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Serie: Wir wohnen anders Zuhause in einem Bremer Weltkriegsbunker

Familie Homburg hat ein ungewöhnliches Zuhause. Sie wohnt in einem Weltkriegsbunker. Hausherr Hanke Homburg hat uns die Tür geöffnet und ganz viel darüber erzählt, warum und wie man in einem Bunker lebt.
07.06.2025, 05:00 Uhr
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Zuhause in einem Bremer Weltkriegsbunker
Von Marc Hagedorn

Jetzt mal im Ernst. Hanke Homburg hat gerade erzählt, wie seine Frau und er vor ein paar Jahren an ihr neues Zuhause gekommen sind. Man schreibt doch nicht wirklich einen Brief an irgend so eine Bundesanstalt, schreibt hallo, wir sind Familie Homburg, wir würden gern den Bunker in der Plöner Straße 8 in Bremen kaufen, das ist uns so und so viel Tausend Euro wert. Und dann kriegt man irgendwann Post, und der Klotz gehört einem? „Doch“, sagt Homburg, „so war das.“ Und so wohnt die Familie seit inzwischen mehr als zehn Jahren in einem ehemaligen Weltkriegsbunker.

Für Gebäude dieser Art ist der Begriff Trumm irgendwann einmal erfunden worden. 13 Meter lang, 13 Meter breit, zehn Meter hoch, mit der dritten Etage, die die Homburgs selbst noch oben draufgesetzt haben, sogar 14 Meter. Das macht fast 300 Quadratmeter Wohnfläche, und es wären noch mehr, wenn man nicht die dicken Wände abziehen müsste. Sie sind 1,10 Meter dick, ist ja ein Bunker. Preisfrage: Wie kriegt man da einen Nagel oder ein Bild in oder an die Wand?

Homburg schmunzelt. „Ach“, sagt er, „mit dem Schlagbohrer geht das schon.“ Überhaupt haben sie mit den Decken und Wänden ja schon ganz andere Sachen angestellt. Mit Bohrern und Stahlseilen zum Beispiel tonnenschwere Blöcke wie aus einem Stück Käse herausgeschnitten, um Licht in den Würfel zu lassen. Ein Autokran war notwendig, um die Brocken im Format 2,80 mal 1,10 Meter auf Tieflader zu hieven, damit sie abtransportiert werden konnten. „Das war wie ein Hausbau, nur umgekehrt“, sagt Homburg.

Der 57-Jährige hat sichtlich Spaß daran, davon zu erzählen. Er hat damals viele Fotos gemacht vom Umbau. Nachdem die Familie den Bunker 2012 für 120.000 Euro der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben abgekauft hatte, die ihn unbedingt loswerden wollte, dauerte es noch zwei Jahre, bis die Homburgs einziehen konnten. Es musste viel getan werden in der Zwischenzeit, vieles in Eigenarbeit. Vorher hatten ein paar Bands an diesem Ort Musik gemacht.

Als Homburg und seine Frau die Tür zum Bunker damals das erste Mal aufmachten, sahen sie: nichts. Oder nicht viel. Dunkel, kalt, aber zum Glück nicht feucht sei es gewesen. Man muss wohl schon Architektin sein wie seine Frau oder Designer wie er selbst, um sich vorstellen zu können, dass so ein Verlies später einmal ein wohnliches Familienheim sein könnte.

Heute trifft Gemütlichkeit auf rauen Charme. Der Stahl bricht an mehreren Stellen durch den Beton. Die nackten Wände sind mit weißer Farbe gestrichen, die Bodenfliesen noch im Original. An den Wänden hängen Bilder, von denen der Hausherr einige selbst gemalt hat. Küche, Ess- und Wohnbereich gehen ineinander über. Die Sofaecke ist über ein paar Stufen auf einer Zwischenebene untergebracht. Bodentiefe Fenster lassen viel Licht ins Innere. Die Decken sind hoch, an der langen Tafel ist Platz für zwölf Leute.

