Die Startvorbereitungen für die Mondmission Artemis I mit dem Raumschiff Orion vom Kennedy Space Center laufen auf Hochtouren. Das Antriebsmodul für Orion stammt von Airbus Defence and Space aus Bremen. Dort sind Sie seit 1. März neuer Standortleiter. Das ist doch ein Einstand nach Maß, oder?
Marc Steckling: Zu dem Zeitpunkt hier die Arbeit aufzunehmen und dieses große Raumfahrtprojekt, das eine jahrelange Entwicklung hinter sich hat, bei der Startvorbereitung und beim Start miterleben zu können, ist ein sehr großes Privileg. Das ist natürlich ein Einstand nach Maß. Damit einhergehend ist Bremen ein außergewöhnlicher Standort und ich freue mich, die ganzen Kollegen kennenzulernen.
Was beeindruckt Sie besonders?
Auf jeden Fall die Historie, die das Projekt bereits hinter sich hat. 2013 hatte die US-Raumfahrtbehörde der europäischen Raumfahrtagentur Esa die Verantwortung für die Entwicklung und den Bau dieses missionskritischen Elements übertragen. 2018 wurde es geliefert, und wohl in wenigen Wochen steht der Start an. Da haben viele Akteure in sehr kurzer Zeit – zumindest in Raumfahrtdimensionen gedacht – ganz tolle Arbeit geleistet. Jetzt dabei zu sein und das Projekt für weitere Missionen zu begleiten, ist fast schon etwas Einmaliges.
Werden Sie beim Start dabei sein?
Auf jeden Fall. Dieses Ereignis hat historische Dimensionen. 50 Jahre nach Apollo 17, der letzten bemannten Mondmission, fliegen die USA zunächst unbemannt weit hinter den Mond und in weiteren dann bemannten Missionen wieder auf den Erdtrabanten. Europa ist erstmals dabei. Das lasse ich mir definitiv nicht entgehen.
Finden Sie, dass diese Mission, die Orion so weit hinter den Mond bringen soll wie kein Raumschiff zuvor, bereits als Aufbruch in ein neues Raumfahrtzeitalter wahrgenommen wird?
Dass es den Willen gibt, den Mond bis zum Ende dieses Jahrzehnts zu besiedeln, ist ein Momentum, das die gesamte Raumfahrtszene seit ein paar Jahren antreibt. Ich denke, in der breiten Öffentlichkeit wird diese Mission spätestens beim Start zu einem großen Ereignis werden. Nicht nur Agenturen wie Esa und Nasa haben den Mond im Fokus, sondern auch viele kommerzielle Missionen haben das Ziel, den Mond zu besiedeln. Das ist ein großer Schritt weiter als beim Apollo-Programm. Außerdem wird der Mond als sinnhafter Zwischenschritt gesehen, um von dort weiter ins Universum aufzubrechen. Und das nächste Ziel ist dann der Mars. Das ist auch das Fernziel der Artemis-Mission.
Nach dem Start ist vor dem nächsten Start. Woran wird derzeit im Bremer Werk gearbeitet?
Der Fokus liegt derzeit natürlich auf dem Start – allein schon deshalb, weil wir mit unseren industriellen Partnern im Auftrag der Esa erstmalig für eine US-amerikanische Mission aus Europa heraus ein systemrelevantes Modul geliefert haben. Und wir arbeiten an der Zukunft. Das beinhaltet die Module zwei und drei, wir haben im vergangenen Jahr den Vertrag für Nummer vier bis sechs geschlossen, und es liegt die Angebotsaufforderung für die Module sieben bis neun vor. Unser Engagement wird aber weit über diese Missionen hinausgehen. Beim Aufbau einer Mond-Ökonomie werden wir unsere technologische Expertise vielfältig einbringen.
Wie nehmen Sie Bremen als Raumfahrtstandort insgesamt wahr?
Ein bisschen kenne ich Bremen bereits. Ich habe hier 1999 nach meiner Promotion meinen ersten Anstellungsvertrag bei Airbus bekommen. Danach war ich für verschiedene Bereiche innerhalb der Raumfahrt bei Airbus verantwortlich. Der Raumfahrtstandort Bremen hat sich während dieser zwei Jahrzehnte noch stärker etabliert. Und egal mit wem man spricht, immer schwingt die Begeisterung für Raumfahrt mit – in der Bevölkerung und in der Politik. Es gibt hier insgesamt starke Player. Neben Airbus, Ariane Group und OHB gehören dazu viele Zuliefererfirmen und Institute. Hier gibt es ein einmaliges Umfeld mit vielen Akteuren, die kleine und große Schnittmengen haben und gut gerüstet sind für die Zukunft.