Der Wohnungsbau in Bremen und Niedersachsen stockt: Hohe Zinsen, gestiegene Materialkosten und Lieferschwierigkeiten stellen die Bauwirtschaft vor große Probleme. „Waren zu Jahresbeginn für 2022 noch Rekordinvestitionen (...) erwartet worden, wandern Baupläne jetzt serienweise zurück in die Schubladen“, erklärte der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen Bremen (VDW) kürzlich.
Ursprünglich, so der VDW, hätten die Mitglieder in diesem Jahr rund 1,7 Milliarden Euro in Neubauten, Instandhaltung und Modernisierung investieren wollen. Dieses Ziel könne nicht erreicht werden. „Falls sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, rechnen wir mit einem Neubaurückgang in unserem Verband von jährlich bis zu 1500 Wohneinheiten ab 2023“, prognostiziert VDW-Direktorin Susanne Schmitt. Der Bremer Baupolitiker Falk Wagner (SPD) vergleicht die Lage der Branche mit einem Bauern, „der mit Hagel, Frost und Dürre gleichzeitig zu kämpfen hat“.
Was angesichts dieser Umstände aus den Bremer Wohnungsbauzielen wird, bleibe abzuwarten, heißt es aus dem Bauressort. Im rot-grün-roten Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass Bremen in dieser Legislaturperiode die Voraussetzungen für 10.000 neue Wohnungen schaffen will. Man nehme aktuell „große Besorgnis“ wahr und tausche sich regelmäßig mit Bauherren und Investoren aus, erklärt Ressortsprecher Jens Tittmann. Im ersten Halbjahr 2022 ist die Zahl der Bauanträge in Bremen zurückgegangen. Laut Bauressort wurden 693 Anträge genehmigt, im selben Zeitraum im Vorjahr waren es 973.
Falk Wagner geht davon aus, dass sich das tatsächliche Ausmaß der Krise zeitverzögert zeigen werde – sofern sich die Lage in den nächsten Monaten nicht bessert. Peter Sakuth, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der freien und privaten Wohnungsunternehmen in Bremen, teilt diese Einschätzung. Die meisten Mitglieder schlössen laufende Projekte noch ab, begännen aber keine neuen.
Viele Verträge für laufende Vorhaben seien noch vor Beginn des Ukraine-Krieges – zu günstigeren Preisen – ausgehandelt worden, sagt Wagner. Die Baubehörde rechnet laut eigener Aussage nicht mit einem nennenswerten Anstieg der genehmigten Wohneinheiten im zweiten Halbjahr 2022. Fertiggestellt wurden im vergangenen Jahr 1604 Wohnungen – Zahlen oder Prognosen für dieses Jahr gibt es bislang nicht. Mehrere größere Projekte werden Tittmann zufolge voraussichtlich bis Jahresende abgeschlossen: Am Europahafenkopf und am Schuppen 3 in der Überseestadt sowie im Scharnhorst-Areal entstehen 780 Wohnungen.
„Es wird weiterhin gebaut“, betont Tittmann. Er verweist auf das Tabakquartier in Woltmershausen, wo Ende August Richtfest gefeiert wurde. Der Behörde seien derzeit keine Projekte bekannt, die sich wegen der Branchenkrise verzögerten. Die Gewoba, Bremens städtisches Wohnungsunternehmen, baut derzeit laut eigener Aussage 564 Wohnungen. Bei drei Projekten sei es zu Neuausschreibungen und Verzögerungen von durchschnittlich einem halben Jahr gekommen – „zu wenige Angebote, zu hohe Preise“, nennt Firmensprecherin Christine Dose als Gründe. Absagen müssen habe man bislang kein Projekt.
Wie berichtet, hat Bremen als Reaktion auf die Krise ein neues Förderprogramm aufgelegt, mit dem vor allem für Geringverdiener bezahlbare Wohnungen geschaffen werden sollen. Nach Informationen des WESER-KURIER wird der Senat die 50 Millionen Euro, von denen 20 Millionen aus Bundesmitteln stammen, am Dienstag freigeben. Senatorin Maike Schaefer (Grüne) wertet das Programm – es ist das fünfte dieser Art seit 2012 – bereits als Erfolg: „Es ist uns mit unserem neuen Wohnraumförderprogramm gelungen, die rückläufige Bautätigkeit in Bremen weitestgehend zu vermeiden.“ Bremen schaffe dadurch weiterhin bezahlbaren Wohnraum mit 30 Prozent Sozialraumquote. „Dieses erfolgreiche Vorgehen wird inzwischen auch von anderen Bundesländern kopiert“, sagt die Bausenatorin. Bremen habe mit dem Förderprogramm seine Hausaufgaben gemacht, meint Wagner.
In der Baubranche sieht man weiterhin Nachholbedarf. „Wir erwarten von Bremen, dass das Bauen erleichtert wird“, sagt Sakuth. Technische Auflagen müssten minimiert werden. Energieeffizientes und umweltfreundliches Bauen sei wichtig – die Vorgaben seien angesichts der gestiegenen Kosten aktuell aber kaum erfüllbar. Sakuth empfiehlt einen Blick nach Hamburg, wo seit einigen Jahren im bundesweiten Vergleich besonders viele Wohnungen entstehen. Das sei auch darauf zurückzuführen, dass Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) die Prozesse vereinfacht habe.