Die Betreuungsquote bei Kita-Kindern ist in Bremen im bundesweiten Vergleich besonders niedrig. Der Anteil der Kindergartenkinder, die an früher Bildung und Betreuung teilhaben, sei hier so gering wie in keinem anderen Bundesland, heißt es in einem aktuellen Länderreport der Bertelsmann Stiftung. Auch die meisten Städte erreichten nach Daten des Statistischen Bundesamtes zuletzt deutlich höhere Quoten von ganztags betreuten Drei- bis Sechsjährigen als Bremen – zum Beispiel Hamburg, Köln, Hannover, Münster und Leipzig. In Bremen lag diese Quote 2021 bei 40 Prozent, in Bremerhaven bei 54 Prozent.
Mehr Plätze, flexiblere Zeiten
Das kleinste Bundesland stehe beim Kita-Ausbau schlecht da, sagt Elke Heyduck, Leiterin der Politikberatung der Bremer Arbeitnehmerkammer: "Wir haben in Bremen die größten Nachholbedarfe, und wir haben die eingeschränktesten Öffnungszeiten bei den Kitas." Doch in der Politik traue sich niemand, die Öffnungszeiten von Kitas auszuweiten, weil man vorrangig auf die Schaffung zusätzlicher Plätze setze. "Aber wir wissen, dass schon eine Ausweitung der Betreuung auf die Zeit zwischen 17 und 18 Uhr vielen Familien helfen würde." Bremen müsse parallel an Ausbau und flexibleren Zeiten arbeiten, fordert Heyduck.
Größtes Hindernis für den Kita-Ausbau sind derzeit die fehlenden Erzieher und Erzieherinnen. Um Kindern gleiche Teilhabe-Chancen und eine kindgerechte Betreuung zu bieten und Kita-Leitungen professionell auszustatten, fehlen bis 2030 in Bremen fast 2000 Kita-Fachkräfte. Das haben Autoren des aktuellen Fachkräfte-Radars für Kitas und Grundschulen der Bertelsmann-Stiftung berechnet.
Eine Erzieherin stützt zehn Familien
Im Land Bremen wurde zu spät auf den steigenden Fachkräftebedarf in Kitas reagiert, schreibt Thomas Schwarzer, Referent für Sozialpolitik der Arbeitnehmerkammer in einer aktuellen Analyse zu Bremens Ausbau-Strategie, die dem WESER-KURIER vorliegt. Eine Erzieherin im Kindergarten ermögliche etwa zehn Familien Spielräume für ihre Existenzsicherung durch Erwerbsarbeit, so Schwarzer. Erst durch Kita-Plätze werde es für Eltern möglich, Lohnarbeit partnerschaftlich aufzuteilen. Und in Bremen ist die Quote der berufstätigen Frauen niedrig, betont Heyduck: "Wir haben extrem wenige erwerbstätige Frauen und bei denen, die arbeiten, eine hohe Teilzeitquote." Mehr als jede zweite berufstätige Bremerin arbeite in Teilzeit. "Dahinter stecken sicher auch Betreuungsprobleme", so Heyduck.
Bremen habe zwar die Ausbildungskapazitäten in den vergangenen Jahren erhöht, aber zu wenig, urteilt Thomas Schwarzer in seinem Bericht: "Insgesamt sind das noch immer deutlich zu wenig Absolventinnen und Absolventen." Hamburg habe die Zahl der Ausbildungsplätze seit 2010 deutlich erhöht. In Bremen hingegen erinnere die Entwicklung eher an einen "langsamen, ruhigen Fluss".
Echte Vergütung gefordert
Bremen hat 50 Plätze für eine bezahlte Ausbildung im Programm PIA geschaffen und mit INRA eine Regelausbildung etabliert, während der angehende Erzieherinnen zumindest rund 780 Euro Aufstiegs-Bafög vom Bund plus eine jährliche Pauschale von 1500 Euro von Bremen erhalten. Doch das reicht aus Sicht der Arbeitnehmerkammer nicht. "Wir brauchen mehr Ausbildungsplätze, und damit die auch besetzt werden, muss man die Ausbildung attraktiver machen", sagt Heyduck. „Wir müssen Schritte in Richtung einer vergüteten Ausbildung gehen", fordert sie und bezeichnet das Aufstiegs-Bafög als "ein Hilfskonstrukt".
Die aktuellen Fördermöglichkeiten durch Schüler-Bafög und Aufstiegs-Bafög seien "für viele Lebenssituationen unpassend oder schlicht nicht existenzsichernd", schreibt auch Schwarzer. Doch um die Ziele beim Kita-Ausbau erreichen zu können, bleibe den Akteuren wenig Zeit. Bereits für die nächsten beiden Ausbildungsjahrgänge im Sommer 2022 und 2023 müsse sich erheblich mehr Nachwuchs für eine Erzieher-Ausbildung entscheiden als bisher.