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Pilotprojekt Warum die Viertagewoche in der Pflege in Bremen nicht kommt

Der Pilotversuch einer Viertagewoche in der Pflege am Klinkum Bielefeld wird in den Bremer Krankenhäusern mit Interesse verfolgt. Um den Beruf attraktiver zu machen, setzt man aber auf andere Anreize.
08.09.2023, 05:00 Uhr
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Warum die Viertagewoche in der Pflege in Bremen nicht kommt
Von Timo Thalmann

Der Pilotversuch einer Viertagewoche für Vollzeit-Pflegekräfte im Klinikum Bielefeld wird in den Bremer Krankenhäusern aufmerksam verfolgt. „Wir beobachten diese Initiative mit Interesse, wie generell alle innovativen Anstrengungen mit dem Ziel, Pflegekräfte zu gewinnen, zu halten und auszubilden“, erklärt etwa Dorothee Weihe, Pressesprecherin des Rot-Kreuz-Krankenhauses. „Das Modell der Viertagewoche für Pflegende ist auch in unserem Krankenhaus diskutiert worden“, bestätigt ebenso Markus Huber, Pflegedienstleitung des Diako, gleiches gilt im St. Joseph-Stift.

Konkrete Pläne in dieser Richtung gibt es aber bislang in keiner Bremer Klinik. „Den Weg einer Viertagewoche in der Pflege verfolgen wir derzeit noch nicht“, berichtet Maurice Scharmer, Sprecher des St. Joseph-Stifts. Und für den kommunalen Klinikverbund der Gesundheit Nord (Geno) erteilt Sprecherin Karen Matiszick der Idee ebenfalls eine Absage. „Eine reguläre Viertagewoche für alle Beschäftigten in der Pflege ist bei uns derzeit nicht geplant, ebenso wenig wie für die anderen Berufsgruppen“, teilt sie auf Anfrage mit.

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Der Pilotversuch in Bielefeld zielt laut Michael Ackermann, Geschäftsführer des dortigen Klinikums, darauf ab, die Arbeitsplätze attraktiver zu machen und so neue Pflegekräfte zu gewinnen. Bei dem Pilotprojekt werden die Früh-, Spät- und Nachtschicht auf eine Dauer von neun Stunden angepasst. Um die tarifliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden zu erfüllen, leisten die Mitarbeiter variabel weitere 1,2 Dienste pro Monat zum Beispiel durch Springerdienste oder Pflichtfortbildungen. Alternativ kann der Arbeitsvertrag auch auf 93 Prozent angepasst werden, was passgenau der Viertagewoche entsprechen würde. „Die Vorteile des Pilotprojektes sind eine Verdoppelung der freien Tage. Statt elf Dienste in 14 Tagen, sind es jetzt acht“, erläutert Ackermann. Vor allem Teilzeit-Pflegekräften soll so eine Vollzeitbeschäftigung schmackhaft gemacht werden.

Nicht mit der Viertagewoche, aber einer Vielzahl anderer Instrumente arbeiten die Bremer Kliniken nach eigener Darstellung am gleichen Ziel. „Die Gesundheit Nord bietet schon heute zahlreiche Arbeitszeitmodelle an, mit denen wir so weit wie möglich auf die individuelle Situation und die Bedarfe unserer Beschäftigten eingehen“, sagt Matiszick. Sie nennt als Beispiel den zentralen Pflege-Springerpool, der den Angestellten maximale Flexibilität ermögliche. „Sie können dann selbst wählen, an welchen Tagen, in welchen Schichten und mit welcher Stundenzahl sie eingesetzt werden möchten.“

Beim Diako können die Mitarbeiter laut Huber ihren Stundenanteil „jederzeit und unbürokratisch“ erhöhen. „Außerdem bieten wir unterschiedliche und vor allem individualisierte, das heißt auf die Bedürfnisse des Mitarbeiters zugeschnittene, Arbeitszeitmodelle an.“

Laut Weihe sind flexible Arbeitszeiten und verschiedene Teilzeitmodelle auch im Rot-Kreuz Krankenhaus überall zu finden. „Die Arbeitszeitmodelle können aufgrund familiärer Gegebenheiten auch geändert werden. Zusätzlich gibt es Stundenkontingentmodelle, individuelle Eingliederungsmodelle - zum Beispiel nach langer Krankheit -, Sonderurlaub nach der Elternzeit und diverse Arbeitsbefreiungsmöglichkeiten.“ Für kurzfristiges Einspringen zahle das Haus Prämien.

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Allerdings steht der Hilferuf des Arbeitgebers am Freitag, ob man nicht doch kurzfristig am Wochenende eine Schicht übernehmen könne, an der Spitze der unbeliebten Arbeitsbedingungen, wie eine Studie der Bremer Arbeitnehmerkammer bereits 2021 ergab. Danach sind verlässliche Arbeitszeiten und mehr Mitsprache bei den betrieblichen Abläufen wichtigere Faktoren für die Pflegekräfte als die Verteilung der Arbeitszeit auf vier oder fünf Tage. Zusammen mit der Universität Bremen wurden dafür mehr als 1000 Pflegerinnen und Pfleger aus Kliniken, der stationären Pflege sowie bei ambulanten Pflegediensten befragt.

Auf der Basis dieser Befragung will die Arbeitnehmerkammer in Kooperation mit Bremer Kliniken demnächst ein auf fünf Jahre angelegtes Projekt starten, um ausgestiegene Pflegekräfte zur Rückkehr in den Beruf zu bewegen. Verlässliche Dienstpläne mit Springerpools, um kurz-, mittel- und langfristige Personalausfälle auszugleichen, spielen dabei eine wichtige Rolle.

Im St. Joseph-Stift existiert laut Scharmer bereits ein solcher Pflege-Pool als Unterstützung für pflegeintensive Stationen sowie für Urlaubs- und Krankheitsvertretungen mit aktuell 14 Mitarbeitenden, die mit sehr flexiblen Arbeitszeitmodellen unterwegs seien. Vor wenigen Monaten wurde eine sogenannte Shift-Manager-App eingeführt, um noch offene Dienste zu besetzen. „Neben den Pool-Mitarbeitenden können sich dort auch alle anderen Pflegekräfte des Hauses registrieren und ihre individuelle Qualifikation hinterlegen“, erklärt er. Dann werde ihnen speziell auf sie zugeschnitten angezeigt, welche Dienste in den kommenden Tagen noch unbesetzt sind und übernommen werden können. „Ziel ist es, dass die Pflegekräfte durch den Shift-Manager mehr Selbstbestimmung beim Einspringen haben und in ihrer Freizeit nicht mehr angerufen werden.“

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