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Nach Corona und Inflation Wie Bremer Unverpacktläden durch die Krise kommen

Einige Unverpacktläden in Deutschland hat die Corona-Pandemie schwer getroffen. Die Bremer Läden, in denen verpackungsfreies Einkaufen möglich ist, schlagen sich aber immer noch wacker.
13.06.2022, 05:00 Uhr
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Von Eva Hornauer

Wer kennt sie nicht – die Bilder von vergilbten Plastikflaschen im Meer oder Seevögel, die sich in Obstnetzen verheddert haben. Plastik ist in unserem Leben allgegenwärtig. Unser Plastikverbrauch sorgt für die Verschmutzung der Meere und des Rests der Erde, auch das ist an und für sich nichts Neues. Versucht man, den eigenen Plastikverbrauch zu reduzieren oder gar plastikfrei zu leben, kommt man um sogenannte Unverpackt-Läden kaum herum.

Vor der Corona-Pandemie lief das Geschäft in Deutschlands Unverpacktläden auch sehr gut. Vor allem im Westen des Landes eröffneten immer mehr Läden dieser Art. Nach mehr als zwei Jahren Pandemie – mit Lockdowns, Ausgangssperren und Maskenpflicht – ist die Stimmung in der Branche aber angespannt. Laut dem Verband der Unverpacktläden mussten 2020 14 und im ersten Quartal dieses Jahres bereits 13 ihrer Mitglieder schließen. Der Rest kämpft nun auch gegen die Folgen der Inflation an.

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Die Bremer Unverpacktläden folgen diesem Trend aber nicht – sie sind allesamt relativ gut mit der Pandemie und dem Lockdown zurechtgekommen. „Eine allgemeine Ängstlichkeit hat man bei meinen Kunden schon gemerkt, die waren während des Lockdowns aber auch froh, mal rauszukommen. Der Einkauf war für viele dann der Höhepunkt des Tages“, sagt Ulf Sawatzki, Inhaber des Unverpacktladens Füllkorn in der Neustadt. Sawatzki betreibt den Laden seit 2018 und konnte vor Corona eine Stammkundschaft generieren. Zu Beginn bot er nur ein kleines Sortiment an, das er aber durch Nachfragen bei der Kundschaft erweitert hat. Eine solide Stammkundschaft, die hinter dem Konzept unverpackt steht, war wohl ein entscheidender Faktor, um die Krisen der letzten Jahre zu überstehen.

Wenn Nachhaltigkeit in Vergessenheit gerät

Sawatzki vermutet, dass die Probleme der Unverpacktläden während der Pandemie auch damit zusammenhängen, dass die Themen Klima- und Umweltschutz in den medialen und gedanklichen Hintergrund getreten sind. Statt Fridays for Future oder die Rodung des Hambacher Forstes bestimmten Corona und – zuletzt – die Entwicklungen in der Ukraine die Schlagzeilen und die Gedanken der Menschen. Dass es den Unverpacktläden in Bremen vergleichsweise gut ging, erklärt sich Sawatzki mit der Verteilung der Läden innerhalb der Stadt. Die Bremer haben dadurch ein gutes Angebot, um verpackungsfrei einzukaufen, und die Läden sind weit genug voneinander entfernt, um sich gegenseitig nicht die Kundschaft zu stehlen.  „Außerdem ist Bremen – und vor allem die Stadtteile, in denen sich die Unverpacktläden angesiedelt haben – tendenziell eher alternativ eingestellt.“

Der Verband der Unverpacktläden geht davon aus, dass es vielen seiner Mitglieder während der Corona-Krise so schlecht ging, weil der Einzelhandel immer weiter abbaut. Die Pandemie hätte hier nur die Entwicklung – weg vom stationären Einzelhandel, mit den kleinen Geschäften, und hin zum Onlinehandel – verstärkt. Aber auch der Verband betont: Nicht in allen Regionen des Landes lief es während der Corona-Pandemie schlecht, es eröffneten in dieser Zeit sogar einige Läden. Vor allem in ländlichen Gebieten oder in Großstädten mit vielen Möglichkeiten zum plastikfreien Einkauf hätten es die Unverpacktläden schwer gehabt.

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Aufgeben ist keine Option

In Bremer sei der Umsatz der Unverpacktläden erst mit der Wiedereröffnung der Gastrobetriebe merklich zurückgegangen, schildert Swatzki. Auch Myriam Carneva, die den Laden L'Epicerie Bio Unverpackt in der Alten Neustadt betreibt, schildert Ähnliches. Carneva geht davon aus, dass die Menschen nach mehr als zwei Jahren Pandemie keine Lust mehr haben zu kochen und deshalb lieber Essen gehen. Aber nicht nur die Wiedereröffnung und Wiederentdeckung der Bremer Gastronomie sorge für einen Umsatzrückgang in den Unverpacktläden. Momentan setzt den Läden vor allem die Inflation zu, die die Kaufkraft der Bremer und Bremerinnen zu drücken scheint. Selcuk Demirkapi, Inhaber des ersten Bremer Unverpacktladens Sel-Fair in der Östlichen Vorstadt, beklagt, dass er deshalb die Preise anheben musste. „Das gefällt mir gar nicht. Unverpackt muss sich jeder leisten können“, so Demirkapi. Jedoch mussten bis dato nicht in allen Unverpacktläden in Bremen die Preise erhöht werden.

Nora Osler, Inhaberin der Füllerei in Findorff, führt die gegenwärtigen Schwierigkeiten auch auf die Erschöpfung der Menschen nach fast drei Jahren Dauerkrisenmodus zurück. „Unverpackt einkaufen scheint da dann mit einem vermeintlichen Mehraufwand verbunden zu sein, für den die Leute dann keine Kraft mehr haben“, so Osler. Aufgeben ist aber für keinen der Inhaber eine Option. „An meinem Job mag ich besonders, dass er sinnstiftend ist“, sagt Ulf Sawatski.

Zur Sache

Was sind Unverpackt-Läden?

In Unverpackt-Läden kann man verpackungs- beziehungsweise plastikfrei einkaufen gehen. Die Kunden bringen ihre eigenen Abfüllbehälter von zu Hause mit und wiegen diese im Unverpackt-Laden, bevor sie die Behälter befüllen. Dann können die Gefäße befüllt werden – etwa mit Haferflocken, Nüssen oder Mehl. An der Kasse wird ein zweites Mal gewogen. Das Konzept des unverpackten Einkaufens gibt es schon seit 2012 in Deutschland.

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