Der Anteil der älteren Deutschen steigt im Verhältnis zu den jüngeren von Jahr zu Jahr. Was bedeutet das für die Gesellschaft, die Stadtplanung, für die Gesundheitspolitik, für das Rentenversicherungssystem?
Damit befassen sich Altersforscher seit einigen Jahren. Anders als in den USA sei diese Wissenschaft in Deutschland noch relativ jung, sagt Stefan Görres, in den 70er- und 80er-Jahren seien die ersten gerontologischen Institute entstanden. Görres ist Professor am Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen. „Gemessen an der hohen Relevanz des Themas Alter ist die Gerontologie im Vergleich zu anderen Disziplinen aber noch unterwickelt.“Die Forschungsfelder sind vielfältig: Geriater der University of California, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ kürzlich, hätten sich angesehen, wie ältere Menschen ihre Lebenserwartung einschätzen. Mehr als 2000 Freiwillige im Alter von 64, 69, 74, 79, 84 und 89 Jahren seien dazu befragt worden. Ergebnis: Ein großer Teil der Frauen und Männer schätzten ihre Lebenserwartung falsch ein. Konkrete Folgen habe diese Fehleinschätzung laut „Süddeutscher Zeitung“ für die Medizin. Wer seine restliche Lebenszeit unterschätzt, entziehe sich womöglich Therapien oder Untersuchungen. Werde sie überschätzt, würden vielleicht anstrengende Therapien veranlasst, obgleich die Patienten davon kaum profitieren könnten.
„Wir müssen lernen zu verstehen, wie es die Behandlungsentscheidung beeinflusst, wenn ältere Menschen ihre Lebenserwartung unter- oder überschätzen“, zitiert die Zeitung den leitenden Wissenschaftler. „Schädlich kann beides sein – wenn nützliche Therapien ausbleiben und wenn Menschen behandelt werden, die überhaupt nichts mehr davon haben.“
Mit neuen und differenzierteren Altersbildern haben es laut Stefan Görres aber nicht nur die Alten zu tun, sondern die Gesellschaft insgesamt. „Es gibt wesentlich mehr aktive Senioren als früher. Wir müssen uns mit neuen Bildern vom Altern auseinandersetzen.“
Was ebenfalls immer wichtiger werde in Zusammenhang mit der Altersforschung, und in ihr selbst eine entsprechende Rolle spiele, sei „die Rolle der Kommunen bei der Daseinsvorsorge für ältere Menschen“. Man könne durchaus von einem Paradigmen-Wechsel sprechen: Statt auf Zentralität und den Takt- und Gesetzgeber Berlin zu setzen, begännen Kommunen wieder „mit der Lupe zu schauen, wer eigentlich bei ihnen wohnt und was man für sie tun kann und muss“.
Wie ist Bremen mit seinem „Altenplan“ aufgestellt? Seiner Ansicht nach geschehe in Bremen schon einiges, sagt Görres. Das hänge auch von „innovativen Praktikern“ ab, wie Alexander Künzel, dem Vorstandsvorsitzenden der Bremer Heimstiftung, der die Entwicklung neuer Wohnangebote für ältere Menschen mit großer Energie vorantreibe. „Da ist Bremen sehr innovativ.“ Grundsätzlich müsse sich noch einiges tun, um Kommunen zu befähigen, sich auf das Plus an alten Menschen einzustellen. Dazu benötigten sie nicht nur mehr Geld, sondern auch mehr Steuerungsmöglichkeiten.
Es möge banal klingen, so Görres weiter, aber auch die demografische Entwicklung stehe weiter im Mittelpunkt der Altersforschung. Die Bevölkerung schrumpfe und altere zugleich. „Die Gesellschaft transformiert sich.“ Obgleich sich das schon seit Jahren abzeichne, tue sich die Gesellschaft weiterhin schwer, sich darauf einzustellen. „Dabei gibt es keinen Bereich des öffentlichen Lebens, der nicht von diesen Veränderungen berührt sein wird. Wenn man das konsequent weiterdenkt, bedeutet das, dass wir in einigen Jahren eine völlig veränderte Gesellschaft haben. Darauf müssen wir uns vorbereiten.“ Das beginne bei der Forschung, in die investiert werden müsse, erstrecke sich über die Stadtentwicklung, die gesundheitliche Versorgung älterer Mitbürger und ende bei technischen Entwicklungen, die vorangetrieben werden müssten, um beispielsweise Mobilität bis ins hohe Alter ermöglichen zu können.
Auch mit der Zufriedenheit älterer Menschen befassen sich Altersforscher. Wissenschaftler der Utah-State-Universität haben laut der „Wirtschaftswoche“ im Herbst eine entsprechende Studie veröffentlicht. „Ruhestand macht weder einsam noch krank“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Aspen Gorry der „Wirtschaftswoche“ zufolge. Er verbessere die Gesundheit und die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben. Mit der „Glückskurve“ befasste sich das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des „Coca Cola Happiness Instituts“. Sie steigt laut der im August veröffentlichten Ergebnisse einer Umfrage im Alter an. 88 Prozent der befragten Über-60-Jährigen bezeichneten sich danach als lebensfroh.