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Walzer über der Weser Bremens Brückenmusiker: Die Geschichte des Akkordeonisten

Jeden Tag spielt Akkordeonist Florea Barbosu auf der Wilhelm-Kaisen-Brücke. Zuvor zog er mit seinem Instrument durch verschiedene Länder. Doch dann gab es für ihn einen guten Grund, nach Bremen zu kommen.
13.09.2025, 05:00 Uhr
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Bremens Brückenmusiker: Die Geschichte des Akkordeonisten
Von Sara Sundermann

Wer öfter über die Wilhelm-Kaisen-Brücke fährt, kennt ihn: Jeden Tag spielt ein Straßenmusiker dort mit Blick auf die Weser Akkordeon. Der Mann heißt Florea Barbosu, und seine Melodien fliegen über den Fluss. Oft gehen sie aber auch fast im Verkehrslärm der Autos und Straßenbahnen unter. Doch davon lässt der Akkordeonist sich nicht beirren. "Das ist ein guter Platz – hier störe ich niemanden", sagt er.

Florea Barbosu kommt aus Craiova, einer Stadt im Süden Rumäniens, etwa 200 Kilometer von Bukarest. Und der 64-Jährige ist mit seinem Schifferklavier quer durch Europa gereist, bevor er in Bremen landete. Deutsch spricht er fast gar nicht, auch kein Englisch. Aber auf Spanisch kann man sich mit ihm unterhalten. "14 Jahre habe ich in Zaragoza gelebt und bin zwischen Spanien und Rumänien gependelt", erzählt er. Er reiste mit seinem Akkordeon durch Frankreich, Italien, Slowenien und Ungarn. Am besten hat es ihm aber in Spanien gefallen. "Zaragoza ist eine wunderschöne Stadt", sagt er.

"Ich versteh' kein Wort, aber wir haben gute Vibes"

Gerade macht Florea Barbosu Pause. Er legt sein Instrument ab und raucht eine. Wenn man ihn auf einen Brückenschnack anspricht, taucht ein breites Lächeln in seinem wettergegerbten Gesicht auf. Und es hält mancher der Vorbeiradelnden bei ihm an, auf einen kurzen Gruß und eine Münze. Gerade bremst ein älterer Bremer und begrüßt den Brückenmusiker per Handschlag. Er heißt Rolf Schramm, ist Lehrer im Ruhestand und als Ehrenamtlicher im Bremer Geschichtenhaus und im Dom unterwegs.

Schramm und der Akkordeonist kennen sich – auch wenn sie sich kaum verständigen können. "Ich sag' immer Buenos Días", sagt Schramm und lacht. "Er parliert dann was, und ich versteh kein Wort, aber wir haben gute Vibes." Barbosu hat jetzt seinerseits nichts verstanden, lächelt aber dazu und nickt bestätigend. Schramm will Barbosu ein bisschen Geld geben, hat aber nur einen Zehneuroschein dabei. "Nee, den kriegst Du nicht, das ist zu viel", sagt der 81-Jährige. Dann überlegt er es sich anders und reicht den Schein rüber. "Na gut", sagt er und grinst. "Aber das ist dann für heute und morgen!" Barbosu lacht und hebt die Hand, Schramm schwingt sich aufs Rad und fährt weiter.

Walzer, Tango und Flamenco

Später hält ein anderer Radfahrer kurz bei Barbosu an, spricht ein paar Worte Spanisch mit ihm. Der Mann kommt aus Chile und fährt auf dem Weg zur Arbeit jeden Tag über die Brücke. "Ich kenne viele, aber mit den meisten kann ich nicht sprechen", stellt Barbosu fest.

Und halten hier genug Leute an, um seiner Musik zu lauschen und ihm was in seinen Blechkasten zu werfen, den er aufgestellt hat? An guten Tagen komme er auf 50 Euro, sagt Barbosu. Viel bleibe davon nicht über, wenn er Essen und Tabak gekauft habe. Aber es gehe. Und beim Musikmachen ist der 64-Jährige diszipliniert. Er komme jeden Tag hierher, sieben Tage die Woche, immer von neun bis 15 Uhr, sagt der Musiker. Walzer und Tango gehören zu seinen Standards, "los clásicos", sagt er. Besonders gern spielt der Rumäne das mexikanische Liebeslied "Besame mucho" ("Küss mich viel"), das in vielen Variationen um die Welt ging. Flamenco mag der Straßenmusiker auch: Er gehört zur Gruppe der Roma und sei auch mit einigen spanischen Roma befreundet, die Flamenco spielen, erzählt er.

Wer ihm das Akkordeonspielen beigebracht hat, das gibt er nicht preis. Vielleicht er selbst? "Man braucht ein gutes Ohr", sagt er verschmitzt und zeigt auf sein eigenes. Mit 14 Jahren habe er das Instrument erlernt. "Ich habe auf Hochzeiten gespielt, zusammen mit meinem Onkel, der war Gitarrist." Später arbeitete Barbosu dann 35 Jahre in der rumänischen Landwirtschaft, meist im Gemüseanbau, erzählt er. Erst danach kam seine Zeit als Musiker auf Europas Straßen. Und zwischendurch kehrte er immer wieder nach Rumänien zurück.

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Wenn er von seiner Heimat spricht, dann denkt er viel an die großen unberührten Wälder Rumäniens. Sie seien riesig, wie in kaum einem anderen Land, sagt er und breitet die Arme aus. Und in Craiova lebt auch seine Frau, dort haben die beiden ein eigenes Haus: "Ich habe dort auch Tiere, meine Hühner und Schweine." Seine Frau blieb in Rumänien, er selbst verließ immer wieder das Land. Auch seine längst erwachsene Tochter ist ausgewandert und arbeitet heute in Frankreich.

Ins nördliche Bremen hat es Barbosu vor zwei Jahren verschlagen, weil hier sein Neffe lebt. In der Hansestadt wohnt der Straßenmusiker aber nur in den wärmeren Monaten. Wenn er hier ist, quartiert er sich beim Sohn seiner Schwester in Gröpelingen ein. Von Mai bis Dezember spielt er auf den Weserbrücken auf: "Der Sommer hier in Bremen ist gut, in Rumänien sind dann 45 Grad, das ist nicht zum Aushalten", stellt er fest. "Aber am 4. Dezember fahre ich wieder nach Hause." Vorfreude blitzt kurz in Florea Barbosus Gesicht auf. Dann schnallt er sein Akkordeon wieder um. Und spielt noch eins.

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