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Spitzentreffen im Kanzleramt Automarkt: Mit Vollgas in die Krise

Lange haben deutsche Autokonzerne hohe Gewinne in China erzielt - doch nun schwächelt dieser wichtige Markt. Für die Autobauer wird das zu einem großen Problem. Denn auch woanders stockt der Absatz.
12.06.2019, 22:19 Uhr
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Von Stefan Lakeband und Marco Engemann

Den Autoherstellern droht eine schwere Krise. Die Konzerne sind nicht nur wegen des Diesel-Skandals in Verruf geraten, auch die Absatzzahlen schwächeln. 2019 könnte es sogar besonders schlimm werden, wie eine Studie nun zeigt.

„Das Krisenszenario könnte kaum größer sein“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, der die Untersuchung am Car-Institut der Universität Duisburg-Essen erstellt hat. Der Analyse zufolge könnte der Absatz neuer Autos in diesem Jahr um fünf Prozent auf 79,5 Millionen Stück zurückgehen. Damit wäre der Einbruch noch stärker als nach der Finanzkrise im Jahr 2008.

Von diesem Rückgang wird vor allem der chinesische Markt betroffen sein, glaubt Dudenhöffer. Allein hier werde der Verkauf von Neuwagen um mehr als vier Millionen im Vergleich zum Vorjahr sinken. Anzeichen dafür gibt es bereits jetzt: In den ersten vier Monaten dieses Jahres brach der größte Automarkt der Welt um 15 Prozent ein; im vergangenen Monat lag das Minus bei 13 Prozent.

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Das haben vor allem die amerikanischen Hersteller Ford und GM gespürt, sie verkauften 48 beziehungsweise 17 Prozent weniger Fahrzeuge in China. Doch auch bei deutschen Autobauern schwinden die Absätze: Laut Dudenhöffer liegt das Minus von Volkswagen im ersten Quartal bei mehr als 13 Prozent. Im Mai gingen die Verkäufe um sieben Prozent zurück. China ist der wichtigste Einzelmarkt für die Wolfsburger; das Land steht für fast die Hälfte der verkauften Autos bei VW. Auch Mercedes hat der Untersuchung zufolge verloren: Im ersten Quartal 2019 seien die Verkäufe um 3,4 Prozent zurückgegangen.

Vor allem für internationale Autohersteller ist die China-Schwäche ein großes Problem: Sie haben dort in den vergangenen 20 Jahren einen Großteil ihrer Gewinne erwirtschaftet. Bis zuletzt lief es sehr gut. So ist zwischen 2013 und 2017 der Absatz von Neuwagen jährlich um zehn Prozent gestiegen. Viele Konzerne haben daraufhin ihre Produktionskapazitäten in China erhöht; Mercedes, Volkswagen, BMW und Audi haben dort eigene Werke. Die derzeitige Abschwächung führt aber zu überschüssigen Produktionskapazitäten von jetzt schon sechs Millionen Fahrzeugen.

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Die schlechten Zahlen führt Dudenhöffer unter anderem auf die weltpolitische Lage zurück. „Einer der Hauptauslöser sind die großen Unsicherheiten durch die Zollkriege und Sanktionen der US-amerikanischen Regierung unter Präsident Donald Trump“, sagt er. Außerdem wächst die Wirtschaft nicht mehr so stark wie früher. Das könne gefährliche Folgen haben: „Fällt das Wachstum in China über einen mehrjährigen Zeitraum aus, muss man mit einer gefährlichen Krise der Weltautoindustrie rechnen.“

Doch nicht nur in China, auch in etlichen anderen globalen Märkten sinken die Verkaufszahlen der Analyse zufolge – vor allem in Indien (minus sechs Prozent) und Brasilien (minus sieben Prozent), aber auch in der Türkei (minus 47 Prozent). Für die deutschen Hersteller kommt hinzu, dass sie noch ganz andere Probleme bewältigen müssen. Bei Audi bereitete der neue Abgasprüfstandard WLTP die größten Probleme, weil viele Modelle nicht verfügbar waren.

VW ist mit seinen massenkompatiblen Autos relativ stark von der Kaufzurückhaltung in China betroffen. BMW wiederum ist dort aktuell mit neuen Modellen zwar gut unterwegs, doch wegen der Marktturbulenzen in Europa drosselte das Unternehmen die Produktion. Außerdem haben die Münchener als Einzige aus der Riege deutscher Hersteller Vorsorge für eine mögliche Kartellstrafe der EU getroffen – und das in Milliardenhöhe.

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Die Folge ist bei allen Konzernen die gleiche: Sie sparen. Daimler will rund um den Chefwechsel noch keine Details zum Sparprogramm nennen, der neue Konzernlenker Ola Källenius wird aber wohl nicht ohne Einschnitte auskommen. Ex-Chef Dieter Zetsche gab ihm den Ratschlag mit auf den Weg, dass alles auf dem Prüfstand stehen müsse.

Bei BMW sollen in den kommenden vier Jahren insgesamt zwölf Milliarden Euro eingespart werden. Bei Volkswagen trimmt Vorstandschef Herbert Diess vor allem die renditeschwache Kernmarke VW und die zuletzt schwächelnde Konzerntochter Audi auf mehr Rendite. Neben dem laufenden Sparprogramm von VW, das vor allem die Produktion trifft, sollen weitere rund 4000 Stellen in der Verwaltung gestrichen werden.

Und die Autohersteller sind nicht allein– es trifft auch die Zulieferer. Bei den börsennotierten Unternehmen kam in den vergangenen zwölf Monaten kaum einer von ihnen um Gewinnwarnungen herum, weil die Geschäfte schlechter liefen als geplant.

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