Die Bremer Hütte will auf dem Weg zum grünen Stahl mehr Tempo machen. Obwohl man bei Arcelor-Mittal weiterhin auf das Okay von der EU-Kommission wartet, will der Stahlhersteller mit den Vorbereitungen für die Milliardeninvestition jetzt loslegen – "auf eigenes Risiko", betont Arbeitsdirektor Michael Hehemann. Denn die Zeit drängt: 2026/27 soll der erste Hochofen stillgelegt werden – bis dahin müssen die Anlagen stehen, die ihn ersetzen sollen.
Am Donnerstag wurde die Belegschaft darüber informiert, wie das gelingen soll. "Vorzeitiger Maßnahmenbeginn" heißt das Verfahren, mit dem man bei Arcelor-Mittal jetzt Fahrt aufnehmen will. Zwar wartet man weiterhin auf den Bescheid aus dem Bundeswirtschaftsministerium zur staatlichen Förderung des Umbaus der Hütte. Doch auch ohne die in Aussicht gestellten Hilfen von Bund und Land sollen nun schon einmal weitere Ingenieure engagiert, Bauanträge eingereicht und technische Details der Anlagen mit den Herstellern besprochen werden. "Wir treten damit in eine neue Phase des Projekts ein", stellt Hehemann fest.
Geplant ist der Aufbau eines neuen Produktionsverfahrens für Stahl, das weitgehend ohne CO2-Emissionen auskommt. Dazu sollen die beiden Hochöfen und das Konverterstahlwerk stillgelegt und durch neue Anlagen ersetzt werden: Eine Direktreduktionsanlage (DRI), die in einer Übergangsphase mit Erdgas, später mit grünem Wasserstoff betrieben wird, erzeugt künftig das Roheisen, das anschließend zusammen mit Schrott in zwei Elektro-Lichtbogenöfen zu Stahl eingeschmolzen wird.
Für die erste Bauphase rechnet Arcelor-Mittal mittlerweile mit Investitionskosten von 2,5 Milliarden Euro in seine beiden deutschen Flachstahlwerke Bremen und Eisenhüttenstadt. Bremen soll eine DRI-Anlage mit einer Jahreskapazität von 2,4 Millionen Tonnen Roheisen sowie einen Elektro-Lichtbogenofen erhalten und das Werk in Ostdeutschland zunächst mitversorgen; der Hochofen 3 in Bremen und der einzige Hochofen in Eisenhüttenstadt werden stillgelegt. Anfang der 2030er Jahre soll auch Eisenhüttenstadt seine eigene DRI-Anlage erhalten; dann wird in Bremen der große Hochofen 2 außer Betrieb genommen. "Eine endgültige Investitionsentscheidung seitens des Unternehmens ist noch nicht gefallen", räumt Hehemann ein. "Aber dass wir mit der Umsetzung jetzt beginnen können, gibt uns und der Belegschaft ein bisschen mehr Sicherheit."
Das hofft man auch bei der IG Metall. "Die jetzige Entscheidung ist sicherlich ein Fingerzeig, dass es läuft", sagt die Bremer Gewerkschaftschefin Ute Buggeln. "Aber wir sind noch nicht an dem Punkt, dass wir jetzt starten können." Sie fordert vom Arcelor-Mittal-Konzern eine verbindliche Entscheidung zum Bau der DRI-Anlage in Bremen. "Daran hängt die Zukunft des Standortes", sagt sie.
Im Bremer Wirtschaftsressort war man über den zögerlichen Fortgang des Verfahrens ebenfalls beunruhigt und hofft jetzt auf mehr Tempo. "Die Tatsache, dass Arcelor-Mittal den vorzeitigen Maßnahmenbeginn beantragt und vom Bundeswirtschaftsministerium gewährt bekommen hat, stimmt mich zuversichtlich", sagt Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke). Der Umbau der Hütte ist eines der größten Projekte Bremens auf dem Weg in die Klimaneutralität, die bis 2038 erreicht werden soll. Deshalb will auch der Staat tief in die Tasche greifen, um dem Unternehmen dabei zu helfen. Die Rede ist von einer Förderung der Großinvestition mit bis zu 940 Millionen Euro durch Bund und Land. Über die genaue Aufteilung wird noch verhandelt; Bremen hat vorsorglich 300 Millionen Euro für Wasserstoffprojekte im Land eingeplant, von denen die Umrüstung der Hütte auf grünen Stahl der mit Abstand größte Posten ist.
Genehmigen muss die staatliche Hilfe die EU-Kommission, die auf eine Gleichbehandlung aller Wettbewerber pocht. Die Stahlproduktion mithilfe von grünem Wasserstoff und Strom genießt bei der EU jedoch höchste Priorität: Sie fällt in die Kategorie internationaler Projekte "von gesamteuropäischem Interesse" (IPCEI) und darf deshalb großzügiger bezuschusst werden, als es die europäischen Wettbewerbsregeln eigentlich vorsehen. Die EU will so ihre Versorgung mit dem "strategisch wichtigen Rohstoff" Stahl sicherstellen und gleichzeitig die hohen CO2-Emissionen der Stahlindustrie nahezu eliminieren. Kritiker bemängeln, dass dadurch eine "Altindustrie" mit enormen Summen aus Steuergeldern am Leben gehalten werde.
Die Konkurrenz der deutschen Arcelor-Mittal-Hütten in Bremen und Eisenhüttenstadt hat ihre Staatsförderung bereits sicher: Sowohl Thyssen-Krupp in Duisburg als auch die Salzgitter AG wollen ihre Hochöfen ebenfalls stilllegen und planen einen Totalumbau der Werke. In Salzgitter erhielt man dafür bereits im April den Förderscheck von Bund und Land, bei Thyssen-Krupp im Juni.