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Freiwilliges Engagement Wie junge Nordbremer im Ausland helfen

Viele junge Nordbremer engagieren sich in Freiwilligendiensten auf der ganzen Welt. Zwei Beispiele für freiwilliges Engagement in einer Schule und in einem Kindergarten in Afrika
29.03.2018, 20:30 Uhr
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Von Volker Kölling

Bremen-Nord. Seit im Jahr 2011 Wehr- und Zivildienst weggefallen sind, boomen die Freiwilligendienste: Allein „Weltwärts“, der Dienst des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit, hat seit 2008 schon 34 000 junge Deutsche in Projekte in aller Welt geschickt. Neben dem inzwischen größten Freiwilligendienst weltweit gibt es aber auch viele andere Organisationen, die jungen Leuten Erfahrungen verschaffen, von denen sie dann ein Leben lang profitieren können.

Dustin Pelzl ist 19 und in diesem Alter hat ein junger Mann von der Schule eigentlich erst einmal die Nase voll. Eigentlich. „Ich wusste schon mit 13, dass mich das Dasein in Deutschland nicht erfüllt und ich nach Afrika will: Bei uns zu Hause muss man sich um nichts Gedanken machen. Das Essen steht auf dem Tisch, die Putzfrau macht das Zimmer und die Wäsche liegt immer sauber im Schrank.“ Er habe aber auch einmal etwas geben wollen. Da sei das Bedürfnis gewesen, mit der eigenen Zeit etwas Sinnvolles anzustellen, sagt der 19-jährige Blondschopf.

„Weltwärts“ macht ihm das Angebot, in Südafrika in ein Projekt einzusteigen. Aber das ist dem hochgewachsenen jungen Mann aus Burgdamm noch „zu modern“. Am 18. Januar ist er nach Ghana ausgeflogen und wird nun an der Glasgow Academy Ben's School in Kotobabi als Schulhelfer eingesetzt. „Die erste Zeit hier war schwierig, weil ich doch alles mit Deutschland verglichen habe. Aber viele Sachen laufen eben komplett anders: Die Religion spielt hier beispielsweise eine ganz große Rolle: Wenn du nicht Christ bist, bist du Moslem oder Traditionalist. Aber ich hatte vorher mit Religion eher nicht wirklich etwas zu tun.“

Er hat keine Hilfsmittel zur Verfügung, die zu Hause ganz normal sind: Es gibt keine Waschmaschine, keine Spülmaschine, keinen Staubsauger, nichts. Dustin Pelzl: „Hier musst du alles mit deinen Händen selbst bewerkstelligen und das kostet auch viel Zeit. Meine Gastmutter und ihr 23-jähriger Sohn sind beispielsweise zu Hause und kochen allein zwei bis drei Stunden am Tag für die ganze Familie.“

Was auf den Teller komme, sei keine echte Geschmacksexplosion. Das afrikanische Essen sei komplett anders als in Europa, aber immer frisch. Fufu aus dem Pulver der Maniokwurzel an Soße ist allgegenwärtig. Dustin Pelzl hat sich auch daran gewöhnt, dass alles mit den Händen gegessen wird: „Ich war vorher kein Feinschmecker und komme auch hier mit dem schweren Essen auf meine Kalorien. Das ist das Wichtigste.“ Lehrer will er nicht werden. Das wusste er schon vor der Entscheidung für Ghana. Aber nun hat er täglich mit Dutzenden Schülern zu tun, die um ihn herumwuseln. Er ist für den Sport- und den Computerunterricht eingeteilt. Die Fotos von der Arbeit mit den Kindern zeigen den Nordbremer Jungen als Star auf dem Campus, immer umringt. Umso mehr macht ihm zu schaffen, dass Kinder in diesem Land wie selbstverständlich im Unterricht mit Prügel gemaßregelt werden. Für seine elf Monate hat er sich nun einiges vorgenommen: Er möchte über Spenden in Deutschland neue Computer anschaffen und den ganzen Computerraum praktisch neu bauen: „Da reicht auch nicht nur die Ausstattung. Es muss eine Wand ganz neu, damit das Gebäude nicht einstürzt. Und wir bauen auch einen neuen Fußboden ein.“ Und dann ist für die Rudel Kinder nur ein einziger, halb kaputter Basketball da. Auch das will der Handballer dringend ändern.

