An diesem Freitag ruft die IG Metall bundesweit zu Kundgebungen auf. In Bremen wird es bei Mercedes, dem Stahlwerk von Arcelor-Mittal und Airbus Zusammenkünfte geben. Worum genau geht es Ihnen dabei als Gewerkschaft?
Daniel Friedrich: Wir wollen mit dem Aktionstag an die neue Regierung appellieren, die richtigen Weichenstellungen für die Industrie der Zukunft zu stellen. Die neue Bundesregierung will – ich glaube, da ist viel dran – quasi eine Zeitenwende einleiten. Es geht dabei um die Frage, wie kann Gesellschaft und wie kann Wirtschaft sich klimapolitisch aufstellen? Jetzt ist die Zeit, um den drei Parteien, die eine Koalition bilden wollen, sehr klar ins Stammbuch zu schreiben: Wir brauchen eine Versöhnung von Ökologie und Ökonomie. Und das Soziale darf beim Umbruch nicht verloren gehen.
Das sorgt Sie derzeit?
Ja. Schon bei Corona hatten wir die Frage, wer überhaupt Hilfen bekommt. Sollen es nur die Firmen sein, die schon ein grünes Siegel haben? Oder unterstützen wir auch Betriebe, die noch nicht soweit sind? Hinter dem Begriff Transformation steckt, dass sich etwas radikal ändern wird. Wenn wir jetzt nur die wirtschaftlich und technisch notwendigen sowie die klimapolitisch gewünschten Veränderungen sehen, dann wird das zu sozialen Verwerfungen führen. Und das können wir nicht akzeptieren. Die Menschen haben dafür gesorgt, dass wir heute überhaupt diesen Wohlstand haben und deswegen gibt es auch eine Verantwortung, gemeinsam mit ihnen den Wandel zu gestalten. Wir fordern eine soziale, demokratische und ökologische Transformation – mit den Menschen und nicht gegen sie.
Welche Herausforderungen bringt der Wandel?
Nehmen wir den Schiffsbau, der weiterhin eine Perspektive hat, aber natürlich klimafreundlicher werden muss. Da kann ich nicht sagen: Ich schließe jetzt einfach mal die Werften und warte, bis neue Schiffsantriebe da sind. Ich muss den Übergang organisieren. Gerade in Bremen ist auch ein großes Thema, wie wir den Stahl grün machen können. Gleichzeitig müssen wir uns damit beschäftigen, dass klimafreundlicher Stahl teurer sein wird. Wie schützen wir uns also gegen billigen schmutzigen Stahl aus dem Ausland? In der Automobilbranche wird der Umstieg auf E-Mobilität auch Verwerfungen mit sich bringen. Wie gehen wir damit um? Die Regierung muss auf solche Fragen Antworten finden.
Die Kundgebungen finden aber nicht im Berliner Regierungsviertel, sondern am Werkstor statt. Geht Ihr Appell nicht ebenso Richtung Wirtschaft?
Ja, die Wirtschaft ist genauso gefordert. Wir haben zu viele Unternehmen, die immer noch zu abwartend sind und die Gestaltung der Zukunft nicht in die Hand nehmen. Deswegen haben wir in der Metall- und Elektroindustrie jetzt einen Tarifvertrag durchgesetzt, der dazu führt, dass die Betriebe sich um die Zukunft mit den Beschäftigten gemeinsam Gedanken machen sollen. Im Stahlwerk gibt es schon lange eine Debatte, wie man ökologischer arbeiten kann. Hier ist klar, dass man das nicht alleine wuppen kann und der Staat finanziell unterstützen muss. Im Schiffsbau haben wir dagegen zu viele Betriebe, die sich sozusagen auf ihren Kernbereich konzentrieren. Wir haben in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren gesehen, dass die Innovationshilfen des Staats maßgeblich von zwei Werften abgegriffen wurden.
Was ist in der Vergangenheit versäumt worden?
Ich weiß nicht, ob man etwas versäumt hat. Aber die Frage ist immer, ob Veränderungen schon im Vorfeld richtig gespürt wurden. Aus meiner Sicht gibt es zwei wesentliche Punkte. Der eine ist diese überzogene Fokussierung auf das Kerngeschäft – gerade in Aktiengesellschaften. Es wird das gemacht, womit richtig viel Geld zu verdienen ist. Das führt natürlich dazu, dass ich gar nicht den Blick für das Neue und Andere habe, weil ich nur noch auf mein Produkt konzentriert bin.
Nennen Sie bitte ein Beispiel.
Im Schiffsbau gibt es bei manchen Werften eine reine Fokussierung aufs Militär. Aufträge der Marine schwanken allerdings, weshalb es ein ziviles Standbein braucht, um das auszugleichen. Wir haben das auch im Maschinenbau, wenn ein Unternehmen sich auf ein Segment für einen Hauptkunden konzentriert. So fehlt der Blick über dieses Segment hinaus.
Und was ist der zweite Grund, warum es einen Aufbruch braucht?
Die Digitalisierung ist unterschätzt worden. Viele sagen: Veränderungen haben wir ja schon immer gehabt. Aber die Digitalisierung hat eine enorme Dynamik und enormes Potenzial. Und hinzukommt natürlich der Druck, ökologischer zu werden. Fridays for Future hat ja für viele – da möchte ich mich einschließen – nur ausgesprochen, was man selbst in sich empfunden hat: So geht es nicht weiter. Das ist ein Weckruf. Ich erwarte nicht von den jungen Leuten selbst, dass sie die Lösung zu diesem Problem liefern müssen. Das ist unsere Aufgabe als Wirtschaft, Gewerkschaft und Politik. Ich hoffe also, dass wir eine Aufbruchsregierung bekommen.