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US-Raumschiff mit Bremer Technik Orion-Mission rückt näher

Der erste Orion-Auftritt rückt näher. Anfang April soll die sogenannte nasse Generalprobe für das US-Raumschiff mit Bremer Antriebstechnik stattfinden. Der eigentliche Start ist für Ende Mai vorgesehen.
16.03.2022, 15:55 Uhr
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Orion-Mission rückt näher
Von Peter Hanuschke

Wie eine Riesenschildkröte an Land wird sich die Trägerrakete samt US-Raumschiff Orion an diesem Donnerstag bewegen: sehr langsam. Ziel ist die legendäre Rampe 39B im Kennedy Space Center in Florida, von der aus schon die Apollo- und Shuttle-Missionen starteten. Genau wie die Riesenschildkröte erst im Wasser Geschwindigkeit aufnehmen kann, zeigt das Duo erst in einer anderen Umgebung seine volle Dynamik: auf dem Weg zum und später im Weltraum. Letzteres gilt besonders auch für das Antriebs- und Versorgungsmodul des Raumschiffs, das am Bremer Standort von Airbus Defence and Space als Hauptauftragnehmer eines Industriekonsortiums aus zehn europäischen Ländern entwickelt und gefertigt wurde.

Der erste Orion-Auftritt rückt näher. Anfang April soll die sogenannte nasse Generalprobe stattfinden. Der eigentliche Start – das Raumschiff fliegt bei seinem Jungfernflug unbemannt – ist für Ende Mai vorgesehen. Die Vorbereitungen dafür laufen auf Hochtouren, aber zunächst ist Langsamkeit angesagt: Mit einer maximalen Geschwindigkeit von 0,82 Meilen pro Stunde (1,32 Kilometer pro Stunde) wird sich der Raupentransporter samt Rakete und Raumschiff bewegen. Für die vier Meilen zwischen dem Raumfahrzeugmontagegebäude (Vehicle Assembly Building) und der Apollo-Rampe rechnet die US-Raumfahrtbehörde Nasa mit einer Fahrtzeit von zwölf Stunden.

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70.000 Kilometer über den Mond hinaus

Im Verhältnis zur eigentlichen Mission, die den Namen Artemis I trägt, eine nicht erwähnenswerte Strecke: Orion soll 70.000 Kilometer über den Mond hinaus fliegen – also fast eine halbe Million Kilometer von der Erde entfernt, eine mit Abstand bislang nie erreichte Distanz eines Raumschiffs in die Weiten des Weltraums. Auf seiner Rückreise wird das Raumschiff einen weiteren Vorbeiflug am Mond machen, bevor es zur Erde zurückkehrt – allerdings ohne das von der europäischen Raumfahrtbehörde in Auftrag gegebene und in Bremen gefertigte European Service Modul. Das trennt sich vom Raumschiff ab und verbrennt in der Atmosphäre. Die gesamte Mission ist auf etwa 20 Tage ausgelegt und endet mit einer Wasserung im Pazifischen Ozean.

Bei der bemannten Artemis-2-Mission sollen Menschen um den Mond fliegen. Die Rückkehr von Astronauten auf die Mondoberfläche ist bislang für 2024 geplant, wobei das gesamte Programm schon mehrfach verschoben wurde. So waren der erste Flug ursprünglich für 2017 und der erste bemannte Flug für 2021 vorgesehen. Aber dann hatte es Verzögerungen bei der Entwicklung der Nasa-Rakete Space Launch System (SLS) gegeben, für die der Start wie für Orion eine Premiere sein wird. Anfang letzten Jahres hatte es einen technischen Rückschlag gegeben: Bei einem Test sollten die vier Triebwerke der Hauptstufe acht Minuten lang brennen – eine nicht unerhebliche Zeitspanne. Denn so lange dauert es, das SLS vom Startplatz in Florida ins All zu bringen. Beim Test schalteten sich die Antriebe aber schon nach einer Minute ab. 

Grundlage für den Lunar Gateway

Die weltweit stärkste, 98 Meter hohe Schwerlastrakete wurde extra für diese und folgende Missionen entwickelt. Orion und die SLS bilden die Grundlage für den späteren Aufbau des Lunar Gateway. Die geplante Raumstation, hinter der mehrere Nationen stehen, ist Bestandteil des Artemis-Programms. Lunar Gateway soll einmal auf einer elliptischen Umlaufbahn im Mondorbit als Basislager für ­Missionen zur Mondoberfläche genutzt ­werden.

Voraussetzung für all diese Vorhaben ist die erfolgreiche nasse Generalprobe. Im Prinzip wird bei diesem Test alles so gemacht wie beim eigentlichen Start, bis auf die Zündung der Rakete. Die Rakete mitsamt der Raumkapsel wird auf der Startrampe platziert und mit Strom, gekühltem Wasser und Druckluft verbunden. Es finden unter anderem Navigations- und Steuersystemtests statt, das SLS-Launch-Control-Center wird aktiviert, und es wird die Verbindung zu Mission Control in Houston hergestellt. Außerdem kommt es zum "nassen" Test: Das SLS wird mit kryogenen Treibstoffen betankt – eine auf minus 253 Grad Celsius heruntergekühlte Mischung aus Wasserstoff und Sauerstoff.

Der Countdown unter realen Bedingungen wird etwa zehn Sekunden vor dem Zünden der vier RS-25-Motoren, die noch aus dem Shuttle-Programm stammen und für weitere Missionen modifiziert werden, manuell abgeschaltet. Während der Tests werden verschiedene Szenarien geprobt, etwa bei drei Minuten den Startvorgang zu unterbrechen und mit den Systemen wieder auf T-minus-Zehn-Minuten zurückzukehren, um den Countdown von da wieder fortzusetzen.

Zur Sache

Die Aufgabe des ESM

Das European Service Module (ESM), das am Bremer Standort von Airbus Defence and Space als Hauptauftragnehmer eines Industriekonsortiums entwickelt und gefertigt wurde, ist der Beitrag der europäischen Raumfahrtbehörde Esa zum US-Raumschiff Orion, das Astronauten zum Mond und darüber hinaus schicken wird. Das ESM liefert Strom, Wasser, Sauerstoff und Stickstoff und hält das Raumfahrzeug auf der richtigen Temperatur und auf Kurs. Das Modul verfügt nach Angaben der Esa über 33 Schubdüsen, elf Kilometer elektrische Verkabelung, vier Treibstoff- und zwei Drucktanks, die alle zusammenarbeiten, um den Antrieb zu liefern und alles, was benötigt wird, um Astronauten fernab der Erde am Leben zu erhalten.

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