Berlin, Kassel, Oldenburg oder jetzt Heidelberg, dazu New York, Oslo oder Mexico-City – Sie waren in ihrer Laufbahn viel unterwegs. Wo liegen Ihre Wurzeln?
Carl Zillich: Ich fühle mich als Europäer, bin ein bisschen Weltbürger gewesen, aber im Grunde bezeichne ich mich als Norddeutscher. So haben wir als Familie entschieden, nach neun Jahren Heidelberg wieder in den Norden zu schauen. Es hat sich glücklich gefügt, dass eine Herausforderung in Bremen auf mich wartet.
Wie kam es dazu?
Ich bin erst angesprochen worden, habe mich dann beworben und zweimal vorgestellt. Ich bin da selbst etwas reingestolpert. Die Internationale Bauausstellung in Heidelberg hat im nächsten Sommer ihre Endpräsentation. Es kam also überraschend, jetzt schon die Entscheidung zu treffen, Heidelberg zu verlassen. Die Stelle in Bremen ist aber so reizvoll, dass ich die Ernte dort leider nicht ganz einfahren kann.

Der Architekt Carl Zillich wird Geschäftsführer der Projektgesellschaft für die Entwicklung der Innenstadt.
Was glauben Sie, warum Sie sich im Auswahlverfahren für die Position des Geschäftsführers der "Projektbüro Innenstadt Bremen GmbH“ durchgesetzt haben?
In meinen 20 Jahren Berufsleben bin ich vieles gewesen: Ich führe den Titel Architekt zwar mit Stolz, habe aber nur wenige Gebäude gebaut. In meinem Lebenslauf habe ich viele andere Dinge gemacht und mich immer ein bisschen zwischen den Welten bewegt. Einerseits die Baukultur und Projektentwicklung, andererseits die Politik und Verwaltungsstrukturen, dazwischen mit Kommunikation und dazugehörigen Prozessen. Ich glaube, dass das überzeugt hat.
Sie haben viele Städte und Metropolen gesehen. Haben Sie eine Lieblingsstadt?
Meine private Antwort: Für jeden Lebensabschnitt gibt es eine tolle Stadt. Über Oldenburg, Kassel, New York, Berlin, Heidelberg oder Bremen ist das bei mir, zu den jeweiligen Lebensphasen, in sich stimmig. Als ich mit meinem Studium fertig war, habe ich eine Anstellung an der Uni in Hannover bekommen. Nach der New-York-Erfahrung kam für mich in Deutschland aber nur Berlin infrage, wo ich dann zehn Jahre gewohnt habe. Jede Stadt hat mich besonders geprägt.
Leerstände, verwaiste Plätze, der Onlinehandel – die Probleme sind in vielen Innenstädten gleich. Was genau reizt Sie an dieser Aufgabe in Bremen, wenn die Vorzeichen so schlecht sind?
Planer tragen in sich immer den Glauben, dass es Wege gibt, die Welt besser zu machen. Damit stellen sie sich dann auch den Problemen, die auf dem Tisch liegen. Die Krise der Innenstädte ist ein Epochenwandel. Den können wir nicht gestalten, wenn wir in Partikularinteressen verharren und versuchen, das zu retten, was in der Vergangenheit funktioniert hat. Es geht um eine neue Art von Gemeinsamkeit. Ich bin aber nicht der Messias, der von außen reinkommt und das Heil versprechen kann.
Sondern?
Ich glaube, es braucht diesen intermediären Akteur, der die Gemeinsamkeiten herausarbeitet und Szenarien für die Zukunft entwirft. Ich bin dankbar für das Vertrauen in mich. Es ist eine Herkulesaufgabe, die wir nur gemeinsam wuppen können. Es gilt, Dinge zu sortieren und neu zu denken.
Bremens rot-grün-rote Regierung hat unterschiedliche Interessen. Welche Kompetenzen hätten Sie gerne, um diese Konflikte auszuräumen?
Ich kann und will nicht der Chef der Innenstadtentwicklung sein. Es ist doch klar, dass jeder seine Themen hat, für die er einsteht. Das ist Tagesgeschäft. Um aus dieser Situation rauszukommen, halte ich die vorgesehene Struktur einer Innenstadtgesellschaft für sehr sinnvoll und zukunftsträchtig. Eine nicht in die Verwaltung integrierte Einheit, die gewisse Freiheiten hat, leitet den Prozess. Wenn man in die Welt schaut, sind genau die Städte erfolgreich, die solche Strukturen aufsetzen. Aber es geht natürlich nicht ohne die Verwaltung, die Investoren und viele mehr.
