Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer im Land Bremen sind unzufrieden mit ihrer Arbeitszeit. Das zeigt eine aktuelle repräsentative Umfrage der Bremer Arbeitnehmerkammer. Demnach würden 41 Prozent gern weniger arbeiten, zwölf Prozent dagegen gerne mehr. Unterschiede gibt es zwischen den Wünschen von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten. Während jede zweite Vollzeitkraft die Stunden lieber reduzieren würde, wünscht sich jede vierte Teilzeitkraft eine Aufstockung.
Unter denjenigen, die in Teilzeit arbeiten, gab mehr als ein Drittel an, dass sie dies aus gesundheitlichen Gründen tue, für 15 Prozent war dies sogar der ausschlaggebende Faktor. Zwei Branchen stachen hier besonders hervor: die Pflege und das Gastgewerbe. Die körperlichen und emotionalen Belastungen sowie gehäufte Überstunden haben laut den Befragten einen negativen Einfluss auf die Gesundheit. Auch familiäre Gründe wurden genannt. Elke Heyduck, Geschäftsführerin der Arbeitnehmerkammer, sagt: „Bevor wir die unselige Diskussion über die Verlängerung der Lebensarbeitszeit führen, müssen wir erst einmal dafür sorgen, dass Beschäftigte gesund bleiben und ihre Arbeit bis zur Rente ausüben können.“
Teilzeitwünsche von Männern abgelehnt
Die Umfrage zeigt, dass Arbeitgeber eher bei Männern den Wunsch nach mehr Teilzeit ablehnen. 86 Prozent der Männer mit Teilzeitwunsch gaben an, dass sie mehr Zeit mit der Familie verbringen wollen. Sie stoßen bei ihren Arbeitgebern besonders häufig auf Widerstände. So gaben 44 Prozent der Männer mit Teilzeitwunsch an, dass Vorgesetzte oder Arbeitgeber einer Arbeitszeitverkürzung nicht zustimmten. Bei Frauen ist die Quote deutlich geringer: Hier sagten 27 Prozent der Teilzeitwilligen, dass sie keine Zustimmung vom Arbeitgeber erhielten.
Projektleiterin Marion Salot sagt: „Wir brauchen an verschiedenen Lebensphasen orientierte, moderne Arbeitszeitmodelle für Männer und Frauen. Sie müssen auch zu den familiären Anforderungen passen.“ Angesichts des immer stärker werdenden Fachkräfte- und Arbeitskräftemangels gelte es, die Potenziale unter der bestehenden Arbeitnehmerschaft zu heben. Allerdings gibt die Arbeitnehmerkammer zu bedenken, dass eine Ablehnung auch branchenbedingt sein kann. Als Beispiel wurde das Bauwesen genannt, in dem mehr Männer arbeiteten und in der sich der Wunsch nach mehr Teilzeit womöglich schwieriger gestalte.
Manchmal liegt der Verzicht auf eine Arbeitszeitreduzierung aber auch bei den Arbeitnehmern selbst: So würden zahlreiche Alleinerziehende gern weniger arbeiten, aber dann reiche das Geld nicht mehr aus. Auf der anderen Seite würde fast jeder vierte Teilzeit-Beschäftigte gern Stunden aufstocken, hier scheitert wieder ein Viertel an der ablehnenden Haltung der Arbeitgeber.
Überproportional häufig (und erfolglos) wurde der Wunsch nach Stundenerhöhung im Gastgewerbe geäußert. Die Arbeitnehmerkammer bezeichnet dies als „bemerkenswert“, da gerade diese Branche doch über einen besonders hohen Fachkräftemangel klage. Kammer-Projektleiterin Monika Salot zieht daraus ihre Schlüsse: „Die Personalpolitik des Gastgewerbes zielt darauf ab, möglichst viele Hände flexibel einsetzen zu können. Deshalb ist die Teilzeitquote hier enorm hoch.“ Wer angesichts des Fachkräftemangels „Beschäftigten den Wunsch nach mehr Stunden abschlägt, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden“, fügt Salot an.
Unterstützung vom Land für kleinere Betriebe
Die Kammer fordert vom Land Bremen ein Programm „Arbeitszeit ist Lebenszeit“, mit dem kleine und mittlere Betriebe bei den Arbeitszeitmodellen gestärkt werden sollen. Auch die Kinderbetreuung sollte kontinuierlich und zügig ausgebaut werden. Mit Befragungen der Eltern kann der Bedarf an Betreuung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermittelt werden.
Potenziale sieht die Arbeitnehmerkammer ebenso in den Bildungsabschlüssen der Beschäftigten. Sie stellte durch die Befragung auch fest, dass es vor allem Frauen sind, oft mit Migrationshintergrund, die über einen Hochschulabschluss verfügen, jedoch einer Tätigkeit unterhalb ihrer Möglichkeiten nachgehen.
Für diese Erhebung „Koordinaten der Arbeit“ hat die Arbeitnehmerkammer vom Forschungsinstitut Infas knapp 3000 Menschen zwischen Februar und Mai 2023 zur Zufriedenheit über ihre Arbeitszeiten befragt. Da es um Beschäftigte ging, die im Land Bremen arbeiten, wurden auch Einpendler aus dem Umland berücksichtigt.
Vor zwei Jahren befragte die Arbeitnehmerkammer die Beschäftigten nach der Situation mitten in der Pandemie. Damals sagten 42 Prozent, dass sie im Homeoffice tätig waren. Jetzt wurde erneut danach gefragt – und weiterhin gaben 42 Prozent an, im Homeoffice zu arbeiten. Bei der Befragung 2019 waren es noch 19 Prozent.