Wer sein Leben plastikfreier führen möchte, der muss sich auf die Suche nach Alternativen begeben. Annemarie Bink kennt das. Ihr fehlte in Bremerhaven ein Geschäft mit nachhaltigen und hochwertigen Produkten im Angebot – möglichst von kleinen Manufakturen. "Das musste man alles sehr umständlich übers Internet beziehen", erinnert sich Bink. Und weil Jammern ja gar nichts bringe, hieß es bald: "Dann gründen wir das einfach selbst."
Im Laden von Annemarie Bink und Fiona Brinker in der Bürgermeister-Smidt-Straße sind die Alternativen heute also versammelt. Glückswinkel heißt ihr Geschäft. Spielzeug, Seife, Bienenwachstücher oder Zahnbürsten: Die nachhaltigen Produkte kommen alle ohne Kunststoffverpackung aus.
Aus diversen Glassäulen können zudem Kidneybohnen, Porridge, Hirse, Couscous, Reis oder Linsen in Behälter gezapft werden. Wer hier einkaufe, sagt Bink, der müsse eigentlich nur noch ergänzend zum Wochenmarkt gehen. Auf Wunsch kann hier auch die Gemüsekiste einer solidarischen Landwirtschaft abgeholt werden. Pasta, Tee, Kaffee, Salz, Öl, Gewürze und Mehl sind ebenfalls zu haben. Für eine gesunde und ausgewogene Ernährung gebe es bei Glückswinkel alles: "Plus den Süßkram." In einer Ecke stehen Leckereien wie Schokolinsen und Marshmallows.
Gründung per Crowdfunding
Bink und Brinker begannen im Sommer 2018 zunächst mit nachhaltigen und fairen Produkten, etwa mit festem Shampoo, mit Kinderspielzeug sowie Secondhand-Sachen. "Es ist total witzig, Bilder zu sehen. Am Eröffnungstag standen hier ein kleiner Vitrinenschrank, in der Mitte die beiden Kabeltrommeln und hier noch ein Mini-Küchenschrank. Und das war es", denkt Bink an die Anfänge zurück. Bis heute habe sich das Sortiment annähernd verzehnfacht.
Die Lebensmittel ohne Hülle kamen erst im zweiten Schritt. Im Hinterkopf der Betreiber gab es bereits früh die Idee, das Angebot in diese Richtung zu erweitern. Einige Kunden wünschten sich auch unverpackte Lebensmittel. Um die Investition zu tätigen, starteten Bink und Brinker ein Crowdfunding. "Pünktlich zum ersten Geburtstag hatten wir die Lebensmittel da", sagt Bink.
Schon zur Eröffnung des Ladens setzten die Gründerinnen auf Unterstützung aus dem Netz. Ein Kredit sei nicht nötig gewesen. "Wir sind an uns selbst gewachsen. Dafür haben wir ganz lange auf Gehalt verzichtet", sagt die Unternehmerin Bink. Was unterm Strich blieb, das investierten die Gründerinnen direkt in neue Ware.
Grundsätzlich schauen die beiden, ob sie Produkte von Manufakturen für ihren Laden finden. Die Mozartkugeln kämen etwa von einer kleinen Confiserie. Die Seifen produziere Martha's Corner aus Bremen. In der Ecke mit dem Spielzeug finden sich Holzbausteine von Ottobloxx. Ein Ehepaar in der Hafenstraße, von hier aus ganz in der Nähe, fertigt die Würfel zum Stecken.
Wenngleich es einen Onlineshop gibt: Der Großteil der Waren wird im Laden verkauft. So soll es auch bleiben. Gedacht ist das Internetangebot etwa für Urlauber, die das Sortiment von Glückswinkel auch nach ihrer Zeit in Bremerhaven bestellen möchten.
"Besonderheiten, die man sonst nirgends findet"
An diesem Tag ist Annemarie Binks Sohn Ian im Geschäft dabei. Das ist keine Ausnahme. Die Mitarbeiter können, wenn es machbar ist, ihre Kinder mitbringen. "Wir sind zu siebt. Und vier von uns haben Kinder. Das ist also manchmal relativ spannend, was die Arbeitszeiten angeht", sagt Bink. Die Unternehmerin berät und bedient heute also ihre Kundinnen und hilft zwischendurch Ian bei einem Brief an seine Oma.
Esther von Harten ist ebenfalls mit ihren Kindern da – auf der Suche nach einem Geschenk für einen Mann. Am Ende wird es ein festes Shampoo und Deo. "Ich guck gerne mal rein. Es gibt hier Besonderheiten, die man sonst nirgends findet. Und das macht Spaß", sagt von Harten. Schließlich wolle man ja etwas Einmaliges oder Schönes finden. "Es sind nur noch die kleinen Lädchen, wo es etwas interessantes Anderes gibt." Unverpackte Lebensmittel kaufe sie hier selten ein. Freunde von ihr kämen aber regelmäßig mit den Kindern. "Jedes hat sein Glas und kann sich Süßigkeiten für die Woche abfüllen. Das geht gut."
Der Umwelt zuliebe
Bink und Brinker waren schon vor Glückwinkel selbstständig. Fiona Brinker gründete in Bremerhaven das Café Findus. Dort können die Gäste die Preise selbst bestimmen. Bink unterstützte Eltern bei Fragen zu Babytragehilfen. Bei einer solchen Beratung lernten die Frauen sich auch kennen. Und irgendwann habe Brinker dann gefragt, ob Bink nicht Lust habe, einen Laden mit ihr auf die Beine zu stellen. Lange überlegen musste Bink nicht. "Genau das ist es!", habe sie gleich gedacht. Zu den Tragehilfen berät Bink weiterhin. Die Brote bei Glückswinkel kommen aus der Bäckerei von Findus.
Julia Biehl-Schlutow ist seit zwei Jahren Kundin bei Glückswinkel. Einmal im Monat kaufe sie hier ein. Milchreis, Dinkelmehl, Leinensamen und Haferflocken finden sich an diesem Tag in ihrem Einkaufskorb. Biehl-Schlutow geht es darum, Müll zu sparen und den Laden zu unterstützen. Auch wenn es ein bisschen teurer sei: "Das ist mir egal. Ich will was Gutes tun für die Umwelt."