Es wirkt fast etwas unheimlich hier – wie ein verlassener Ort. Da steht der Kaufhof, in dem einst so viel Leben war, ganz leer. Ein Junge nutzt die Gelegenheit und dreht ein Runde mit seinem Roller durch den Raum. Er kann ordentlich Schwung holen: Die Bahn ist komplett frei.
Opti ist längst ausgezogen. Überall sind noch Spuren der Möbelkette zu sehen. Die Reklame der Lampenabteilung, die Stellwände im Raum. Nur ist alles ausgeknipst und abgebaut. Saturn hält derweil die Stellung. Die Elektronikmarktkette in den oberen Etagen steuern einige an, über jene Rolltreppen rund um den Lichtbaum, die noch in Betrieb sind.
Was mit dem Haus passiert? Ein etwas trostloser Kaufhausklotz wartet am Hanseatenhof auf sein Schicksal – so sieht es heute von außen aus. In einigen Jahren aber soll von hier aus ein Impuls für das Zentrum ausgehen – Zukunft einziehen. Bremen hat das Gebäude gekauft und damit einen wesentlichen Baustein in der Innenstadt in der Hand.
Wer mit Frida Kopka, Lena Bergmann und Tankred Netzer einen Rundgang macht, der kann sich plötzlich sehr viel vorstellen, was in dem Klotz für ein Ort entstehen könnte. In anderen Städten gebe es schon Konzepte für die leeren Kaufhäuser: Musikschulen, Stadtbibliotheken oder Opernhäuser sollten dort einziehen. Der Bremer Kaufhof habe ebenfalls viel Potenzial, viele Nutzungen seien möglich – auch Wohnen denkbar.
Nur eins ist für die drei klar: Das Gebäude selbst muss stehen bleiben. "Auf gar keinen Fall Abriss", sagt Kopka, die sich gemeinsam mit Bergmann und Netzer bei Architects for Future in Bremen engagiert. Der Zusammenschluss setzt sich für den Klimaschutz in der Baubranche ein – will eine Bauwende anstoßen. Insgesamt gibt es deutschlandweit 50 Ortsgruppen wie in Bremen.
Kopka formuliert es nach vorne gerichtet: "Wir haben in der Baubranche einen enormen Hebel." Am Abfallaufkommen in Deutschland habe die Branche einen sehr hohen Anteil. 2022 lag der mit 216 Millionen Tonnen nach Angaben des Umweltbundesamtes bei mehr als der Hälfte. Dazu kommen die Emissionen an CO2, die besonders bei der Herstellung von Beton entstehen.
Wo die Branche steht? In den Architekturbüros finde ein Wandel gerade erst statt – auch im Umgang mit dem Bestand. "Wir haben irgendwann angefangen, einfach alles abzureißen", kritisiert Netzer. Es müsse viel stärker um die Weiterentwicklung von Gebäuden gehen – und nicht immer sofort die Abrissbirne kommen. Dabei gehe es auch um die Wertschätzung der Baukultur. Eine Forderung der Bewegung lautet: "Verlängert die Lebensdauer von Gebäuden!"
Im Moment steht der Plan für den Bremer Kaufhof noch nicht fest. Die Optionen werden geprüft. Aus Sicht von Kopka, Bergmann und Netzer stehen weitere "Abriss-Neubau-Großprojekte" in der Stadt auch im Widerspruch zu Bremens Klimaschutzzielen. Dabei sei hier doch viel möglich – auch ohne Neubau. "Man muss und kann hier groß denken", sagt Kopka. Die Stadt und das Gebäude entwickelten sich weiter. Deswegen sei klar, dass die Immobilie nicht einfach nur energetisch saniert werden sollte.
Was ein Vorteil sei: Das Haus ließe sich gut umgestalten, mache insgesamt wenig Vorgaben, sondern biete baulich einige Freiheiten. So ist es auch bei der Fassade. Die Hortenkacheln umkleiden den Kaufhof. An einer Art Vorhang hängen die Wahrzeichen – die sich aber auch abmontieren ließen. Fenster böten viel Potenzial, nicht nur um Licht zu bringen, sagt Frida Kopka: "Das Gebäude würde nicht mehr so introvertiert wirken, sondern viel offener und fröhlicher." Als "Bausünde" sehen Kopka, Bergmann und Netzer den Kaufhof keineswegs. Der Architekt des Gebäudes habe daran gedacht, dass auf den "Konsumtempel" eine andere Nutzung folgen könnte. Eine Aufstockung sei möglich, wie die Machbarkeitsstudie zeige – etwa für einen Dachgarten.
Warum es wichtig ist, die Konstruktion an sich aber zu erhalten? Dafür sei der Großteil der Emissionen angefallen. "Es ist eine Riesenmenge an CO2, die hier im Gebäude schon steckt, die man hierlassen sollte", sagt Tankred Netzer auch mit Blick auf die Herstellung von Beton. Das Recycling des Baustoffs sei schwer: "Es gibt sehr viele Faktoren, die das ganz schnell zunichtemachen können." Alter Beton lande oft im Straßenbau, wodurch es zu einem Downcycling komme.
Was aus solchen Kaufhäusern werden kann, wenn die Flächen leer stehen? Dazu gebe es etliche Studien. "Wir forschen daran schon sehr lange", sagt Lena Bergmann. In ihrem Architekturstudium habe sie sich bereits mit Kaufhäusern beschäftigt. Ihre Haltung zum Umgang mit der Baugeschichte ist eindeutig: "Man muss nicht abreißen, um was Neues zu schaffen.“
Was genau das in der Hansestadt sein soll? Im besten Fall sollten die Bremer selbst darüber mitentscheiden, was in ihrem Kaufhof passieren soll, finden Kopka, Bergmann und Netzer. Als Architects for Future wollen sie sich ebenfalls am Prozess beteiligen.