen. Wenige Tage später brach eine heftige Flut die Eisdecke bei Brake auf und trieb sie mit Macht stromaufwärts. In Höhe von Blumenthal schob sich das driftende Eis auf die dort noch feste Eisdecke.

Gefährliche Eisdecke

An dieser Eisbarriere staute sich die Flut. Aber das von oberhalb einströmende Wasser der Lesum und der Oberweser konnte nicht abfließen. Bald war der Vegesacker Hafen überschwemmt. Die Lesum trat über ihre Ufer, ganz Burg stand unter Wasser. Der Deich bei Gröpelingen hielt dem Druck von Eis und Wassermassen nicht stand und brach bei der Moorlosen Kirche. Das gesamte Werder-, Block- und Hollerland stand bis zur Bremer Neustadt unter Wasser. Ein Chronist berichtet, rund um Bremen habe es ausgesehen wie auf offener See.

Der Bremer Ingenieurleutnant Schilling erhielt den Auftrag, die Gefahr mit allen Mitteln zu bekämpfen. Er rekrutierte aus Blumenthal, Rönnebeck, Leuchtenburg und umzu 200 Männer, darunter auch erfahrene Grönlandfahrer. Mit Eissägen und Äxten schlugen sie einen Kanal in die Eisbarriere. Auch vom Hannoverschen und Oldenburgischen Deichverband kamen Hilfskräfte, um die Bremer zu unterstützen. Mit mehreren Hundert Mann erreichten sie nach fünf Tagen harter Arbeit den Kanaldurchbruch. Allmählich konnten die Fluten abfließen.

Auch in jüngerer Zeit hat man die Gewalt des Flusses zu spüren bekommen. Die zweite Julianenflut am 16. und 17. Februar 1962 bewies, dass der Strom seine Gefahren längst nicht verloren hat. Es war die bisher höchste Sturmflut östlich der Jade. Mit 61 Deichbrüchen und 340 Toten an Weser und Elbe sorgte das Hochwasser für die Ertüchtigung der vorhandenen Deiche und die Anlage neuer Schutzwälle und Spundwände. Die Weservertiefung brachte ein schnelleres Auflaufen der Flut. So wurde im Januar 1994 in Vegesack ein Pegelstand von 5.33 Meter über Normalnull gemessen.

In Neuenkirchen und Rekum haben die Deichverbände die Schutzwälle bereits um 1.20 Meter erhöht. Der Hochwasserschutz wird nun in Farge weitergeführt.

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