Aber brauchen Sie nicht die Kompetenz, Dinge zu entscheiden?
Ich fühle mich befugt zu entscheiden, mit wem ich rede und Ideen entwickele. Aber ich kann nicht entscheiden, wie die Domsheide umgestaltet werden soll. So funktioniert Stadtentwicklung auch nicht. Für mich geht es nicht darum, Entscheidungen zu fällen, sondern sie mit vorzubereiten.
Wie gut kennen Sie Bremen?
Ich brauche natürlich Zeit, um mich einzuarbeiten. In meiner Teenager-Zeit bin ich nach Bremen zum Shoppen gefahren. Ich hab mich damals gewundert, dass Bremen über Fußwegen Glasdächer hat, um die City attraktiver zu machen. Als Oldenburger bin ich gerne in die Großstadt nebenan gefahren. Aber im Prinzip bin ich ein unbeschriebenes Blatt.
Was sagen Sie zu der Kritik, dass in den Entscheider-Gremien wie dem Bremer City-Gipfel zu wenig junge und weibliche Akteure saßen?
Ich schaue nach vorne. Eine Vielfalt an Perspektiven brauchen wir unbedingt. Das Portfolio der Internationalen Bauausstellung in Heidelberg lebt davon, dass neben etablierten Beteiligten auch Akteure aus der Zivilgesellschaft oder Menschen Mitte 20 zu Bauherren von 20-Millionen-Euro-Projekten wurden. Es ist meine Aufgabe, in den anstehenden Prozessen eine Diversität abzubilden.
Was kann Bremen von Heidelberg lernen?
Heidelberg ist sich seiner Tradition und Substanz bewusst, ruht sich darauf aber nicht aus, sondern wagt auf der Basis etwas Neues und traut sich, etwas zu ändern. Jede Stadt hat ihr eigenes Ökosystem und Strukturen, in dem man etwas Neues schaffen kann.
Was sagen Sie zur Verkehrspolitik. Befürworten sie eine autofreie Innenstadt?
Da werden Sie heute sicher keine Festlegung von mir bekommen. Es geht darum, die Erreichbarkeit der City zu erhalten, aber gleichzeitig die Lebensqualität vor Ort zu erhöhen. Die Innenstadt ist kein homogenes Konglomerat, sondern man muss jedes Teil für sich beurteilen. Wir müssen etwas ändern, Schritt für Schritt. Das ist aber auch abhängig von Budgets, anderen Zeitplänen und Entscheidungen der Politik.
Die Innenstadt und die Weser werden durch die Martinistraße getrennt. Muss diese Verkehrsschneise autofrei werden?
Das ist ein Thema, zu dem ich mich gerne in einem halben Jahr äußere. Die Verkehrsversuche fand ich erst einmal mutig. Genauso wie ich das Kaufhaus in der Obernstraße mit den Kreativen wichtig finde.
Wie beurteilen Sie als Architekt Bremen? Gibt es genügend ausgefallene Neubauten?
Eine Stadt braucht Leuchttürme unterschiedlicher Epochen. Ob diese bereits stehen, kann ich erst beurteilen, wenn ich die Stadt besser kenne. Bremen ist im Zentrum großstädtisch und hat sehr vielfältige Wohnquartiere. Das ist, glaube ich, damals von London abgeguckt worden, solche Quartiere mit dem Altbremer Haus so innenstadtnah, das ist Lebensqualität pur. Die Naherholungsgebiete sind mit der Weser, den Wallanlagen oder dem Werdersee sehr nah.
Abschließend: Welchen Fußballverein drücken Sie die Daumen?
Bis ich meinen Sohn bekommen habe, hatte ich nicht viel mit Fußball am Hut. Er ist jetzt sieben Jahre alt und wir haben mal mit dem SV Sandhausen angefangen, das ist das St. Pauli des Südens. Wir wollten erst einmal in die kleineren Stadien, zu einem Verein, der noch etwas freier ist.
- Das Gespräch führte Pascal Faltermann.