Wer in Bremen einen Mediziner bei Google Maps sucht, der findet sofort viele Namen und Sterne dazu. Welche Rolle spielen Bewertungen heute bei der Arztwahl?
Johannes Grundmann: Umfragen belegen, dass viele Patienten durch Bewertungen auf Arztportalen beeinflusst werden. Der Renner ist Jameda. Dort sind bundesweit etwa 275.000 Ärzte und Heilberufe gelistet. Die Versicherten orientieren sich daran – das hat Bedeutung. Viele Dinge sehe ich aber auch kritisch.
Was zum Beispiel?
Es gibt bei Jameda zwar einen kostenlosen Basiseintrag für jeden Arzt. Es können von den Ärzten aber auch verschiedene Pakete mit dem Status von Gold bis Platin gekauft werden. Dadurch werden die Praxen besser präsentiert, haben offensichtlich mehr Bewertungen und im Schnitt bessere Noten.
Wie kommen die Bewertungen eigentlich bei den Ärzten an? Bestenfalls gibt es ja ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis.
Nach meinem Empfinden ist das äußerst gemischt. Viele Kollegen fühlen sich – speziell bei negativen Bewertungen – auch irgendwie kontrolliert. Und manche interessiert es gar nicht. Ich hatte bis vor vier Jahren eine große Hausarztpraxis in Gröpelingen und mache immer noch Vertretungen. Unsere Bewertung habe ich mir natürlich angeguckt. Ich erinnere mich noch, als die Sache anfing: Es war schon komisch. Zu vielen Patienten hatte ich doch ein relatives gutes auch persönliches Verhältnis. Das ist ein bisschen schwierig, dann eine Beurteilung zu lesen.

Johannes Grundmann zufolge kann eine Bewertung durchaus eine erste Orientierung bei der Arztsuche sein. Doch einiges daran sieht er auch kritisch.
Gibt es auch regelrecht falsche Bewertungen?
Ja. Das ist vorgekommen. Das ist auch ein Kritikpunkt an den Portalen. Dort schreiben manchmal Menschen, die gar nicht in der Praxis waren, eine Bewertung. Das ist bei uns – wenngleich selten – auch passiert.
Als Arzt unterliegen Sie der Schweigepflicht. Wie sieht es bei den Bewertungen aus? Sollten Ärzte dazu schweigen oder reagieren?
Ich kann nicht für alle in der Ärztekammer sprechen. Ich würde den Kollegen aber empfehlen, sich ruhig zu wehren, wenn sie sich richtig ungerecht behandelt fühlen.
Welche Grundsätze gelten da?
Welche Rechte haben Ärztinnen und Ärzte? Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Ärzte selbst anonyme Bewertungen grundsätzlich hinnehmen müssen, aber keine unwahren Tatsachenbehauptungen. Außerdem müssen Ärzte die Aufnahme in ein Portal dulden – auch gegen den eigenen Willen.
Es gibt einige Portale: „Wer kennt den Besten“ oder auch "Docinsider". Teils teilen Menschen dort auch ihre Krankengeschichte, was Betroffenen womöglich hilft. Halten Sie das dennoch für bedenklich?
Die Patienten sollten vorsichtiger sein. Man muss immer daran denken: Das Internet vergisst nicht. Die Krankengeschichte sollte lieber nur dem Arzt erzählt werden.
Wie finde ich denn einen guten Arzt? Es gibt sicher auch Kollegen, die eine schlechte Bewertung durchaus verdient haben.
Das ist völlig richtig. Die Bewertung eines Arztes im Internet ist insofern eine Art Vorauswahl – eine Möglichkeit der ersten Orientierung. Wenn jemand nur schlecht bewertet wird, wäre ich selbst auch vorsichtig. Nach wie vor ist ein gutes Messwerkzug die Mundpropaganda. Wer neu in der Stadt ist, sollte sich umhören.
Öfter dürften die Sterne auch mal gar keine Rolle spielen. Viele Patienten sind auf der Suche nach Ärzten verzweifelt – froh über jeden Termin.
Da ist so. Ich bin noch nie so viel gefragt worden, ob ich mit einem Kontakt helfen kann: Hast du nicht einen Hausarzt für mich? Sie haben völlig Recht. Ich höre das auch von Patienten: Ich nehme die Marotte eines Doktors in Kauf, um überhaupt einen Arzt zu haben. In einigen Stadtteilen Bremens gibt es zu wenige Ärzte – in Woltmershausen, in Oberneuland oder auch Gröpelingen.