Eine Etage darüber schläft die Familie. Die Freifläche auf der Galerie vor den Zimmern hatte sich früh die Tochter erobert, hier war ihr Reich. Eine Turnmatte liegt dort immer noch, ein Klavier steht an der Wand, an der auch hier Kunst hängt.

Mit der oberen Etage, im Kontrast zum Rest in leichter Holzbauweise entstanden, haben sich Homburg und seine Frau ihren Traum verwirklicht. „Ich wollte eine Fabriketage, meine Frau einen Dachboden“, sagt Homburg. Jetzt haben sie beides in einem. Über den Dächern Walles kann er in seinem Atelier nun malen, und für ein Büro ist auch noch Platz.

Auf Google Maps hätten sie sich den Bunker damals am Bildschirm aus der Vogelperspektive angeschaut, erzählt Homburg. Sofort sei klar gewesen, dass sie obendrauf eine große Dachterrasse setzen würden. „Wir haben die grünen Bäume und die Gärten der Nachbarn um uns herum gesehen“, sagt Homburg, „die mussten wir also schon mal nicht mehr selbst anlegen. In dem Moment hat sich der Traum im Kopf zusammengebastelt.“ Die Dachterrasse mit Sitzgruppe, Liegen, Grill und Blumen, die in Wannen gepflanzt sind, ist bestimmt 60 Quadratmeter groß.

Der Bunker liegt in einem Wohngebiet, Mehrfamilienhäuser rechts und links, die Straßen eng. Die Anwohner laufen sich über den Weg, man kennt sich mindestens vom Sehen. Dass der Bunker die benachbarten Gebäude heute überragen darf, mussten sich die Homburgs behördlich genehmigen lassen. Und nahmen von sich aus die Nachbarn früh mit ins Boot. Ist ja schließlich nicht alltäglich, dass eine Familie in einen Bunker zieht. Was mögen das für Leute sein?

Also stellten sie sich vor, erklärten, was sie vorhatten, luden später zum Einzug ein. Bei dieser Gelegenheit brachte eine Nachbarin ein Buch mit, Titel „Jede Stunde dem Schicksal abgestohlen“. Es ist das Brieftagebuch von Magdalene Krippner, die darin von den Stunden und Tagen in eben jenem Bunker berichtet, in dem jetzt die Homburgs leben. Kann man sich das heute noch vorstellen?

Homburg sagt, dass seine Frau und er sich intensiv mit der Geschichte des Bunkers auseinandergesetzt hätten; 1941 als einer der ersten Bunker im laufenden Krieg gebaut; mehrere Räume, gedacht für jeweils zwölf Personen, tatsächlich belegt oft mit bis zu 50. Dieser Bunker ist vergleichsweise aufwendig gestaltet mit gemauertem Treppenhaus und akkurat gelegten Fliesen. Später, als die Angriffe mehr und die Not immer größer wurden, änderten sich Bauweise und Ausstattung der Bunker deutlich. Spartanisch und schlicht. Rund 120 Bunker in Bremen sind in den Karten der Landesarchäologie eingezeichnet. Fast 300 soll es insgesamt noch irgendwo im Stadtgebiet geben.

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Die Homburgs halten es für wichtig, über die Geschichte ihres Zuhauses zu sprechen. Immer wieder komme es vor, dass Menschen staunend vor dem Gebäude stünden. Von außen sieht der Koloss immer noch faszinierend aus, fast so wie früher, außer dass er jetzt Fenster hat und die Fassade mit Grün bewachsen ist, Efeu, Wein.

Manche Passanten trauten sich sogar und klopften an mit der Bitte, doch einmal einen Blick ins Innere werfen zu dürfen. Und es sind nicht nur ältere Menschen, „wir hatten hier auch schon ein paar Gröpelinger Jungs“. Homburg vergisst in solchen Momenten nie, daran zu erinnern, was es mit diesem heute so schönen Ort auf sich hat. „Ja, cool, kann man sagen, aber der Grund dafür, warum dieses Gebäude hier überhaupt steht, ist nicht cool.“

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