Aus der Bude pulst die Wärme, schön gemütlich hat sie’s, die junge Frau, ein angenehmer Job, dort zu sitzen und den Menschen einen Gefallen zu tun: Bändchen ums Handgelenk, und los geht‘s auf den Weihnachtmarkt und seit Montag auch zum Einkaufen in die Geschäfte. Die Frau verschafft den Leuten Zutritt, sie lächelt, es macht ihr offenbar Spaß. „Manche meinen, sie müssten etwas bezahlen“, erzählt sie. Unsinn, das Geld soll woanders ausgegeben werden, in den Läden und an den Ständen.
Die Bude steht in der Sögestraße, kurz hinter Karstadt. „2G“ steht dran, und wohl niemand, der nicht weiß, was das bedeutet: Geimpft oder genesen – die eherne Regel, der Code, das Simsalabim. Ohne geht es nicht, neuerdings auch im Einzelhandel.
„Warum aufregen?“, sagen Margret und Johann Siemer, „das ist doch gar nichts, wir haben bei uns 2G-plus.“ Das Ehepaar kommt aus dem emsländischen Lathen; in Niedersachsen muss zusätzlich ein tagesaktueller Test vorgewiesen werden. Die Siemers, beide Mitte 60, haben sich bei der jungen Frau zwei Bändchen besorgt: „Wir finden das praktisch, man muss nicht jedes Mal wieder alles rauskramen.“ Das ist aber nur die halbe Wahrheit, wie das Ehepaar erleben wird.
Am Haupteingang von Karstadt haben sie gut zu tun, vier Männer, die 2G kontrollieren. Die Bändchenträger werden aus der Schlange gefischt und schlüpfen schnell ins Warenhaus hinein. Wer keines hat, muss warten, nicht lange, und kann schon mal das Impfdokument und den Personalausweis bereithalten. Hier hätten die Siemers einen Vorteil, woanders aber nicht.
Bei Salamander in der Sögestraße reicht kein Bändchen. „Die sind schon seit einer Woche im Umlauf, niemand kann wissen, ob sie zum Beispiel an andere weitergegeben wurden“, sagt der Geschäftsführer des Schuhladens. Eine seiner Verkäuferinnen steht an der Tür und fordert die Ausweise: „Das nervt“, sagt sie, „die Kunden sind auch genervt.“ Eine stressige Situation, aber so viel Kraft hat die Frau nach vier Stunden trotzdem noch: „Bleiben Sie gesund!“, ruft sie allen hinterher, die den Laden wieder verlassen.
Ein Montagnachmittag in der Innenstadt, und es ist gar nicht mal wenig los. Gut, die Vorweihnachtszeit, dann brummt es immer, aber es gibt doch 2G, die ganzen Hemmnisse. Egal, sagt Gaby Krüger, „bei uns geht’s durch die Decke, die Menschen wollen Weihnachten feiern und kaufen ein“. Krüger führt die Leysieffer-Filiale in der Domshof-Passage. Mit den Bändchen muss man ihr nicht kommen – „damit wird viel Schindluder betrieben, dem traue ich nicht.“ Klare Kante in der Confiserie: beide Ausweise, bitte, und im Original. Nur dann allerdings, wenn in dem Laden das kleine Café besucht wird. Für die Schokoladenabteilung im selben Geschäft gilt wieder eine andere Auflage, nicht 2G, sondern 3G, weil es Lebensmittel sind. Ganz schön kompliziert.
Zwei ältere Damen bei Leysieffer, die sich einen Kaffee gönnen. Sie erzählen von ihren Erfahrungen beim Einkaufsbummel: „Wir waren in vier Läden, da hilft so ein Bändchen.“ Ja, sagen die beiden Frauen, stimmt schon, „es wird überall unterschiedlich gemacht, aber es wird gemacht“. Vorsichtsmaßregeln in der Pandemie, die gerade wütet wie nie. Die Damen finden das gut. Zum Abschied nehmen sie noch etwas für zu Hause mit: ein Winterdessert mit Zimt und Kirsche.
Bei Leysieffer herrscht eine entspannte Stimmung, das passt zu dem Laden. Woanders gärt es dagegen mächtig. Die Handelsverbände laufen Sturm gegen die 2G-Pflicht in den Geschäften. Sie wird als rechtswidrig bewertet, Klage wahrscheinlich. Ein Argument ist immer wieder, dass der Einzelhandel kein Treiber der Pandemie sei, die Leute würden sich woanders anstecken.
Viktoria Theoharova sieht das auch so: „Die neue Regelung ist sinnlos und unnötig.“ Theoharova betreibt ein Geschäft in der Bischofsnadel, sie verkauft unter anderem maßgeschneiderte Hoodies und nennt ihren Laden: Huddy. „Wir werden wie die Gastronomie gerade mal wieder geopfert“, klagt die 36-Jährige. Sie kann das nicht verstehen, einerseits die Massen bei Karneval und Fußball, „und gleichzeitig sollen die Menschen keine Weihnachtseinkäufe machen“.
Die Unternehmerin ist sauer, schwer sauer, zumal sie wegen der Kontrollen jetzt ständig ihre Aushilfe beschäftigen muss, die sonst nur ab und zu kommt. Vollends verdrießen lässt sie sich aber nicht, „wir sind jetzt tapfer“. Im Laden hat sie ein Schild aufgestellt: „Ab sofort gilt 2GGK: Geimpft. Genesen. Glühpunsch. Kekse.“