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Alternative bei Straßenglätte Könnte der Bremer Winterdienst von Salz auf Kaffee umsteigen?

Kaffeesatz statt Salz: Es soll die günstigere und umweltfreundlichere Alternative für glatte Straßen sein. Warum Bremen aber den Einsatz alternativer Streumittel bei Schnee und Eis eher skeptisch betrachtet.
10.04.2022, 15:25 Uhr
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Könnte der Bremer Winterdienst von Salz auf Kaffee umsteigen?
Von Justus Randt

Wäre es möglich, Straßen und Wege mit Kaffeesatz wintersicher zu machen? Wie so viel Wichtigeres hat der Krieg in der Ukraine auch erste Erkenntnisse von Tests in Lwiw zunichtegemacht. Die CDU-Bürgerschaftsfraktion war auf das Pilotprojekt, das auch in Krakau (Polen) läuft, aufmerksam geworden. In einer Kleinen Anfrage an den Senat, die dieser Tage beantwortet worden ist, hatte sie wissen wollen, ob diese „als besonders ökologisch und ökonomisch sinnvoll beworbene“ Methode nicht auch in Bremen erprobt werden könnte. Zumindest technisch wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, sich auf eigene Versuche vorzubereiten: Die Straßencafés haben die Saison eröffnet, die Erntezeit für Kaffeesatz könnte beginnen, damit irgendwann ausreichend Streugut auf Halde liegt.

Suche nach günstiger und umweltfreundlicher Alternative zu Sand-Salz-Gemisch

Bisher kommen in der Stadt Bremen Feuchtsalz, Sand-Salz-Gemisch und Granulat zum Einsatz, wenn es glatt wird. „Angesichts dieses Streumixes“ fragt sich die CDU-Fraktion, ob sich nicht umweltverträglichere und günstige Alternativen nutzen ließen. Die im vergangenen Jahr begonnenen Pilotprojekte seien von der Bevölkerung positiv aufgenommen worden. „Kaffeesatz wird dabei kostenlos von den kooperierenden Cafés und Lokalen abgeholt.“ Teststrecken waren demnach Wege in Parkanlagen, auf denen je Meter 100 Gramm Kaffee verpulvert wurden. „Vor dem Hintergrund des ,Zero-Waste‘-Gedankens in Bremen wäre es daher zu prüfen, inwiefern solche Pilotprojekte nach dem Vorbild von Krakau und Lwiw auch in der Stadtgemeinde Bremen umgesetzt werden können, zumal Bremen viele Cafés und Kaffeeröstereien beheimatet.“

Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) waren Anfang des Jahres 2233 ihrer Mitglieder in der Stadt gastronomische Betriebe. Die neueste IHK-Statistik für das Jahr 2020 geht landesweit von 1188 Beschäftigten in der Verarbeitung von Kaffee und Tee und der Herstellung von Kaffee-Ersatz aus. Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga hatte im selben Jahr 500, die Bremer Gastro-Gemeinschaft zählt aktuell rund 400 Mitglieder. Die Wirtschaftsförderung sieht Bremen als Kaffeemetropole: „Jede dritte in Deutschland getrunkene Tasse Kaffee kommt aus Bremen, und fast jede zweite importierte Bohne wird über die Hansestadt eingeführt.“ Im vergangenen Jahr waren das nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund 600.000 Tonnen. Kaffee gibt es in Bremen also satt. Auch wenn nicht die Bohne interessiert, sondern das, was nach der Kaffeezubereitung übrig bleibt.

Verkehrssicherheit auf Bremer Straßen hat oberste Priorität

Dass die Bremer Stadtreinigung (DBS) und der Umweltbetrieb Bremen (UBB), die auf öffentlichen Straßen und Wegen in Bremen für den Winterdienst zuständig sind, künftig pulvern statt streuen, ist laut Antwort des Senats eher unwahrscheinlich: Für den Einsatz im öffentlichen Straßenraum habe die zuverlässige Herstellung der Verkehrssicherheit oberste Priorität. Die DBS sehe „aktuell keine Alternative zum Einsatz von Taumitteln“, um dies zu gewährleisten. Es sei sogar festgestellt worden, dass der Einsatz von Sand und Sand-Salz-Gemisch auf Radwegen „in zunehmendem Maße an seine Wirkungsgrenzen“ stoße, weil immer mehr schnell fahrende Elektroräder unterwegs seien. Deshalb werde nun „zur weiteren Optimierung“ eine gering dosierte Salzlauge erprobt, mit der man in Hannover bereits gute Erfahrungen gemacht habe.

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Bei der DBS würden Streumittel ohnedies „ökologisch und ökonomisch optimiert“ eingesetzt, teilt der Senat mit. „Aus Sicht des UBB verursacht der Einsatz von Streusalzen erhebliche Schäden an den Bäumen. Es muss daher das Ziel sein, vitalitätsbeeinträchtigende Einflüsse auszuschließen oder zumindest zu minimieren.“ Grundsätzlich sei die Suche nach alternativen Streumitteln also zu begrüßen.

Was den Kaffeesatz betrifft, müsse man unter anderem die Auswirkung des Nährstoffeintrags in Böden und Gewässer prüfen. „Weiterhin sollten die Umrüstkosten für Fahrzeuge und ein möglicher Trocknungsaufwand berücksichtigt werden.“ Und wo Split und Sand verwendet würden und in größeren Mengen schnell verfügbar seien, „ist der Einsatz von Kaffeesatz mit einer vermutlich aufwendigeren logistischen Bereitstellung keine Alternative“. Auch der Aufwand für das Einsammeln von Kaffeesatz müsse zunächst ermittelt und berücksichtigt  werden. „Derzeit stehen hierfür keine personellen Möglichkeiten zur Verfügung.“

Nachschub gäbe es fast an jeder Ecke. Im Café Glücksküche im Steintorviertel beispielsweise füllt Chefin Julia Urbanik regelmäßig die halbe Biotonne mit Kaffeesatz. Eine Nachbarin hole sich im Sommer immer etwas davon, um Schnecken zu verschrecken. „Dafür bekomme ich dann Pflanzenableger.“ Auch als Dünger ist das Pulver nicht zu verachten. Und längst wird Kaffeesatz auch als Werkstoffbestandteil eingesetzt. Zum Beispiel für modische To-go-Kaffeebecher.

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