Der Einsatz von Johanna Bruns, Kristina Höhl und Veronika Müller in Südafrika ist nach sechs Wochen schon wieder fast zu Ende. Für die drei angehenden Krankenschwestern gehörte die Zeit in einem privaten Kindergarten 40 Kilometer von Kapstadt entfernt zu ihrer Krankenpflege-Ausbildung bei der Gesundheit Nord. Johanna Bruns lernt im Klinikum Bremen-Nord: „Das Krasseste hier in Kapstadt ist die tägliche Fahrt durch Westlake vorbei an Golfplätzen und mit Stacheldraht eingezäunten Villen, und drei Straßen weiter haben die Menschen dann plötzlich gefühlt gar nichts mehr. Die Gegensätze zwischen wirklich arm und richtig reich sind unglaublich.“

Der Lichtblick für die Bewohner des Viertels ist der Kindergarten von Cynthia Isaacs und ihrer Familie, in dem von Montag bis Freitag 57 Kinder versorgt werden. Angefangen hat es mal mit einem Kleinkind, dann wurden die Kinder der Gegend zur Herzensangelegenheit der allgegenwärtige Nächstenliebe sehr wörtlich praktizierenden Christin. Viele ihrer Familien sprechen Zulu, Xhosa, Sotho oder Afrikaans, aber nicht die Verkehrssprache Englisch. Johanna Bruns: „Wir finden es wichtig, den Kindern gleiche Chancen zu geben. Hier im Kindergarten wird viel gelernt: Sprache, Zahlen, der Umgang miteinander. Und die Eltern hier geben ihre Kinder gezielt in den Kindergarten, damit sie Bildung bekommen. Viele wären sonst mit sechs nicht schulfähig.“

Eigentlich hatten die angehenden Krankenschwestern zuerst den Einsatz in einer Klinik im Blick. Aber dann kam über ein paar Ecken der Einsatz im „Jabulina Day-Care-Center“. Nach sechs Wochen fällt der anstehende Abschied von den Kindern den jungen Frauen mächtig schwer. Die Fotos zeigen Kinder, die die Frauen aus Deutschland am liebsten nicht mehr gehen lassen würden. Johanna Bruns: „Wir waren Dienstag noch mit allen Kindern am Strand. Heute haben wir ihnen zum ersten Mal gezeigt, wie man sich die Zähne putzt. Manche haben nur braune Stummel im Mund, weil ihre Eltern nichts über Gesundheit und Ernährung wissen und den Kindern abends Zucker geben.“ Als Krankenschwestern hätten die drei viel von ihrer Ausbildung in die tägliche Arbeit einbringen können, findet die junge blonde Frau aus Blumenthal.

Und sie haben gesehen, an was es alles fehlt: „Die Eltern zahlen umgerechnet dreißig Euro im Monat für die Betreuung inklusive der zwei Mahlzeiten für die Kinder am Tag. Oft bleibt kaum Geld für Cynthia und ihre eigene Familie und es fehlt doch an allen Enden", weiß Johanna Bruns über die Frau, die die Kindergartenkinder praktisch in ihrem privaten Wohnhaus und die Krippenkinder eine Straße weiter beherbergt. Auf der Einkaufsliste stehen einfache Artikel des täglichen Bedarfs wie Toilettenpapier, Desinfektionsmittel oder Feuchttücher. Aber es müssen auch Wände neu gebaut, Betten ersetzt und überhaupt einmal Spielzeuge gekauft werden: „Jeder Euro, den wir Cynthia geben würden, käme direkt bei den Kindern an. Da sind wir uns ganz sicher.“

Info

Zur Sache

Hilfe für die Helfer

Wer dem Kindergarten in Südafrika helfen ­möchte, kann das über folgende Foundraising-Seite im Internet tun: www.gofundme.com/EducationforJabulani.

Wer Dustin Pelzl bei der Ausstattung der Schule in Ghana mit Sportartikeln und Computern helfen möchte, kann direkt auf sein Konto mit dem Stichwort „Verwendung: Glasgow Academy“ spenden. Die IBAN lautet DE06 0000 1058 0104 53.

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